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22.07.06 / Annan: "Ihr müßt im Kongo bleiben" / Der Uno-Generalsekretär fordert Deutschland heraus und stellt Gegenleistung in Aussicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Juli 2006

Annan: "Ihr müßt im Kongo bleiben"
Der Uno-Generalsekretär fordert Deutschland heraus und stellt Gegenleistung in Aussicht
von Markus Schleusener

Für George Bushs Sicherheit während seines Kurztrips nach Mecklenburg-Vorpommern sorgten sage und schreibe 12000 Polizisten.

Für Kofi Annan reicht hingegen eine Handvoll aus. Gäste der Bertelsmann-Stiftung wurden in der vergangenen Woche weniger genau untersucht als Besucher der WM-Fanmeile am Brandenburger Tor.

Die Hausherrin Liz Mohn begrüßte den Gast. Annan war nach Deutschland gekommen, um am darauffolgenden Tag mit Angela Merkel den Uno-Campus in Bonn einzuweihen.

Mohn und Annan kennen sich seit zwei Jahren. Jetzt dankte ihm die mächtige Dame des Bertelsmann-Konzerns für seinen Mut und seine Tatkraft. Annan sei ein „Weltpolitiker und Weltbürger“, strahlte Mohn.

Der Uno-Generalsekretär antwortet seinen deutschen Gastgebern nicht mit solchen kosmopolitischen Floskeln. Er dankte ihnen für die „beste Fußballweltmeisterschaft aller Zeiten“.

Vorher hatte er schon in einem Exklusivinterview in der ARD die Deutschen gelobt: „Es war wundervoll, wie sich diese Nation hinter der gemeinsamen Aufgabe vereint hat – und nicht nur bei der Organisation der Fußballweltmeisterschaft, sondern auch bei der Unterstützung des Friedens. Hier sieht man ein vereinigtes und glückliches deutsches Volk, das sein Team und den Fußball unterstützt.“

Doch dann kam er zur Sache. Vor drei Wochen seien die ersten Uno-Soldaten in Kinshasa gelandet. „Ihre Aufgabe ist die Unterstützung der Wahlen im Kongo.“ Zum ersten Mal seien auch deutsche Friedenstruppen dabei. Und wieder gab sich der oberste Uno-Vertreter freigiebig mit Komplimenten. Er hatte nämlich das Hauptquartier für den Afrikaeinsatz gesehen. „Ich war sehr beeindruckt davon.“

Dann kam er zum Kern: „Ihr dürft nicht so schnell wieder rausgehen. Das ist viel zu oft passiert“, warnt er.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte die Rückkehr der Bundeswehrsoldaten „bis Weihnachten“ in Aussicht gestellt. So viel steht nach Annans Deutschland-Besuch fest: Die Debatte über die Verlängerung auch dieses Auslandseinsatzes wird kommen.

Annans Vortrag widmete sich aber schwerpunktmäßig den Erwartungen, die er an den G8-Gipfel hatte. Er fragte, wann die Industrienationen endlich ihr selbstgesetztes Ziel von mehr Entwicklungshilfe erreichen würden: 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lautet die Zielmarke. Schließlich habe Angela Merkel angekündigt, 2006 werde ein „entscheidendes Jahr“.

Der Uno-Chef verbreitete ein Sammelsurium alter Forderungen nach mehr Chancengleichheit für die Dritte Welt. Die schwächeren Nationen sollten eine Chance auf dem Weltmarkt bekommen. Sonst scheiterten sie. „Das darf nicht passieren“, warnte er. Die Industrienationen hätte alle Subventionen abzuschaffen, die den globalen Wettbewerb behinderten. „Dazu bedarf es deutscher Führung“, forderte Annan. Die Chance sei 2008 da, wenn Deutschland die „Doppelpräsidentschaft“ innehabe (G8 und EU).

Anderthalb Milliarden Menschen lebten ohne Elektrizität. Die anderen Menschen, die mit Strom und all den Vorzügen des modernen Lebens, seien schuld am Treibhauseffekt. Deswegen verlangte er mehr erneuerbare Energien. Annan: „Die Menschen in der Dritten Welt hoffen auf Sie, auf das deutsche Volk, auf Partnerschaft.“

Als Gegenleistung stellte der Generalsekretär dem drittgrößten Uno-Financier eine Reform des Sicherheitsrats in Aussicht. Der Sicherheitsrat, räumte Annan ein, reflektiere die Machtverhältnisse von 1945. Das müsse an die Gegenwart angepaßt werden. „Es ist inakzeptabel, daß einige große Länder nicht mit am Tisch saßen, als es um wichtige Dinge wie den Irak ging.“

Der Sicherheitsrat sollte die Realität widerspiegeln, wiederholte er. Das hörte sein deutsches Auditorium gerne.

Ausgerechnet Rita Süßmuth, die einer Kommission namens „Globale Kommission über Wanderungsbewegungen“ angehört, stellte dann eine kritische Frage zur Höhe der Entwicklungshilfe. Gerade auch sein Land, Ghana, erhalte immer größere Summen von Migranten, die Geld aus Europa nach Hause überweisen. Welche Rolle spielen diese privaten Finanztransfers, fragt die Ex-Parlamentspräsidentin. Darin schwingt die These mit, daß die Transfers von Nord nach Süd viel größer sind, wenn die privaten Zahlungen berücksichtigt werden.

Annan antwortete diplomatisch: „Migration kann nicht aufgehalten werden. Es gibt sie seit Jahrhunderten. Diese Gelder, die zurückfließen, sind ein entscheidender Teil der Budgets in der Dritten Welt. Das ist wirklich hart verdientes Geld, damit müssen wir vorsichtig umgehen.“

Rita Süßmuth verzichtete auf Nachfragen. Und Annan bewies doch noch, daß er auch Floskeln beherrscht.

Zu Gast bei Liz Mohn: Annan lobte das neue Deutschland. Foto: Schleusener


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