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01.07.06 / Begegnung mit einer giftigen Schönheit / Die Clematis wächst gern an Hauswänden, aber auch an heimischen Waldrändern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 01. Juli 2006

Begegnung mit einer giftigen Schönheit
Die Clematis wächst gern an Hauswänden, aber auch an heimischen Waldrändern
von Anne Bahrs

Viel häufiger als in der freien Natur sehen Städter wahrscheinlich die kletternde Clematis an Hauswänden, Pergola oder Zäunen, von stolzen Gartenbesitzern liebevoll gepflanzt und gepflegt, die zur Blütezeit - einige Sorten schon im Mai, andere zwischen Juni und September - farbenfroh und reichlich ihre schmucken kleinen oder auch handtellergroßen Blüten zeigt. Dekorativ sind zur Fruchtreife auch die häufig metallisch glänzenden Fadenknäuel mit den eingesponnenen Nüßchen. Sie haben sich bestens auf die Verbreitung durch den Wind eingestellt. Er soll diese leichten Bällchen abreißen und zu neuen Standorten trudeln, wie es ihm auch bei ihren Vorfahren und Verwandten, den Waldreben, in der freien Natur obliegt.

Nicht nur wunderschöne Clematisarten aus Südeuropa oder China dürfen wir auf Balkonen, Terrassen, Gärten und Parks bewundern, sondern auch vielfältige Hybriden als Züchtungserfolge der Gärtner. Zumeist werden Clematis als Staudenpflanzen verkauft, die in humusig-lockerem Boden mit einem Lehm-Sand-Gemisch am besten an einer Ost- oder Westseite gedeihen, wenn auch ihr Wurzelstock nicht der Mittagssonne ausgesetzt ist. Alle Clematis-Sorten vertragen keine Staunässe. Da sie mit ihren langen Ranken hoch hinaus wollen (drei bis zehn Meter), benötigen sie eine Kletterhilfe. Nach der Blüte können sie unbedenklich beschnitten werden.

Schön und interessant sind auch Waldreben in der freien Natur. Clematis vitálba (die wissenschaftliche Bezeichnung kommt von klema = Ranke und vitis alba = weiße Rebe) ist in Norddeutschland seltener anzutreffen, in Mittel- und Süddeutschland findet man sie an Waldrändern und nach Kahlschlägen häufig. Sie rankt sich an Sträuchern und Baumstämmen bis sieben Meter hoch, hat fünfzählig gefiederte, gegenständige Blätter mit länglichen, zugespitzten Teilblättchen. Im Juni blüht sie in Trugdolden. Ihre wohlriechenden Blüten haben keine auffallenden Kronblätter. Die vier- bis fünffilzigen Kelchblätter sind außen grünlich-gelb, innen und am Rand weiß. Ihre beschwänzelten Früchte tragen alle zu dem sprichwörtlichen "Petersbart" oder "Alter-Mann-Bart" bei, der als bärtig-flaumiges Gebilde des federhaarigen Flugapparates der vielen Samen im Herbst die ganze Pflanze überzieht.

Die gewöhnliche Waldrebe mit verholzten Stengeln und rankenden Blattstielen unterscheidet sich nur im Wuchs von Clematis recta, der aufrechten Waldrebe, die in ganz Europa verbreitet ist, aber nur etwa 150 Zentimeter hoch wird.

Auch sie trägt gipfelständig reichblütig ihre Trugdolden. Die Blütenhüllblätter sind nur am Rand flaumhaarig. Clematis alpina, die Alpen-Waldrebe, siedelt nicht nur im Gebirge. Sie gedeiht als zwei bis drei Meter langer Kletterstrauch in Nadelwäldern und zwischen Zwergstrauchheiden auch in Sibirien und in der Mandschurei. Ihre blauvioletten, glockigen Blüten sind gestielt.

Die Waldreben gehören zur Familie der Ranunculaceaen, der Hahnenfußgewächse, und sind giftig. Ihre Droge ist das frische blühende Kraut. Die Blätter enthalten einen Reizstoff, vermutlich das Glykosid Ranunculin, das bei Berührung Entzündungen der Haut und Blasenbildung verursacht. Mitleidheischende Bettler sollen - so wird berichtet - den Haut- und Augenkontakt mit diesen Waldreben absichtlich herbeigeführt haben. Sie litten dann unter starkem Tränen und wiesen auf ihre gepeinigte Haut. "Bettlerkraut" hießen darum die Weinreben im Volksmund.

Vergiftungen durch Waldrebenkontakt sollten ärztlich behandelt werden! Vor allem aber Clematis recta war schon im Altertum als Heilpflanze bekannt und begehrt zur Heilung von Geschlechtskrankheiten, chronischen Hautleiden und Gicht. Die Droge wurde eingesetzt auch gegen rheumatische Schmerzen, Migräne und zur Heilung von Krampfadern. In der Volksheilkunde verwendete man sie als blasenziehendes Mittel für Umschläge auf eiternde Wunden und Geschwüre.

Heute werden nur Extrakte der Droge als Tropfen und Absud weiterhin in homöopathischen Dilutionen D3 und D4 verordnet. Beachtlich bessernd wirkt die Anwendung offensichtlich bei Erkrankungen der Lymphdrüsen des männlichen Genitalsystems. Auch die Heilwirkung von Clematis vitalba wird weiterhin erforscht.

Clematis: Die Pflanze will meist hoch hinaus. Foto: Archiv


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