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05.08.06 / Es stinkt, wo einst der Westen glitzerte

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. August 2006

Es stinkt, wo einst der Westen glitzerte
von Harald Fourier

Was hat das "neue" Berlin nicht alles zu bieten! Besucher aus aller Welt kommen und besichtigen den Deutschen und den Französischen Dom, den Berliner Dom und die Hedwigkathedrale. Gerade letzteres Bauwerk, die zwischen Französischer Straße und Unter den Linden gelegene Heimstatt der Berliner Katholiken, verleiht dem Zentrum der Stadt sogar ein wenig vom Flair Roms.

Und selbst der Nicht-Jude und Nicht- Moslem erkennt, daß die Synagoge in der Oranienburger Straße und wenigstens ein Teil der neugeschaffenen Moscheen architektonische wie künstlerische Meisterleistungen sind.

Um so trauriger macht der Niedergang der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Breitscheidplatz. Das 1943 ausgebombte Gotteshaus verkommt immer mehr - symbolhaft für den Niedergang der alten City West rund um den Ku'damm.

Daß diese Ecke in Charlottenburg nicht gerade als "piekfein" gilt, ist spätestens seit dem Drogenroman "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" von 1976 bekannt. Seit der neue Hauptbahnhof eröffnet wurde, ist der "Zoo" überdies nur noch Regionalbahnhof. Die ICE sind weg. Geblieben sind Stricher und "Nichtseßhafte".

Der Abstieg des alten Herzstücks der westlichen Hauptstadt steigt dem Besucher geradewegs in die Nase. In der Sommerhitze stinkt es vor allem am nahegelegenen Breitscheidplatz gewaltig. Bestialischer Uringeruch wabert von der Kirche ausgehend durch sämtliche umliegenden Straßen, weil Männer jeden Alters und aus allen Schichten ausgerechnet am Gotteshaus das Wasser nicht halten können. Der Berliner Unternehmer Hans Wall hat extra ein WC gesponsert, genützt hat es nichts. Passend zum niederschmetternden Gesamteindruck schleichen Rauschgifthändler umher.

Seit Jahren gibt es überdies einen ganz legalen Markt von Händlern, die auf dem Kirchengelände stehen, wofür sie Miete entrichten. Denn für die evangelische Kirchengemeinde gilt leider der schöne Satz nicht: "Der Herr gibt es den Seinen im Schlaf." Statt dessen muß die Gemeinde Tapetentisch-Händler, asiatische Garküchen und Currywurst-Stationen dulden. Nur durch die Mieteinnahmen sei die Sanierung des Untergeschosses der Kirche überhaupt möglich, betont Pfarrer Martin Germer. So sieht also kirchliche Realpolitik im Zeitalter der Austrittswelle aus. Wo einst der freie Westen glitzerte, herrscht heute Trostlosigkeit. Der "Zoo" - ein Provinzbahnhof. Die Gedächtniskirche - der versiffte Mittelpunkt eines Platzes, der von Dönerbuden und "Kentucky Fried Chicken" beherrscht wird. Ade, City West.


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