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17.06.06 / Szenarium des Grauens / Ein Besuch im mittelalterlichen Kriminalmuseum Rothenburg ist nichts für Zartbesaitete

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. Juni 2006

Szenarium des Grauens
Ein Besuch im mittelalterlichen Kriminalmuseum Rothenburg ist nichts für Zartbesaitete
von Esther Knorr-Anders

Man sollte über ein ausgeglichenes Gemüt verfügen, es ist Voraussetzung für einen Rundgang durch das Kriminalmuseum in Rothenburg ob der Tauber, das zugleich das einzige Rechtskundemuseum Deutschlands ist. Das Gebäude wurde zwischen 1393 und 1410 als Komturei des Johanniterordens errichtet, 1718 barock umgestaltet; seit dem Jahr 1977 ist das restaurierte Schmuckstück Museumssitz.

In vier Etagen, auf 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, entwickelt sich ein Szenarium des Grauens. Folterinstrumente, Geräte zum Vollzug der Todesstrafe, Kupferstiche und Holzschnitte, Schriften, Urkunden, Siegel bezeugen die ewige Geschichte von Tat und ihrer Ahndung. Ein hervorragend konzipiertes Begleitbuch "Justiz in alter Zeit" erläutert ausführlich die sozialhistorischen Zusammenhänge.

In der Menge der zu besichtigenden Folter-Exponate sorgen für besondere Entsetzensqualität die "Eiserne Jungfrau", der Stachelstuhl, Finger- und Beinschrauben, die Mundbirne, das Halseisen, verschiedene Fesselungsarten. Das Rad zum Tod durch Rädern, der Block mit Henkerbeil, Schwerter zum Enthaupten prägen sich nachhaltig ins Gedächtnis.

Auch jene Missetaten, die nicht die Todstrafe bedeuteten, wurden brachial bestraft. Dazu zählte das "Prangerstehen" in aller Öffentlichkeit. Der an einen Pfahl oder eine Mauer gekettete Delinquent war der Bosheit und der Schadenfreude der Gaffer ausgeliefert. Eine "Schandmaske" wurde ihm übergestülpt, die sein Vergehen kundgab. Für Männer, "die sich wie ein Schwein benommen hatten" wies die Maske die Form eines Schweinekopfes auf, eine lange Zunge zeigte "üble Nachrede" an. In den "Stock" geschraubt wurden Faulenzer und Nichtstuer, der "Hölzerne Kragen" wurde Frauen angelegt, die gegen die Kleiderordnung verstoßen hatten.

Die mittelalterliche Rechtsprechung kannte das "Ordal", das Gottesurteil, das bereits in vorchristlicher Zeit praktiziert wurde. Wer im Zweikampf siegte oder eine ungewöhnliche Probe unversehrten Leibes überstand, auf dessen Seite wirkte die göttliche Wahrheit, die Gerechtigkeit. Legendäre Beispiele bilden der Kampf Lohengrin / Telramund für Elsa von Brabant; die heilige Kunigunde wandelte unversehrten Fußes über glühende Pflugscharen und widerlegte so den Vorwurf des Ehebruchs. Gemischte Empfindungen wecken die Bilddarstellungen von Ordal-Zweikämpfen zwischen Mann und Frau. Das gab es, wenn die Beschuldigte keinen Stellvertreter fand, der für sie kämpfte.

Je tiefer man in die Rechtspraktiken vergangener Jahrhunderte eindringt, um so inniger dankt man dem Heute. Sofern eine Steigerung an Ungeheuerlichkeiten im Rothenburger Haus überhaupt noch möglich ist, sind es die Abbildungen über "Verstümmelungsstrafen" und jene zu den Hexenprozessen mit Tod auf dem Scheiterhaufen. Die "Sabbatszenen", Holzschnitte aus dem "Compendium Maleficarum" von 1626 legen Zeugnis für eine sexuell strukturierte Wahnwelt ab. Man sieht die Hexen durch die Lüfte anreiten, mit dem Teufel und dessen Komplizen eine Orgie feiern, der "Verehrungskuß" (Afterkuß) wird zelebriert. Albrecht Dürers Hexen (1491) posieren in der bekannten "Drei-Grazien-Pose". Hans Baldung Grien brachte mit "Hexen beim Einsalben" Pornographie pur aufs Papier ...

Längst dem Vergessen anheimgefallen ist die Tatsache, daß auch Tieren der Prozeß gemacht und ein Urteil gesprochen wurde. Widernatürliche Unzucht, Sodomie, galt als "Vergehen gegen Gott" und löste die Todesstrafe aus, die Mensch und Tier zusammen erlitten. Eine erheiternde Abbildung zeigt Benedikt von Montferrand, Bischof von Lausanne, den die Stadt Bern gebeten hatte, beim Dorf Wiflisburg die Engerlinge zu vertreiben, die sich bereits zu Maikäfern entwickelt hatten. Da der gerichtliche Vertreter der Käfer - auch Tieren wurde ein Verteidiger zugeordnet - nicht erschienen war, sprach Montferrand den Bannfluch über sie und verwies sie des Dorfes. Die Maikäfer erwiesen sich als renitent und schwirrten munter umher ...

Ebenfalls in Vergessenheit geriet die Todesstrafe "in effigie". Sie wurde verhängt, wenn man des Täters nicht habhaft werden konnte. Statt seiner wurde ein Bildnis (Effigie) bei der Hinrichtungsstätte plaziert. So geschehen - beispielsweise - im 18. Jahrhundert in Mantua, wo ein Militärgericht einen Verräter zum Tod durch den Strang verurteilt hatte. Sein Bildnis wurde an den Galgen gehängt. In magischen Bereichen angesiedelter Glaube lag diesen Urteilen zu Grunde.

Das Rothenburger Museum führt in außerordentlicher Schau 1000 Jahre Rechtsprechung mit all ihren sich immer wieder ändernden Auffassungen vor Augen.

Mittelalterliches Kriminalmuseum, Burggasse 3-5, 91541 Rothenburg ob der Tauber; Öffnungszeiten: April bis Oktober täglich von 9.30 Uhr bis 18 Uhr, November, Januar, Februar täglich von 14 bis 16 Uhr, Dezember und März täglich von 10 bis 16 Uhr, Eintritt 3,50 Euro.

Geheimnisvolle Hexen: Allerlei Gebräu brachte manche Frau in Verruf. Foto: Museum


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