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22.07.06 / Ankunft in Ostpreußen / Auf Reisen erliegt man einem besonderen Heimatgefühl

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Juli 2006

Ankunft in Ostpreußen
Auf Reisen erliegt man einem besonderen Heimatgefühl
von Martin Borrmann

Der Fremde, der in seinem Leben schon viel Zeit auf Eisenbahnen verbracht hat, steigt in Berlin gleichmütig in den Nachtschnellzug, um nach Ostpreußen zu fahren. Morgens ist er in Marienburg. Im frühesten Licht hat er schon die Weichsel und bald darauf die Königin des Ostens, die Marienburg, gesehen. Da spürt der Vielgereiste, daß sein erdkundliches Denken und die innere Kompaßnadel seines Herzens in eine neue Richtung zeigen. Der Magnet des Landes, auf das er zueilt, wirkt jetzt mit stärkerer Anziehungskraft als die Stadt, die er verlassen hat. Ein ähnliches Gefühl hat er zwar oft bei Fahrten von Nord- nach Süddeutschland erlebt, aber hier hat er es nicht erwartet, weil er auf keinen neuen Kulturmittelpunkt gefaßt war.

Der Zug fährt weiter. Über die Niederung, Elbing, das Oberland eilt er wiegend nach Osten. Dann gibt es hinter der Passarge vor einer kleinen Station Aufenthalt auf freier Strecke. Der Zug hat keine Einfahrt und hält nach einem Dorf, in dessen hohen, kahlen Linden der Tauwind pfeift. Schnee in den Weglöchern noch um Ostern, denkt schaudernd der Reisende. Aber da wird sein Spott still vor der weiten Landschaft und der kleinen Backstein-Ordenskirche mit ihren deutschen Dorflinden in dieser sonst schon östlichen Einsamkeit. –

Sahen auch die Herren des Deutsch-Ordens das Land so, wie ich es jetzt liegen sehe? fragt der Reisende. Nein, sie sahen nur Wildnis. Und weil sie hier aus Öde und Urwald ein blühendes Staatsgebilde schufen, wurde es ihnen teurer als der zaubervolle Traum vom Morgenland, aus dem sie, jetzt vor mehr als 700 Jahren, hierher zogen. Denn mehr als bloße Schönheit liebt der Mensch das, was er durch Kunst und seine Pflege erst langsam zur Schönheit gebracht hat. Die wenigen Minuten auf freier Strecke haben dem Fahrgast ein Geschichtskolleg gelesen.

Der Fremde denkt an die alten Preußen; vielleicht stand einer ihrer heiligen Haine hier in der Nähe oder eine ihrer Wallburgen. Er denkt an ihre Überwindung durch den Deutschen Ritterorden und an die Blüte und den Untergang des Ordens. Nur wenige Kilometer von dieser kleinen Station entfernt schrieb Copernicus das Buch, das die Vorstellungen der Menschen über Erde und Weltraum umwarf. Reiche Geschichte des Landes!

Herzog Albrecht, des Copernicus Gegner und Freund, wandelte den geistlichen Ritterstaat des Deutschen Ordens in ein weltliches Herzogtum um. Es kam die Reformation nach Ostpreußen. Im gemeinsamen Gärtchen am Pregel schenkten Simon Dach und Heinrich Albert der deutschen Dichtung Lieder von besonderer Innigkeit. Das Schlittenheer des Großen Kurfürsten jagte über die beiden Haffe hinter den Schweden her. Des Großen Kurfürsten Sohn ließ sich in Königsberg krönen und prägte der ganzen Monarchie den Namen dieses Landes auf. Hier fanden die vertriebenen Salzburger Aufnahme; hier lehrten Kant und Hamann, und aus diesem Lande stammte ihr gemeinsamer Schüler Herder. Nicht minder als diese großen Weltanreger wirkten die leuchtenden Zauberzeichen des Ostpreußen Ernst Theodor Amadeus Hoffmann. Bis in diesen Winkel und seine Seen und Flüsse, Wälder, Moore und Nehrungen hinein verfolgte Napoleon das preußische Königspaar, aber in diesem Winkel brannte 1813 auch die nationale Erhebung Deutschlands empor. Damals erglänzte besonders die Hilfsbereitschaft des Grenzländers und seine bis in unsere Tage erprobte Brüderlichkeit. Wir hoffen, daß sie auch unserem Reisenden begegnen möge.


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