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08.07.06 / Sabine Christiansen oder das Ende der Berliner Republik

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. Juli 2006

"Moment mal!"
Sabine Christiansen oder das Ende der Berliner Republik
von Klaus Rainer Röhl

Ist das Ende der von immer weniger Leuten geliebten Talkshow "Sabine Christiansen" tatsächlich ein gutes Vorzeichen für das Ende der ebenfalls von immer weniger Leuten geliebten sogenannten "Berliner Republik"? Hoffentlich. Ist das so schlimm, daß wir diese so wahnsinnig originell getönten Fransenfrisuren und die lachs- und orangefarbenen Kostümjäckchen von Escada und auch das vom Modechirurgen mit sogenannten sinnlichen Lippen versehene schmale Gesicht der ehemaligen Stewardeß und Fernseh-Ansagerin beim nervösen Dazwischen-Reden nicht mehr sehen müssen? War Sabine Christiansen nicht auch noch in dieser Schlüsselstellung eine Ansagerin geblieben, die verkündete, was in dieser Berliner Republik angesagt sein sollte: Politische Korrektheit, 68er rot-grünes Blabla mit einem kleinen Schuß CDU á la Angela Merkel, so viel wie möglich natürlich, aber mehr war eben nicht drin. Richtig loslegen konnte auch die Kanzlerin erst, als auch sie anfing, diese lachsrosa und orangen Kostüme zu tragen, und Udo Waltz, der immer mit der Zeit gegangen war und schon Ulrike Meinhof in der Illegalität eine neue Kurzhaarfrisur verpaßt hatte, sich ihrer angenommen hatte. Das war eben der Stil der Berliner Republik. Was war das eigentlich, die Berliner Republik? Zuerst, 1989, hatten die Deutschen skandiert "Wir sind das Volk!" und schließlich "Wir sind ein Volk!"

Das Entsetzen bei der für alle Ewigkeit in den Medien etablierten Linken war groß. Wiedervereinigung. Zusammengehörigkeitsgefühl. Nation. Hatte man dafür 50 Jahre in Wort und Schrift Volkserziehung gemacht? Man wich ein paar Schritte zurück, war befangen. Eine ganze Welt von Illusionen brach zusammen. Doch bald hatte man alles wieder im Griff. Man hatte gegen die Deutschen eine Niederlage erlitten, es war für viele Jahre die Stunde Helmut Kohls, aber man behielt ja die Medien fest im Griff, hatte inzwischen sogar den Fuß bei den konservativen Medien wie "Welt" und "FAZ" in der Tür, die früher konservativen Funkhäuser wie der WDR und der "Bayerische Rundfunk" waren längst von 68ern besetzt. Im Bundestag wurde nicht länger das Deutschlandlied gesungen. Wenn es irgendwo gesungen wurde, so wurde es nicht übertragen. Dann kam die Rückverlegung der Hauptstadt nach Berlin.

Nach anfänglichem, sogar parteiübergreifendem Kampf gegen Berlin als Hauptstadt, geführt von den Ehefrauen und schulpflichtigen Kindern der Abgeordneten, die lieber in Bonn bei ihren Damenkränzchen und Klassenkameraden bleiben wollten. Doch am Ende wurden alle Berlin-Gegner mit viel Geld, Ortszuschlägen und Reisekosten und guten Grundstücken und Wohnungen doch noch Berlin-überzeugt, und nachdem man den Reichstag in einen überdimensionalen Müllbeutel verpackt hatte und die Berliner das für einen großartigen Spaß genommen hatten, kam Stimmung auf, immer mehr Nicht-Berliner strömten in die Stadt. Da wurde mit Milliarden-Zuschüssen und -Krediten für Kanzleramt und Holocaustdenkmal, Friedrichstraße und Kudamm, Prenzlauer Berg und Stalinallee und Kreuzberg und Türkisch-Neukölln noch so ein richtiges großstädtisches Kuddelmuddel mit Flaniermeile, und da fanden sich auch aus der ganzen Republik verrückte Leute zusammen, die es für schick hielten, auf der Berliner Flaniermeile herumzuspazieren, und als der neue Bürgermeister Wowereit seine sexuelle Ausrichtung outete und die Tunten- und Tuckenschau und noch jeden exhibitionistischen Nackt-Umzug, genannt "Love Parade", mit freundlichen Empfehlungen begleitete, jubelten die jugendlichen Massen ihm zu. Die übrigen Deutschen wurden gar nicht erst gefragt, ob sie das auch gut fänden.

Die Deutschen wurden weiter nicht gefragt und muckten nicht mal auf. Auch nicht, als am Nationalfeiertag am Brandenburger Tor alles Mögliche um das für Millionen restaurierte Denkmal herum drapiert war und hochbezahlte große Künstler alles Mögliche heraushängen ließen, bloß nicht die deutsche Fahne. Vielleicht wunderten sich die meisten Zuschauer doch etwas, daß keine Nationalfahne am Nationalfeiertag da hing und nicht einmal die kastrierte Nationalhymne gesungen wurde, sondern statt dessen eine amerikanische Sängerin auf englisch einen Blues sang und die deutsche Sängerin Joy Flemming irgendeinen Jazz röhrte, als wäre man beim Schlagerfestival in Athen, wo sie später diese unnachahmlichen Kehltöne noch einmal zum Besten gab.

Man kaufte im großen ein. Geld spielte keine Rolle. Intendanten, Museumsdirektoren, Architekten, Dirigenten. Hauptsache teuer. Es war die rot-rote Machtelite, die sich nun bediente. Alles auf Pump, versteht sich. Inzwischen ist Berlin pleite. Eine nicht angemeldete Pleite. Konkursverschleppung nennt man das im bürgerlichen Recht. Jetzt hält man die Hand auf, und die als spießig verspotteten Häuslebauer und Steuerzahler in Bayern und Baden-Württemberg sollen wieder einmal die Schulden bezahlen.

Nicht nur die Stadt Berlin, die ganze "Berliner Republik" war eigentlich ein ziemlich linker Laden. Ein Selbstbedienungsladen, der sich selber gut versorgte, aber den Reichen dafür etwas abknapsen wollte. Das Übel an der Wurzel packen, alle Großkonzerne knacken! So hatten sie 1968 gereimt. Nun hatten sie die Macht, aber sie mochten niemand mehr enteignen. Möchten täten sie schon, sagten sie in der Talkshow, aber das ginge nicht so schnell. Wenigstens ordentlich das Leben schwermachen müsse man den Arbeitgebern, durch höhere Steuern, Reichensteuern, wie sie schon die Jakobiner in der Französischen Revolution forderten. Solche Steuern machen volkswirtschaftlich wenig Sinn, sollen aber als Neidsteuern Dampf ablassen. Ebenso wie Erbschaftssteuern, Umweltsteuern, Ausbildungsplatz-Abgaben. Insgesamt also umsteuern. Was ist das? Fragen Sie nicht Frau Christiansen, die weiß es auch nicht so genau. Auf jeden Fall Steuern, Steuern, Steuern. Was ist das: Verantwortung des Kapitals, Standort Deutschland sichern, Zukunft sichern, Willkür beschneiden? Das alles hört sich mächtig differenziert an und verantwortungsvoll.

Wenn da mal einer auftritt wie Arnulf Baring, wirkt er wie ein Besucher vom anderen Stern, wie das Kind in dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Man läßt ihn gern in der Talkshow reden, wenn auch meistens nicht ausreden. "Ja, gut, das haben Sie nun lange genug ausgeführt, Herr Professor Baring. Nun wollen wir mal die Meinung von Herrn Westerwelle dazu hören." Oder eben den schlitzohrigen Gewerkschaftsführer Sommer, der so aussieht wie in einem alten amerikanischen Film der radikale unnachgiebige Gewerkschaftsboß, der in Wirklichkeit mit der Mafia kungelt.

Sie kämpfen nicht mehr, wie 1998 Rot-Grün, um die Durchsetzung der politischen Korrektheit. Sie strahlen den Unfug bereits als Kantsche Maxime aus: Wer nicht für sie ist, ist gegen sie. Darüber besteht jedenfalls Konsens. Konsensdemokratie á la Christiansen. Nur, daß man in der Wirklichkeit nicht, wie in der Talkshow, am Ende sagen kann: "Leider ist unsere Zeit um, wir danken Ihnen allen. Auf Wiedersehen beim nächsten Mal."

Ja, Frau Christiansen, die Zeit ist nun wirklich um. Auch die der alten Berliner Republik. Möglicherweise auch die der Großen Koalition. Das nächste Mal ist bei der nächsten Wahl. Sie kann Überraschungen bringen.

Bühne für Politiker: Bei "Sabine Christiansen" wurde viel geredet aber nichts bewegt. Foto: NDR / TV21 / Marcel Mettelsiefen


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