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17.06.06 / Wir sind nicht unterwandert / Jeder fünfte Einwohner hat Wurzeln im Ausland - Statistik verzerrt das Bild

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. Juni 2006

Wir sind nicht unterwandert
Jeder fünfte Einwohner hat Wurzeln im Ausland - Statistik verzerrt das Bild
von Rebecca Bellano

Fast jeder fünfte Einwohner hat Wurzeln im Ausland, so die aufsehenserregende Meldung vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden. "Wenn in einer Gesellschaft 19 Prozent der Menschen einen ,Migrationshintergrund' haben", so Johann Hehlen, Präsident der Behörde, "dann kann man durchaus von einer Zuwanderungsgesellschaft sprechen". Und während die einen die deutsche Nation unterwandert fühlen, feierten die anderen, was sie lange ersehnt hatten. "Zumindest dürfte jetzt endgültig klar sein: Es geht nicht mehr darum, ob eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland wünschenswert ist oder nicht. Es gibt sie längst", jubilierte die "taz".

Zum ersten Mal wurde bei der auch als "kleine Volkszählung" bezeichneten Umfrage "Mikrozensus 2005" durch das Statistische Bundesamt auch nach einem sogenannten "Migrationshintergrund" gefragt. Unter Menschen mit "Migrationshintergrund" sind zugewanderte oder in Deutschland geborene Ausländer sowie bereits eingebürgerte Ausländer und Spätaussiedler zu verstehen. Aber auch Kinder aus binationalen und nichtdeutschen Partnerschaften sowie von Spätaussiedlern gehören dazu. Die Umfrage offenbarte erstmals, daß es nicht nur 7,3 Millionen Menschen mit einem nicht-deutschen Paß in Deutschland gibt, sondern auch weitere acht Millionen Menschen mit einem "Migrationshintergrund". Demnach haben also 15,3 Millionen von über 82 Millionen Einwohnern einen nicht-deutschen Hintergrund. Doch was sagt das Ergebnis des "Mikrozensus 2005" überhaupt aus? Da es keine Vergleichszahlen gibt, kann man nur annehmen, daß es sich hier um einen hohen Wert handelt. Und was sind das für "Migrationshintergründe", sprich in welchen Ländern haben die Betroffenen ihre Wurzeln? Betrachtet man die Statistik über binationale Eheschließungen der letzten fünf Jahre, fällt auf, daß gut jede fünfte Ehe (zirka 380000 Hochzeiten) eine sogenannte "Auslandsberührung" hatte, was bedeutet, daß einer der Ehepartner (15 Prozent) oder gleich beide (5 Prozent) einen ausländischen Paß hatten. Hierbei ehelichten die deutschen Männer 2003 mit Vorliebe Polinnen (5371), Russinnen (2545), Thailänderinnen (2535), Rumäninnen (2229) und Ukrainerinnen (1953). Deutsche Frauen suchen sich etwas seltener einen Ehemann mit ausländischen Paß. Hierbei entschieden sie sich 2003 für Türken (5564), Jugoslawen (2073), Italiener (1702) und US-Amerikaner (1353). Bei den Ehepartnerinnen der deutschen Männer kann man aufgrund der bisherigen Ehrfahrungen davon ausgehen, daß sie sich ziemlich nahtlos in die deutsche Gesellschaft einfügen werden und ihre Kinder auch in diesem Sinne erziehen werden. Ähnlich sieht das bei den italienischen und US-amerikanischen Ehemännern von deutschen Frauen aus. Etwas problematischer sieht es bei Eheschließungen mit muslimischen Männern aus. Die islamische Ehe beruht traditionell auf der Vorrangstellung des Mannes, so daß es häufig vorkommt, daß bei Eheschließungen deutscher Frauen mit Türken seine Tradition dominiert. Die Tatsache, daß trotz des hohen Anteils von Türken in Deutschland nur 1850 deutsche Männer Türkinnen heirateten, während 5564 Türken deutsche Frauen ehelichten, läßt vermuten, daß heute noch der Brauch gelebt wird, nachdem ein muslimischer Mann zwar eine Christin heiraten, eine muslimische Frau aber keinen Christen heiraten darf.

Doch alle diese statistischen Daten sind mit Vorsicht zu genießen, da viele nur Momentaufnahmen darstellen, weil ausländische Ehepartner in der Regel schnell die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen. Außerdem sind auch die durchaus in beachtlicher Zahl vorhandenen binationalen Lebensgemeinschaften ohne Trauschein nirgendwo statistisch erfaßt.

Letztendlich ist aus Sicht der Mehrheit der Bevölkerung auch Ausländer nicht gleich Ausländer. So werden beispielsweise britische Soldaten, die auf Militärstützpunkten in Deutschland stationiert sind, als Engländer oder Briten bezeichnet und selten als Ausländer. Bei Eheschließungen mit einer Deutschen würde trotz aller nationalen Unterschiede keiner von "Multikulti" reden. Der "Mikrozensus 2005" erfaßt allerdings auch derartige "Migrationshintergründe". Dabei sind sie schon lange üblich. Briten, Franzosen, Holländer, Belgier, Spanier, Portugiesen, Italiener, Österreicher und Schweizer begegnen sich aus handelstechnischen, beruflichen, militärischen und urlaubsbedingten Gründen schon seit Jahrhunderten mit Deutschen, ohne daß das deutsche Wesen deswegen untergegangen wäre.

Allerdings gibt es durchaus einige Statistiken, die das Gefühl unterwandert zu sein, aufkommen lassen. So gaben 42 Prozent der 2002 vom Senat befragten in Berlin lebenden Türken an, daß ihr Partner aus der Türkei extra zugezogen sei, andere heirateten schon in Deutschland lebende Türken, so daß letztendlich nur knapp 4 Prozent einen deutschen Ehepartner haben. Angesichts der Tatsache, daß die über zwei Millionen in Deutschland lebenden Türken eben zu jener Ausländergruppe gehören, die sich nicht reibungslos bis gar nicht integriert, dürfte sich hier noch einiger Konfliktstoff für die nächsten Jahrzehnte abzeichnen.

"Migrationshintergrund": Bei der diesjährigen Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" hatten sogar drei von vier Finalisten sowohl einen deutschen als auch einen nichtdeutschen Elternteil. Foto: pa

Der Mikrozensus, auch kleine Volkszählung genannt, ist eine statistische Erhebung, aus der im Gegensatz zur großen Volkszählung (die letzte war 1987) nur nach bestimmten Zufallskriterien ausgewählte Haushalte beteiligt sind. Die Anzahl der Haushalte wird so gewählt, daß die Repräsentativität der Ergebnisse statistisch gesichert ist. Der Mikrozensus dient dazu, die im Rahmen von umfassenden Volkszählungen erhobenen Daten in kurzen Zeitabständen mit überschaubarem organisatorischem Aufwand zu überprüfen und zu korrigieren. Im Rahmen des "Mikrozensus 2005" wurden 390000 Haushalte mit rund 830000 Menschen befragt, die ein Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen.


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