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22.07.06 / Eine Kanzlerin küßt sich durch

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Juli 2006

"Moment mal!"
Eine Kanzlerin küßt sich durch
von Klaus Rainer Röhl

Immerfort muß ich nachdenken über unsere Kanzlerin Frau Angela Merkel. Sie ist doch unsere Kanzlerin, wir alle haben sie gewählt und unterstützt, und sie hat Frau Steinbach und den Vertriebenen ganz öffentlich versprochen, daß das „Zentrum gegen Vertreibungen“ gebaut werden soll, ich war dabei, als sie das in Berlin gesagt hat. Aber sie macht es uns auch schwer, sie immer noch „unsere Angie“ zu nennen. Sie macht es allen schwer. Äußerlich ist sie immer kesser und sicherer geworden, wenn sie beim Weltmeisterschaftsspiel glaubwürdig laut das Deutschlandlied mitsingt, wenn sie vor Begeisterung über das entscheidende Tor laut schreit und aufspringt und die Arme hebt wie alle anderen Fans und dem Bundespräsidenten in die Arme fällt und Klinsmann und abbusselt, das hat schon was Verwurzeltes. Wenn sie mit Bush das nicht genug abgehangene Wildschwein, das zähe Luder, so zierlich anschneidet als sei es eine krosse Ente, wenn sie mit Putin liebäugelt wie eine kokette Hausfrau vom Lande, die zum ersten Mal beim Zaren eingeladen ist, aber das Herz auf dem rechten Fleck hat – wie Magda Schneider in einem deutschen Spielfilm von 1960 – und wie sie mit dem selben Hausfrauencharme die 300 Wissenschaftler auf dem „Integrationsgipfel“ so bezauberte, daß keiner mehr erwartete, daß etwas bei dem Gipfel herauskommen könnte als eben eine Resolution. Alles andere kommt später. Da war sie wahrhaftig eine von uns. Aber niemand, wirklich niemand ist so richtig dankbar. Nur eben wir Vertriebenen, weil wir fest an das Versprechen glauben, daß das „Zentrum gegen Vertreibungen“ mit Frau Merkels Unterstützung kommt. Versprochen ist versprochen.

Aber sonst? Wo ich die Zeitung aufschlage oder den Fernseher anschalte, wird sie angegriffen, weil die Große Koalition nun aber auch gar nichts zu Wege gebracht habe und sie als Führungskraft sensationell versagt habe.

Merkel = Murks erklärt die grüne Amazonin Künast bei Sabine Christiansen noch letzten Sonntag und Struck rühmte öffentlich die Führungskraft von Gerd Schröder, das war noch was. „Angela mutlos“ titelt der „Spiegel“, und alle sind sich einig, daß unsere Angela in den letzten Wochen und Monaten durch ihre ständigen Auslandsreisen, auf denen alle sie sympathisch fanden, vom chinesischen Parteichef bis französischen Präsidenten, „Küß die Hand“ von Abknutschen von Klinsmann und Wildschweingrillen mit Bush in der mecklenburgischen Dorfküche und den Streicheleinheiten für Putin, nur einfach abgelenkt hat vom Thema, von unseren ungelösten Problemen. Während die SPD real und praktisch die gesamte Sozialpolitik und Steuerpolitik sozialistisch und sozialdemokratisch umgestaltet, so, als wären Lafontaine und Gysi schon dabei. Denn es ist ja nicht wahr, daß die Große Koalition sich gegenseitig blockiert und nichts zustande bringt – sie bringt durchaus etwas zustande, nämlich SPD-Politik. In der Ausländer-Frage sind alle Positionen der Union aufgegeben außer der, die der Saarländer Peter Müller schon immer hatte: Deutschland zum Einwanderungsland zu machen. Eine Politik, die die meisten Mitglieder der Union angesichts der schon zwölf Millionen im Land lebenden Ausländer – mit dem höchsten Anteil an Sozialhilfeempfängern und einer überdurchschnittlichen Quote jugendlicher Krimineller (80 Prozent) – nicht billigen. In der Realität der Großen Koalition kommen unsere Bedenken und Wünsche aber gar nicht mehr vor. Da wird SPD-Politik gemacht. Auf einigen anderen Gebieten wird sogar die gift-grüne Umweltpolitik von Trittin von der Großen Koalition weitergeführt. In der Energieversorgung bleibt Deutschland die einzige Großmacht der Welt, die bei ihrem Ausstieg aus der modernen und sicheren Atomenergie bleibt. Die Gesundheitsreform, die Merkels Meisterstück werden sollte, kann getrost als gescheitert angesehen werden. Es kommen mehr Kosten auf die Bundesbürger zu. Die Mehrwertsteuererhöhung, deren Einnahmen schon fest in den Schulden-Haushalt eingeplant sind, belastet die Konjunktur, der Haushalt bleibt hoch verschuldet, ohne Aussichten auf Änderung. Die Bundesbürger wissen das auch. 74 Prozent sind unzufrieden mit der Arbeit der Großen Koalition.

Angela Merkel versuche, sagt sie, die Politik der CDU/CSU durchzusetzen so gut es gehe. Aber es geht eben nicht, wegen der Rücksicht auf den Koalitionspartner. Bei den Sozis geht es. Selbst die kritischen Jusos und Parteilinken sind sehr zufrieden mit dem, was sie in der Großen Koalition erreicht beziehungsweise verhindert haben. Angela Merkel hat die Richtlinienkompetenz, aber wenn sie davon Gebrauch macht, platzt die Koalition, fürchtet sie. Oder ihre Zusammenarbeit mit den „Warlords“, den immerhin elf Landesfürsten in den Provinzen, die sich gegen Steuererhöhungen und andere Belastungen für die Wirtschaft wehren. Deshalb gab es keine Steuererhöhung für das Gesundheitssystem: „Wenn ich dem zustimme, kann ich meinen Hut nehmen“, sagte sie letzte Woche, weit nach Mitternacht bei der entscheidenden Sitzung über die Gesundheitsreform. Die Folge: Anhebung des Beitrags für die Krankenkasse auf den höchsten Stand der Nachkriegszeit. Angela mutlos.

Wo steuert sie hin mit der CDU / CSU? Wohin steuert sie Deutschland?

Warum ist sie so schwer zu verstehen, für ihre Anhänger und Wähler? Liegt es an ihrer unglücklichen Jugend?

Angela Merkel lebte bis zu ihrem 39. Lebensjahr, ohne eigenes Verschulden, wohl aber nach dem freien Willen ihres Vaters, zusammen mit 17 Millionen Leidensgefährten im falschen Staat. Unter einem Regime, das zu den treuesten Anhängern der Sowjetunion gehörte, die während der Zwangskollektivierung viele Millionen Bauern, die sogenannten Kulaken, kaltblütig ermordet hatte. Die Zahlen dieses beispiellosen Völkermords durch Erschießungen, Deportationen, Lagerhaft und Hunger sind nicht exakt zu ermitteln, die Forschung geht heute übereinstimmend von zehn Millionen Opfern aus. Dem Kind Angela Merkel wurde diese Sowjetunion in Schule und Lehrbüchern als eine friedliche Macht dargestellt, die Hitler besiegt hatte. Die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus den Ostprovinzen und dem Sudetenland, die Ermordung von 2,2 Millionen von ihnen, überwiegend Frauen, Kinder und Alte, war in ihrem Schulunterricht kein Thema, noch weniger die monatelange, massenhafte Vergewaltigung deutscher Frauen und Mädchen durch Rotarmisten in den Monaten zwischen Januar und August 1945. Aber die Rotarmisten wurden in der DDR als Helden verehrt. „Wer hat vollbracht all die Taten / Die uns befreit von der Fron / Das waren die Sowjetsoldaten / Die Helden der Sowjetunion“, das sang die FDJ. Und später? Was für uns alle, vor allem für die konservativen Mitglieder der CDU und der CSU, tiefe Spuren hinterließ und prägend wurde, blieb ihr als persönliche Erfahrung versagt: Aufstieg und Zerfall der 68er außerparlamentarischen Bewegung, das Auftreten ihrer häßlichen Zerfallsprodukte und Folgeerscheinungen: Drogenmißbrauch, militanter Feminismus und schließlich die Speerspitze der APO, die Rote Armee Fraktion, alle diese Ereignisse, die damals Deutschland in tiefgreifender Weise veränderten, hat sie nicht persönlich erfahren. Auch nicht, was danach kam. Bis 1990 war die Pfarrerstochter, das Mitglied der Jungen Gemeinde und der FDJ sowie die spätere Naturwissenschaftlerin Angela Merkel von allen überprüfbaren Informationen, auch solchen über die CDU und CSU in der Bundesrepublik, abgeschnitten. Wie wirkte sich das auf ihre politische Einstellung von heute aus? Wo will Frau Merkel mit der CDU hin?

Angela Merkel ist bei einem Teil der Partei beliebt und hat sich in vielen Orts- und Landesverbänden – und Umfragen durchgesetzt. Ihre Umfragewerte sind immer noch tragbar. So recht weiß keiner, warum. Der Grund ihrer Beliebtheit liegt ganz einfach an der Art, wie die Medien sie vorführen: Die Medien und nicht die Menschen im Lande mögen sie und signalisieren: Das ist eine von Euch. Den Rest besorgt sie selbst. Das gilt nicht nur für die Ossis, für die Verlierer und für die Aufsteiger im Osten, für die Frauen, die Mütter, die berufstätigen Mütter, die Männer jeden Alters von der „neuen Mitte“. Was ist die neue Mitte? Keine Erfindung der SPD-Wahlstrategen, nur eines ihrer alten, verfälschenden Schlagworte. Aber die neue Mitte gibt es tatsächlich. Es sind die vielen Bundesbürger, die in dem Kuddelmuddel der Berichterstattung und der Agitation der Medien allmählich die Übersicht verloren haben und keine feste Position mehr kennen, sondern schwimmen. Und Angela Merkel schwimmt mit und gewinnt. Eine von Euch.

Eins muß man ihr lassen: Sie steht. Trotz aller Angriffe, die immer wieder gegen sie geführt werden, steht sie wie eine Eins. Viele fragen sich aber langsam, wofür sie steht.


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