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17.06.06 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. Juni 2006

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied und Familienfreunde,

in meinem großen Dank für die vielen Gratulationen zu meinem 90. Geburtstag, der zur Folge hat, daß jetzt noch weitere Glückwünsche kommen - einen ganz herzlichen Gruß an Hildegard Krumpf und "viele Leute in Kanada" -, hatte ich erwähnt, daß ich auf manchen Brief noch gesondert eingehen werde. Das will ich schon heute tun, denn das Schreiben von Frau Marie-Elisabeth von Redecker hat mich sehr berührt, nicht nur, weil die Gratulantin noch vier Jahre älter ist als ich (!), sondern weil sie auch eigene Erlebnisse und Erfahrungen einbringt, die ich gerne weitergeben möchte. Ihr Mann Eberhard von Redecker war lange Jahre Kreisvertreter von Sensburg. Er hat mit nie nachlassender Energie und gegen viele Widerstände die erste Johanniter-Sozialstation in Sensburg gegründet - heute gibt es bereits zehn Sozialstationen. Zur Seite stand ihm damals Frau Wandhoff, eine Wahlostpreußin, die ihre Erfahrungen in Mecklenburg einbringen konnte, die sie dort bei der Gründung der ersten Sozialstation gesammelt hatte. Wohl 80mal ist Herr von Redekker in die Heimat gefahren, seit es möglich ist, und auch seine letzte Reise ging in die Heimat - und diesmal für immer! Denn mit der gleichen Konsequenz, wie er seine Hilfsaktionen realisiert hatte, bereitete er auch seinen letzten Gang vor: Er wollte auf dem Familienfriedhof in Eichmedien beigesetzt werden. Das erschien unmöglich, und doch wurde es Wirklichkeit. Frau von Redecker berichtet: "Es war eine wunderbare, würdige Feier. Wir konnten in unserer - jetzt katholischen - Kirche einen Trauergottesdienst abhalten. Der evangelische Pfarrer Hause aus Rastenburg ist ein wunderbarer Mensch. Außer einem Teil unserer großen Familie waren alle Freunde von der Sensburger Station, Polen und Deutsche auch aus dem Dorf, gekommen. Der jetzige polnische Besitzer des Schlosses hat auch sehr bei den Vorbereitungen geholfen. Mein Mann - und auch sein gefallener Bruder, dem dort ein Gedenkstein gesetzt wurde - sind die fünfte Generation, die nun auf dem Familienfriedhof ihre letzte Ruhe gefunden haben. Ich weiß nicht, ob das schon jemand anderem vergönnt ist." Soweit die Worte von Marie-Elisabeth von Redecker aus dem sehr persönlichen Brief. Aber ich wollte, ich konnte sie nicht allein für mich behalten. Es bezeugt doch die tiefe Verbundenheit mit der Heimat über den Tod hinaus. Ist es nicht diese nie ausgegrabene Verwurzelung, die noch nach Jahr und Tag unsere Heimat lebendig erhält in unseren Gedanken, in unserem Gedenken? Wir bekommen sie täglich in den Briefen und Bildern zu spüren, die uns erreichen.

Aber ich weiß auch, wie viele Vertriebene sich noch heute mit der Frage quälen, wo ihre Lieben ruhen, ob sie für immer in der Heimat geblieben sind, ob ihnen je ein Grab geschaufelt wurde. Ein ewiges Rätsel, aber manchmal erhält man doch einen Hinweis von unbekannter Seite, und vielleicht ist das auch heute in unserer Ostpreußischen Familie möglich. Denn es ist folgendes geschehen: Wir bekamen einen Anruf von einer Ostpreußin, die nicht ständig unsere Zeitung liest, aber auf uns aufmerksam gemacht wurde. Sie stammt aus der Neidenburger Gegend und war als junges Mädchen in der Zweigstelle Muschaken der Landwirtschaftlichen Genossenschaft tätig gewesen. Eine Kollegin von ihr wurde beim Einmarsch der Russen verschleppt. Aufgrund einer schweren Erkrankung wurde sie aus sibirischer Gefangenschaft entlassen, fand ihre Eltern in Westdeutschland und wanderte mit ihnen nach Kanada, später in die USA aus. Und nun kommt die Geschichte. Diese Frau fand jetzt beim Aufräumen eine alte Bibel, die sie aus der Gefangenschaft mitgebracht hatte. Beim Durchblättern entdeckte sie einen Zettel, auf den sie damals die Namen von fünf verschleppten Frauen geschrieben hatte, die im Lager verstorben waren. Sie hatte wohl vorgehabt, die Angehörigen zu benachrichtigen, aber dazu war es nie gekommen. Nun sandte sie diese Namen an ihre alte Kollegin Hildegard Förster in Suthfeld mit der Frage, ob es heute noch möglich sei, die Angehörigen dieser Verstorbenen zu finden. Am Telefon meinte Frau Förster, ob es überhaupt noch Zweck hätte, nach so langer Zeit nach Angehörigen der vor 60 Jahren verstorbenen Frauen zu suchen, aber ich bejahte dies, denn ich bekomme ja sehr oft Suchwünsche nach Verschleppten, deren Schicksal nie geklärt wurde. Ob das auch bei den fünf hier Genannten der Fall ist, bleibt abzuwarten. Vielleicht wissen deren Angehörige längst, wann und wo die Verschleppte verstorben ist - aber es ist auch durchaus möglich, daß dieses oder jenes Schicksal bis heute ungeklärt blieb, zumal der Tod ja schon im Sommer 1945 erfolgte. Leider habe ich bislang keine Angaben, in welchem Lager die Frauen verstarben, Frau Förster wird sich aber bemühen, hierzu Näheres von ihrer ehemaligen Kollegin zu erfahren. Hier zuerst einmal die Namen der Frauen und ihre Heimatorte:

1) Christel Schottka aus Miswalde, Kreis Mohrungen, = August 1945

2) Anna Dobschinski, Hütta über Elbing

3) Ottilie Kowalewski, Bertung, Kreis Allenstein

4) Inge Jek, Mohrungen, Georgenthalerstr. 6b

5) Margarete Haufstein, Frauenburg, Gartenstraße 19

Falls keine Angehörigen bekannt sind, können diese Angaben aber auch für die Heimatortskarteien von Interesse sein. Bei Nachfragen sich bitte an die Übermittlerin wenden: Frau Hildegard Förster, Auf dem Brinkfeld 18 in 31555 Suthfeld / Helsinghs., Telefon (0 57 23) 8 18 62.

Die Ungewißheit, wann, wo und wie ihr Vater gestorben ist, bedrückt Erika Stiller aus Schwanwede noch heute. Alle Nachforschungen blieben ergebnislos, und nun erreicht spät, sehr spät ihre Frage auch unsere Ostpreußische Familie. Albert Wiemer * 5. August 1899 aus Lindenhof (Warupönen), Kreis Schloßberg (Pillkallen) gilt seit Januar 1945 als vermißt. Er war beim Volkssturm in der Nähe von Insterburg eingesetzt. Seine letzte Nachricht stammt vom 4. Januar 1945. Wir wissen alle, was dann geschah. Im großen Sterben ist auch irgendwo das Leben von Albert Wiemer erloschen. Es müßte schon wirklich Zufall sein, wenn sich jemand von den ehemaligen - und dann auch nur von erheblich jüngeren - Kameraden an den damals 45jährigen erinnert, vielleicht auch Nachbarn von einst, die ebenfalls zum Volkssturm eingezogen waren. Auf Zuschriften hofft Erika Stiller, Lindenstraße 3 in 28790 Schwanwede, Telefon (0 42 09) 49 19 .

Es belastet mich schon, wenn unserer Ostpreußischen Familie eine Wunderlösung zugetraut wird, denn viele Fragen finden keine Antwort. Leider liest ja nicht jeder Vertriebene unsere Zeitung - so bleibt mancher Wunsch, der erfüllt werden könnte, ohne Resonanz. Dafür sind unsere treuen Leser um so mehr bemüht, Anhaltspunkte für gezielte Nachforschungen zu suchen und dann auch zu finden. So ergibt sich eine Art Netzwerk, zu dem auch einige Institutionen gehören, die über die nötigen Karteien und Archive verfügen, denen aber die direkte Verbindung von Mensch zu Mensch fehlt, wie sie unsere Ostpreußische Familie auszeichnet. Dann kommt es doch noch zu Erfolgen wie im Fall unseres Lesers Heinz Schlagenhauf, dem wir schon manchmal helfen konnten, dessen letzter Suchwunsch aber nicht in Erfüllung ging, jedenfalls nicht durch unsere Leserschaft. Herr Schlagenhauf teilte mir im Rahmen eines liebevoll gestalteten Glückwunsches zu meinem Geburtstag, der für jedes Lebensjahr ein Psalmwort enthält, folgendes mit: "Ich suchte den Ort des Otto Berg, Kreis Ortelsburg, den wir einen Tag vor Weihnachten 1945 im Erdbunkerlager außerhalb des Lagerzaunes in Lida (Weißrußland) beerdigt haben. Einige Zeit später haben Sie dann die Anschrift des Kirchlichen Suchdienstes in der Ostpreußischen Familie mitgeteilt, und ich habe sofort dort mehrere Suchfragen gestellt. Als erstes die nach dem Heimatort des Otto Berg und die nach seinen Nachkommen sowie Fragen nach dem Verbleib meiner beiden Brüder. Heute erhielt ich nun vom Suchdienst die Heimatanschrift von Otto Berg und die seiner Nachkommen, dazu die Mitteilung, daß Name und Todesdatum eines Bruders bei der Kriegsgräberfürsorge vorliegen. Ich habe sofort an die Nichte von Otto Berg und die Kriegsgräberfürsorge geschrieben. Nun warte ich auf eine Antwort." Soweit die Mitteilung von Heinz Schlagenhauf, dem ich sehr für diese Mitteilung danke, denn sie wird vielleicht auch für andere Leserinnen und Leser von Interesse sein. (Deshalb hier noch einmal die HOK-Anschrift: Kirchlicher Suchdienst HOK-Zentrum Stuttgart, Rosenbergstraße 52 B in 70176 Stuttgart, Telefon 07 11 / 9 93 64 45, Fax 07 11 / 6 36 80 07, E-Mail: georg@kirchlicher-suchdienst.de , www.kirchlicher-suchdienst.de.)

Da gab es in der PAZ Nr. 19 einen Leserbrief, der - ausgelöst durch diesen kalten Frühling - das bekannte Spruchke von dem rechten Ostpreußen zitiert, der seinen Pelz bis Himmelfahrt trägt und ihn zu Johann wieder anzieht. Natürlich ist der Spruch reichlich übertrieben, es gab auch im alten Ostpreußen schon sehr warme Frühsommer, und ich kann mich an einen 1. Juni erinnern, als das Thermometer plötzlich auf 15 Grad fiel - plus natürlich -, und wir empfanden das als sehr kalt und hubberten tüchtig. In dem Leserbrief stand die freundliche Aufforderung, diese nette Weisheit im Wortlaut auf unserer Familienseite zu bringen, und ich bemühte gerade mein Gedächtnis, als ein Brief von unserer alten Freundin Hermine Janz aus Wedel kam. Die hatte den Spruch nun etwas anders in Erinnerung als ich - "Ein echter Mann nach rechter Art trägt seinen Pelz bis Himmelfahrt ..." -, denn sie zitiert ihn so: "Es trägt nach alter Leute Art der Bauer den Pelz bis Himmelfahrt. Fängt er dann zu frieren an, so trägt er ihn bis Sankt Johann. Tut ihm dann der Bauch noch weh, trägt er ihn bis Sankt Bartholomä. Und kommt Sankt Martin erst heran, dann zieht er ihn schon wieder an." Am nächsten Tag kam ein Brief von unserer Leserin Anne-Marie Poplawsky aus Hamburg, die um den vollständigen Text bat, denn sie kann sich nur auf Bruchstücke besinnen - na ja, und so konnte ich ihre Bitte umgehend erfüllen. Ob diese Version die richtige ist? Immerhin trägt danach der rechte Ostpreuße zwischen dem 24. August und dem 10. November keinen Pelz - das ist ihm doch nicht zuzumuten! Sicherlich gibt es jetzt unter den alten Landsleuten heftige Diskussionen über die rechte Art des rechten Mannes - na ja, lassen wir uns überraschen! Jedenfalls hoffe ich, daß unserer heutige Familienbeitrag unsere Leserinnen und Leser ein wenig erheitert hat.

Eure Ruth Geede


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