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29.07.06 / Verdrängt oder daran gewöhnt? / Eine Langzeitstudie ergab, daß Ängste der Kinder stark zurückgegangen sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Juli 2006

Verdrängt oder daran gewöhnt?
Eine Langzeitstudie ergab, daß Ängste der Kinder stark zurückgegangen sind

Wer hat Angst vorm ,Schwarzen Mann'?" Wer erinnert sich nicht an das Kinderspiel, bei dem der "Schwarze Mann" außerhalb des Spielfeldes steht und ruft: "Wer hat Angst vorm ,Schwarzen Mann'?" Die Mitspieler müssen antworten: "Niemand!" Dann wieder der "Schwarze Mann": "Und wenn er kommt?" - "Dann auch nicht!" - "Und wenn er euch fängt?" "Dann laufen wir!" rufen die Kinder zurück und versuchen, sich in den Bereich des "Schwarzen Manns" zu retten. Wer es schafft, ist gerettet; die übrigen, die der "Schwarze Mann" erwischt, sind nun selbst "Schwarze Männer". Das Spiel ist aus, wenn alle Kinder gefangen und selbst "Schwarze Männer" geworden sind! Ein Spiel, bei dem es auf Geschicklichkeit und Selbstvertrauen ankommt.

Vorm "Schwarzen Mann" haben die Kinder von heute wohl kaum noch Angst. Sie plagen andere Ängste, wenn auch diese auf einem Rekordtief angelangt sind. Das jedenfalls ergab eine repräsentative Langzeitstudie der R + V Versicherung über mehr als 900 Kindern im Alter von sechs bis 14 Jahren. Nur noch 40 Prozent der Befragten haben große Angst vor der Zukunft. Vor etwa zehn Jahren waren es noch 56 Prozent. Die Psychologin Karin Clemens hat eine erstaunliche Erklärung: "Kinder sind ständig einer Reizüberflutung ausgesetzt - durch bedrohliche Nachrichten im Fernsehen und Internet, durch Gewaltszenen in Computerspielen. Das Ergebnis der Studie zeigt: Kinder verdrängen ihre Ängste oder gewöhnen sich an beunruhigende Botschaften." So sind politische und wirtschaftliche Themen wie Arbeitslosigkeit oder Umweltverschmutzung für Kinder kaum relevant. Die Angst, daß Deutschland in einen Krieg verwickelt werden könnte, ist seit der letzten Befragung im Jahr 2003 sogar am stärksten zurückgegangen, um 23 Prozent, sie liegt mit 41 Prozent aber immer noch relativ hoch.

Viel größer ist die Angst um das eigene persönliche Umfeld. 59 Prozent der Kinder fürchten sich vor einem Schicksalsschlag, der ihre Familie treffen könnte. 52 Prozent haben Angst vor Sittlichkeitsverbrechen, darunter mehr Mädchen als Jungen (57 / 48 Prozent). 48 Prozent der befragten Mädchen und Jungen fürchten sich vor schwerer Erkrankung oder Tod.

An Gymnasien haben durchschnittlich 35 Prozent der Schüler Angst, an Hauptschulen sind es 45 Prozent. Information und Bildung schützen offenbar vor Angst, vermuten die Experten. Je älter die Kinder sind und je besser sie sich informieren können, desto weniger ängstlich sind sie, sie lernen, Gefahren besser einzuschätzen.

Eltern sind somit gefordert, ihren Kindern mögliche Gefahren zu erläutern und ihnen Halt zu geben, wenn sie Ängste entwikkeln.

Eine zusätzliche Befragung ergab, daß Mütter die Ängste ihrer Kinder meist unterschätzen, etwa bei Sittlichkeitsverbrechen (49 / 52 Prozent), bei drohender Arbeitslosigkeit (36 / 41 Prozent) sowie bei Umweltverschmutzung (31 / 41 Prozent). Manchmal aber überschätzen Mütter auch die Ängste ihrer Kinder, etwa die Furcht der Kinder, von ihrer Gruppe ausgeschlossen zu werden (40 / 35 Prozent).

Geborgenheit zu geben und eine zuversichtliche Lebenseinstellung zu vermitteln, das ist die beste Möglichkeit, Kindern viele Ängste zu nehmen. Konkrete Gefahren sollten dabei natürlich nicht verharmlost werden, warnen Experten. Silke Osman

Gemalte Angst: Die zwölfjährige Christina Stück hielt die Gewalt an der Schule mit dem Zeichenstift fest.

Foto: Infocenter der R + V Versicherung


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