16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.07.06 / Für Selbstbestimmung und Wahlrecht / Die wechselvolle Geschichte der Frauenbewegung ist voller Rückschläge und Extreme

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. Juli 2006

Für Selbstbestimmung und Wahlrecht
Die wechselvolle Geschichte der Frauenbewegung ist voller Rückschläge und Extreme

Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen. Sie muß gleichermaßen das Recht besitzen, die Rednertribüne zu besteigen." Diese Einstellung kostete die französische Schriftstellerin Olympe de Gouges den Kopf. 1793 wurde sie hingerichtet, da die Verfechter der Französischen Revolution zwar die allgemeinen Menschenrechte deklarierten, die Frauen aber ausschlossen, obwohl diese intensiv für "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" gekämpft hatten. Doch auch wenn ein Versammlungsverbot für Frauen erlassen wurde, so geriet die von Olympe de Gouges verfaßte "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" nur für einige Jahrzehnte in Vergessenheit. Mit der Industrialisierung änderte sich auch die Gesellschaft. Immer mehr Frauen der Unterschicht mußten außer Haus arbeiten, gleichzeitig waren sie aber weiterhin von allen ökonomischen, politischen und privaten Entscheidungen ausgeschlossen. Sie hatten nur eingeschränkte Bildungsmöglichkeiten, keine Verfügung über ihr Eigentum, konnten keine Verträge unterschreiben und nur mit dem Einverständnis ihres häufig von ihrem Vater ausgewählten Mannes Arbeit annehmen. Im Scheidungs- und Sorgerecht um die Kinder wurden sie benachteiligt.

Doch die deutsche Frauenbewegung ging nicht von den unter neuen Bedingungen lebenden Arbeiterfrauen aus, sondern begann in den gutbürgerlichen Wohnstuben. 1848 erreichte der von der Französischen Revolution inspirierte Ruf nach Demokratie und Menschenrechten auch das Bürgertum in den deutschen Landen. Das brachte auch die bürgerlichen Frauen dazu, Forderungen nach Selbstbestimmung sowie das Recht auf Bildung und Erwerbsarbeit zu stellen. Das Frauenwahlrecht gehörte zu den Hauptzielen vor allem der radikaleren englischen Suffrageten (suffrage - engl. Wahlrecht), wurde aber auch von dem 1865 gegründeten "Allgemeinen Deutschen Frauenverein" angestrebt. 1918, nach Jahren der Diffamierung erlangten die deutschen Vorkämpferinnen nicht nur das passive, sondern auch das aktive Wahlrecht, so daß 1919 41 Frauen ins Weimarer Parlament einzogen. Nachdem die Frauen ab Beginn des 20. Jahrhunderts studieren durften, wurde in der Weimar Republik die Zulassung der Frau als Richterin und Geschworene durchgesetzt. Auch der zur Bismarckzeit 1878 eingeführte Mutterschutz wurde zusammen mit dem Arbeitsrecht ausgebaut.

Mit dem Nationalsozialismus wurde das Rad der Zeit jedoch wieder zurückgedreht. Die Frau wurde wieder auf die Rolle der Mutter reduziert, radikalere Frauenvereine verboten. Nur die zur Jahrhundertwende erlangte freie Partnerwahl blieb.

Im Grundgesetz der neuen Bundesrepublik Deutschland wurden 1949 die Frauen mit dem Mann als gleichberechtigt bezeichnet. Traditionelle Frauenorganisationen wurden neu gegründet.

1968, im Rahmen der Studentenbewegung, entstand jedoch eine neue radikale Frauenbewegung, die teilweise eine feministische Gegenkultur forderte. Frauenverlage, Frauenzeitschriften, Frauenbuchläden, Frauenkulturhäuser wuchsen wie Pilze aus dem Boden. Die "Emanzen" wollten die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau beendet sehen und kämpften gegen die klassische Mutterrolle. Auch das Recht auf Abtreibung (Paragraph 218) sowie der Kampf gegen Pornographie standen auf ihrer Agenda.

Heute bewegt noch die Debatte um Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Allgemeinheit. Bel

 

Zeitzeugen

Alice Schwarzer - Die Gründerin und Herausgeberin der 1977 ins Leben gerufenen Frauenzeitschrift "Emma" gilt in Deutschland als "die" Expertin in Sachen Emanzipation. Ihr erstes Buch 1971 war eine Anklage gegen das Abtreibungsverbot. Es folgte der Kampf gegen Frauenpornographie und ein Plädoyer für Homosexuelle. Die 1942 geborene Soziologin gilt als Verfechterin des sogenannten Radikalfeminismus. Hiernach sind Männer und Frauen grundsätzlich gleich und werden erst durch Einflüsse der Gesellschaft, in die Rollenklischees gedrängt.

 

Gertrud Bäumer - Die 1873 geborene († 1954) Pfarrerstochter entschied sich früh für den Beruf der Lehrerin. 1910 wurde die Frauenrechtlerin Vorsitzende des "Bundes deutscher Frauenvereine". Die "Humanisierung des Lebens" war für sie Frauenpflicht. 1919 gründete die engagierte Politikerin mit Friedrich Naumann die Deutsche Demokratische Partei (DDP).

 

Bertha von Suttner - Die 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Österreicherin ist zwar nicht auf den ersten Blick als Verfechterin der Frauenbewegung auszumachen, doch die Schriftstellerin hat mit ihrem Engagement für Frieden und Menschenrechte auch die Stellung der Frau gehoben. Die 1843 in Prag († 1914) als Gräfin Kinsky von Chinic und Tettau Geborene war wohl die berühmteste Frau ihrer Zeit.

 

Betty Friedan - "Nieder mit dem Weiblichkeitswahn!" Mit diesen Worten der 1921 geborenen († 2006) Amerikanerin auf den Lippen verbrannten zahlreiche Feministinnen in den 60er Jahren ihre Büstenhalter. Sie kämpften gegen die Reduzierung der Frau auf die Rolle Hausfrau und Mutter.

 

Maria Mies - Die Kölnerin ist eine von drei Wissenschaftlerinnen, die als Begründerinnen der Frauenforschung in der Bundesrepublik Deutschland gelten. Zusammen mit Claudia von Werlhof und Veronika Bennholdt-Thomsen entwickelte sie die Theorie des Ökofeminismus, nach der zwischen der patriarchalen Gewalt gegen Frauen, gegen fremde Kulturen und gegen die Natur kein Unterschied bestehe. Die streitbare Soziologin und Globalisierungsgegnerin engagiert sich bei attac.

 

Der Staat und die Gleichstellung der Frauen

Im Laufe der Jahrhunderte verhalf die Politik der Frau zu mehr Rechten. Von der Hausfrau, der Mutter und dem braven Frauchen wurde sie zur mündigen Staatsbürgerin, die theoretisch alles erreichen kann - und auch irgendwie muß, denn mit der Gleichstellung der Frau stiegen auch die Erwartungen. Da Wunsch und Wirklichkeit aber nicht immer miteinander auf einer Höhe gehen, half und hilft die Politik nach.

Erst waren es nur einzelne gesetzlich verankerte Vorgaben und Leitbilder, später folgten Quoten. Die "Frauenquote", vor allem in den 80er Jahren als wesentliches Instrument der Frauenförderung verstanden, sollte und soll den Frauenanteil bei der Besetzung von Gremien oder Stellen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft erhöhen.

Mitte der 90er Jahre kam das sogenannte "Gender mainstreaming" hinzu, wonach die Politik alle gesellschaftlichen Vorhaben unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen und Männern betrachtet. Das hat vor allem zu vielen vom Staat bezahlten "gender"-Beauftragen in öffentlichen Bereichen geführt, inwieweit sie aber jedoch etwas bewirken konnten, ist kaum meßbar.

"Noch immer verdienen Frauen weniger, sind häufiger arbeitslos und seltener Manager. Und immer noch erfahren Frauen, daß weniger ihr Output als ihr Outfit über die Vergabe von Jobs entscheidet", heißt es auf der von der Bundesregierung ins Netz gestellten Internetseite www.frauenmachenkarriere.de . Damit sich dies ändert, erhalten Frauen hier berufliche Karrieretips, ein Frauennetzwerk wird vorgestellt, in dem Frauen sich gegenseitig fördern können, und Seminare zu dem Thema werden angekündigt.

In letzter Konsequenz ist Frauenpolitik aber auch Familienpolitik. Ob Elterngeld, Kindergeld, Kinderbetreuung oder "Lokale Bündnisse für Familie" - derartige Entscheidungen betreffen in erster Linie die Frauen. Ihnen will der Staat die Möglichkeit geben, Kind und Karriere miteinander zu vereinen. Die Frau soll sich nicht entscheiden müssen, denn "Familien mit Kindern bilden die Grundlage für eine langfristig stabile Entwicklung unserer Gesellschaft", so die Bundesregierung.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren