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15.07.06 / Wohlwollend / Grieche analysiert Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. Juli 2006

Wohlwollend
Grieche analysiert Deutschland

Wir alle leben in einer seltsamen Zeit: Alles wandelt sich - gesellschaftliche und politische Strukturen und die dazugehörigen Werte verändern sich schneller, als die Zeitgenossen ertragen können. Deshalb klammern sie sich an vertraute Dinge der Vergangenheit. Möglichst soll sich nichts ändern, weil von jeder Neuerung eine Verschlechterung befürchtet wird. Das ist die Widersprüchlichkeit: Zwang zum Neuen und Klammern ans Gestern - unvereinbar und doch gleichzeitig. Diese Gegensätzlichkeit äußert sich auch in der Buchproduktion. Eine Fülle aktueller, aber bald vergänglicher Gegenwartsanalysen bricht über uns herein. Autoren wie Birg, Henkel, Miegel, Schirrmacher, Sinn und andere schreiben schneller, als der verwirrte Bürger lesen kann. Da mag es erfrischend sein, wenn ein Deutschland verbundener Ausländer aus räumlicher Distanz den Deutschen den Spiegel vorhält.

Es geht hier um das Buch von Gregor Manousakis. Heute in Athen lebend, hat er viele Jahre als Wissenschaftler und im diplomatischen Dienst seines Landes in Deutschland zugebracht. Der Autor steht Deutschland und den Deutschen sehr positiv gegenüber. Gerade deshalb stellt er die Frage, was in der Vergangenheit für Deutschland falsch lief, warum das geschah und welcher Rat der heutigen deutschen Politik gegeben werden sollte. Deutschland, in der Mitte Europas, war seit seiner Einigung zur Zeit Bismarcks, stärker als jeder seiner Nachbarn, aber schwächer als alle zusammen. Die Mittellage führte zu Konflikten mit den Nachbarn, die Deutschland 1914-18 als auch 1933/39-45 nicht bestehen konnte. Daraus folgert der Autor, Deutschland solle heute eine pro-europäische Politik betreiben, weil es nur innerhalb Europas, aber nicht dagegen, eine bestimmende Rolle spielen könne.

Scharf kritisiert Manousakis die "Bewältigung der Vergangenheit" und die nach 1990 betriebene Geschichtspolitik. Die Bindung Deutschlands an die USA ist mehr als ein Bündnis, es handelt sich um ein vormundschaftliches Verhältnis, das auf der Schwächung deutschen Selbstbewußtseins beruht. Der Generationenkonflikt (Distanz zu den "Nazi-Eltern"), die Umerziehung, der Kampf gegen Rechts sind Methoden, die Deutschen in die Gemeinschaft mit ihren "Freunden und Verbündeten" einzupassen. Die Schwächung des Selbstbewußtseins, notwendig, um die Deutschen gefügig zu halten, mindert aber auch die Bereitschaft zur Tat. Dieses Dilemma kann, so sagt Manousakis, nur aufgehoben werden, wenn Deutschland sich aus Überzeugung in Europa der Rolle annimmt, die ihm aufgrund seiner Stärke zuwächst.

Soweit diese Deutung der Situation Deutschlands in Europa. Sie steht, wie eingangs bemerkt, neben vielen anderen, von denen sie sich durch die Persönlichkeit und die Herkunft des Verfassers unterscheidet: Ein wohlwollender Ausländer, der die Ereignisse in Deutschland von ferne betrachtet. Deshalb ist das Buch dringend zu empfehlen. H.-H. Knütter

Gregor M. Manousakis: "Irrationale Elemente deutscher Politik - Von Bismarck bis Schröder", Verlag Tsoukatou, Athen 2005, 270 Seiten, 24.90 Euro, Best.-Nr. 5619


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