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01.07.06 / Nach uns die Sintflut / USA wollen Truppen aus dem Irak abziehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 01. Juli 2006

Nach uns die Sintflut
USA wollen Truppen aus dem Irak abziehen
von Dietrich Zeitel

Treffen die Informationen der "New York Times" vom vergangenen Sonntag zu, dann wollen die Vereinigten Staaten ihre Truppen im Irak bereits vor den anstehenden Kongreßwahlen im November dieses Jahres reduzieren. Bis Ende nächsten Jahres soll die Truppenstärke, so der Plan des Kommandeurs der US-Armee im Irak, General George Casey, nur noch die Hälfte des heutigen Umfangs betragen. Die Größenordnung dieses Truppenabzugs geht weit über die bisher diskutierten Szenarien hinaus und dürfte verschiedenen Faktoren geschuldet sein. Einmal den ständig fallenden Popularitätswerten des derzeitigen US-Präsidenten George W. Bush und zum anderen der Kostenexplosion, die die amerikanische Truppenpräsenz Tag für Tag fordert. Seit Beginn des Angriffs der USA auf den Irak vor mehr als drei Jahren haben sich die Kosten mehr als verdoppelt. Pro Monat müssen die USA nach Angaben des "Congressional Research Service" allein für ihr Engagement in Afghanistan und im Irak fast zehn Milliarden Dollar ausgeben, wobei insbesondere die Instandhaltungskosten zu Buche schlagen. Caseys Szenario steht allerdings unter einem Vorbehalt: daß nämlich der Ministerpräsident Nuri al-Maliki die Lage im Irak mehr und mehr unter Kontrolle bekommt. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch sein am Sonntag vorgestellter "nationaler Versöhnungsplan" zu sehen, in dem unter anderem die Freilassung politischer Gefangener in Aussicht gestellt wird. Gemeint sind allerdings nur diejenigen, "die sich nicht an kriminellen und terroristischen Taten, an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt haben", wie al-Maliki unterstrich. Kritiker bemängelten bereits, daß der Plan des Ministerpräsidenten viel zu vage sei, um eine Änderung der Lage im Land bewirken zu können.

Bushs Initiative kommt deshalb für viele Beobachter überraschend, weil er, um nur ein Beispiel zu nennen, noch in seiner programmatischen Rede über die weitere US-Strategie im Irak im City-Club von Cleveland am 20. März dieses Jahres hervorgehoben hatte, daß der Irak die "Hauptfront im Krieg gegen den Terror" sei. "Wir werden den Irak verlassen, aber wenn wir das tun, wird es aus einer Position der Stärke und nicht der Schwäche geschehen", erklärte Bush damals. Amerikaner seien noch nie vor Verbrechern und Mördern zurückgewichen und würden damit auch jetzt nicht anfangen.

Daß sich die USA aktuell in einer "Position der Stärke" befinden, davon dürfte selbst der eingeschworenste Bush-Anhänger nicht überzeugt sein. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Selbst Zbigniew Brzezinski, die graue Eminenz der US-Sicherheitspolitik, erklärte, daß er im Rahmen des derzeitigen militärischen US-Engagements im Irak keine Perspektive sehe, die auf eine siegreiche Beendigung des Konflikts hoffen lassen könne.

Ähnliche Argumente haben vor über 30 Jahren zum Rückzug der Amerikaner aus Indochina geführt, als sie ihren Verbündeten Südvietnam seinem Schicksal überließen. Vietnam bedeutete im Kalten Krieg einen herben geopolitischen Rückschlag. Ähnlich desaströs könnte sich die Situation im Irak entwickeln, sollten sich die US-Truppen wirklich zu großen Teilen zurückziehen. Viele Beobachter gehen davon aus, daß in einem derartigen Fall die Dreiteilung des Landes drohen könnte. Seit Anfang der 1920er Jahre, als der Irak nach britischen Vorstellungen geschaffen wurde, gaben mehr oder weniger autoritäre Regierungen, in denen Sunniten dominierten, den Ton an. Die USA beendeten 2003 nicht nur Saddam Husseins Herrschaft, sondern auch die sunnitische Hegemonie. Hinterließen die USA im Irak ein Machtvakuum, würden die Sunniten, die nie mehr als etwa ein Viertel der Bevölkerung ausmachten, versuchen, ihren einstigen Einfluß zurückzugewinnen. Sie haben seit der Konstituierung der neuen Regierung im Irak nie einen Hehl daraus gemacht, daß sie die schiitisch-kurdische Mehrheitskoalition in keiner Weise akzeptieren. Da Kurden und Schiiten sich aber kaum noch einmal einer sunnitischen Dominanz beugen dürften, droht ein Szenario, das dem des zerfallenden Jugoslawien ähneln könnte. Kristallisationspunkte des dann in Provinzen zerfallenden Iraks könnten die Städte Basra (Schiiten), Baghdad (Sunniten) und im Norden Mossul (Kurden) werden.

Daß die USA in dieser energiepolitischen Schlüsselregion ein derartiges Szenario zulassen könnten, erscheint allerdings mehr als unwahrscheinlich. Schließlich lautet eine zentrale Maxime US-amerikanischer Hegemonialpolitik, daß die amerikanische Vorherrschaft unter anderem auf dem Einfluß auf die Energieproduktion des Nahen Ostens und der angrenzenden Regionen beruht. Diese Maxime dürfte trotz der Ankündigung, US-Truppen abziehen zu wollen, nicht aufgegeben werden. Sie muß vielmehr im Zusammenhang mit einem taktischen Schachzug gesehen werden. Die USA bauen derzeit ihre Militärbasen im Irak aus und versuchen, den gefährlichen Patrouillendienst an irakische Einheiten zu delegieren. Diese Basen sollen auch eine Gewähr dafür sein, daß die Anzahl der getöteten (derzeit über 2500 Gefallene) oder verwundeten GI deutlich gesenkt werden kann.

Eher Getriebene als Treiber: US-Soldaten sichern Terrain nach einem Selbstmordanschlag in Bagdad ab. Foto: pa


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