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22.07.06 / Freiheitskämpfer / Historiker über seinen Kampf mit den geistigen Tabus

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Juli 2006

Freiheitskämpfer
Historiker über seinen Kampf mit den geistigen Tabus

Dies ist die Autobiographie eines außergewöhnlichen Mannes über ein Leben in außergewöhnlichen Zeiten. Professor Gerard Radnitzky (1921–2006) ist ein „Übriggebliebener“ einer Generation, die das Jahrhundert der Weltkriege und der totalitären Diktaturen, der Massenmorde und Massenvertreibungen in allen seinen Ungeheuerlichkeiten durchlebt und reflektiert hat. Geboren kurz nach dem Ersten Weltkrieg im Vielvölkerstaat der Tschechoslowakei erlebte er als Deutscher in Südmähren eine glückliche Jugend. Ihr Ende fiel zusammen mit dem Anschluß seiner Heimat an Hitlers „Großdeutschland“. Von da an war die „Mikrogeschichte“ des jungen Individualisten eng verknüpft mit der Makrogeschichte des „Zeitalters der Extreme“ (Eric Hobsbawm) und der totalitären Kollektivismen in ihrer roten und braunen Façon. Er wurde Kampfpilot und Jagdflieger, bis er Ende April 1945 sich mit einem kühnen Flug nach Schweden von „Kaiser Adolf“ verabschiedete. Es folgten lange Jahre in Schweden und der Aufstieg als Wissenschaftler.

1973 wurde Radnitzky zuerst nach Bochum und dann nach Trier auf Lehrstühle für Philosophie und Wissenschaftstheorie berufen. Aber er endete nicht im Elfenbeinturm, sondern bemühte sich jetzt um so intensiver um eine vertiefte Einsicht in die Triebkräfte der makrohistorischen Epoche, in deren Rahmen sein Leben verlief, des zweiten „Dreißigjährigen Krieges“ von 1914 bis 1945 mit den beiden kollektivistischen Totalitarismen, aber auch den modernen Demokratien mit ihrer inhärenten Rachsucht (Churchill). Und er wurde durch dieses Studium der Epoche als engagierter „Freiheitskämpfer“ mehr und mehr zu einem Gegner des „partitokratischen Glaubensstaates“, in den sich die Bundesrepublik Deutschland verwandelte mit seinen Begleiterscheinungen einer neuen Zivilreligion der Political und Historical Correctness und der Geschichtsklitterung, die von der Langzeitstrategie der Umerziehung und der Massenmedien nach 1968 mehr und mehr zur angeblich einzigen und objektiven Wahrheit über die Epoche deklariert, zur Ehre der säkularen Altäre erhoben wurde.

Auch wenn der professionelle Historiker sieht, daß der Autor verschiedentlich „über das Ziel hinausschießt“ (zum Beispiel halte ich Radnitzkys Urteil über Churchill bei aller verständlichen Kritik für zu „eindimensional“), muß er dem Autor in seiner entschiedenen Kritik an den Tabus der Historical Correctness zustimmen, die heute in keinem anderen zivilisierten Land so wirksam sind wie in Deutschland, nachdem es der Umerziehung gelang, die Mehrheit der Deutschen und auch seiner „Intelligenz“ auf ein neurotisiertes kollektives Schuldbewußtsein festzuzurren, das nichts mehr übelnimmt als die Kritik an ihm im Namen einer differenzierten geschichtlichen Wahrheit. Der „Fall Nolte“ ist auch für Radnitzky ein Paradigma für eine kollektive historisch-politische Neurose, unter deren Wirkung die Historiker nur die Wahl haben zwischen der Prostitution, sich der säkular-religiösen Historical Correctness zu unterwerfen und damit die intellektuelle Selbstachtung zu verlieren, oder dem Einsatz für die Wahrheit, die stets differenziert und vielfältig ist, und der leicht zum Märtyrertum führen kann, wie eine Vielzahl von Beispielen zeigt (Radnitzky nennt den „Fall“ Konrad Löw). Der Historiker wird dem Autor auch zustimmen bis hin zu seiner Kritik der Legende von der „Alleinschuld“ Hitlers – oder gar der Deutschen – am Zweiten Weltkrieg und seinem Beginn am

1. September 1939 und seiner Verteidigung der historisch-politischen Wahrheit beipflichten, daß auch dieser Krieg „viele Väter hatte“ (Gerd Schultze-Rhonhof).

Man kann gerade diesem Buch nur wünschen, was sich sein Autor, ein herausragender Kämpfer für die Freiheit des Geistes, von ihm erhoffte, daß es vor allem der jungen Generation die Argumente in die Hand geben möge gegen eine Armada der Geschichtsklitterungen, die heute die Freiheit des Geistes in Deutschland – kaum zwei Generationen nach dem Fall des Nationalsozialismus – erneut in der Wurzel bedroht. K. Hornung

Gerard Radnitzky: „Das verdammte 20. Jahrhundert – Erinnerungen und Reflexionen eines politisch Unkorrekten“, Georg Olms Verlag, Hildesheim 2006, 353 Seiten, 19,80 Euro, Best.-Nr. 5635


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