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12.08.06 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. August 2006

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied und Familienfreunde,

oft habe ich schon erwähnt, daß unsere Ostpreußische Familie viel größer ist, als es den veröffentlichen Fragen und Antworten nach den Anschein hat, denn die meisten Schreiben können direkt beantwortet werden, weil es sich um Wünsche oder Nachfragen handelt, zu deren Erfüllung wir nicht unsern Leserkreis bemühen müssen. Was auch schon aus Platzgründen unmöglich wäre, denn manche Zuschriften füllen Seiten. Aber ab und zu muß ich auch solch einen Vorgang erwähnen, weil er beweist, was unsere Ostpreußische Familie wirklich leistet. Auf unserem Familienseminar vom 15. bis 17. September im Ostheim, Bad Pyrmont, werde ich auch über diesen Teil unserer Arbeit sprechen und einige Beispiele dafür geben, was man mit sorgfältiger Recherche und mit im Laufe der Jahrzehnte gesammelten Erfahrungen bewegen kann. Aber eine kleine Erfolgsgeschichte muß ich vorwegnehmen, weil sie doch recht außergewöhnlich ist, dazu gerade geschehen. Und weil ich weiß, wie sich alle aus unserem großen Familienkreis mit den Lesern freuen, denen wir einen großen Wunsch erfüllen konnten. So will ich sie etwas ausführlicher erzählen.

Sie beginnt mit einem Fax, das ich Anfang Juni aus Chicago erhielt: "Liebe Frau Geede ... ich bin vor Jahren nach Amerika ausgewandert. Jetzt gebrauche ich eine Urkunde, daß ich in Skirwiteil am 14. Dezember 1935 geboren wurde. Das Problem, das ich habe, ist, daß keiner weiß, wo Skirwiteil liegt. Können Sie mir helfen? ... Für Ihre Mühe danke ich im voraus. Manfred Josellis ... PS: Mein Deutsch ist nicht mehr so gut, aber ich hoffe, daß Sie mir helfen." Hoffte ich auch, tippte zuerst auf Skirwieth in der Elchniederung, das war es aber nicht. Der Ort sollte im Memelland liegen. Da machte ich schließlich ein Dorf mit dem litauischen Namen "Skirvytele" aus. Aber wie weiterkommen? Nun habe ich das Glück, einen immer bereiten Helfershelfer zu haben, mit dem auch schon manche Leserinnen und Leser Verbindung hatten und haben: Mein Königsberger Landsmann Dr. Detlef Arntzen, der wie ich in Hamburg wohnt. Er erklärte sich auch gleich bereit, die aufwendigen Recherchen zu übernehmen. Ich bat ihn, sich mit dem Kreisvertreter von Memel-Land, Herrn Kittel, in Verbindung zu setzen, vielleicht könnte dieser weiterhelfen. Herr Kittel gab sich sehr viel Mühe, stieß aber bei der Vielzahl von ähnlich klingenden Ortsnamen, die sich im Lauf der wechselvollen Geschichte des Memellandes auch dauernd änderten, auf Schwierigkeiten. Der genannte Ort konnte jedenfalls nicht mit Sicherheit ausgelotet werden. Die Sache schien hoffnungslos.

Aber dann nahm sie eine überraschende Wende. Herr Dr. Arntzen, der gerne direkten Kontakt zu den Fragestellern aufnimmt, rief Herrn Josellis in Chicago an, bedauerte, ihm nicht helfen zu können, erfuhr dabei aber den Hintergrund seines Wunsches. Manfred Josellis sagte: "Ich habe ein schönes Haus, aber vor zwei Jahren war ein Feuer, und alle meine Papier sind dabei verbrannt, auch meine Geburtsurkunde. Ich brauche einen neuen Führerschein, aber ohne Geburtsurkunde bekomme ich ihn nicht. Ich habe sofort mit Vilnius telefoniert, aber die wissen nichts von Skirwiteil. Ich habe auch nach Moskau geschrieben, es dauerte ein Jahr, bis man mir mitteilte, nicht helfen zu können. Was soll ich bloß tun? Haben Sie Zeit? Ich rufe dann gleich zurück, von hier aus ist das Telefonieren viel billiger." Detlef Arntzen hatte Zeit. Und hörte sich dann einen sehr langen Monolog an, in dem Herr Josellis von seiner Tätigkeit als Hausmeister, von seinen Nachbarn, von Onkeln und Tanten, von seinem Urlaub in Florida berichtete - er war anscheinend froh, mal endlich richtig schabbern zu können und kam vom Hundertsten ins Tausendste. Sein Hamburger Gesprächspartner überlegte schon, wie er das Telefonat beenden könnte, als Manfred Josellis plötzlich sagte: "Wissen Sie, meine Eltern und ich haben es im Krieg nicht leicht gehabt, wir kamen aus dem Memelland nach Hamburg-Barmbek, das ist in Westdeutschland, dort wurden wir ausgebombt, mein Vater arbeitete auf einer U-Boot-Werft in Finkenwerder, das ist auch in Westdeutschland ..." Jetzt wurde der Monolog unterbrochen, denn Dr. Arntzen sagte: "Ich rufe aus Hamburg an. Warten Sie ein Momentchen, es dauert etwas länger, die in Frage kommenden Telefonnummern herauszufinden." Es ging dann doch sehr schnell, und Herr Josellis notierte sie sich. Detlef Arntzen meinte zum Schluß des Mammutgespräches, daß in Deutschland zwar manches nicht mehr in Ordnung sei, aber die Bürokratie, die funktioniere noch, auch im positiven Sinne! - Er sollte Recht behalten. Einige Tage später rief Manfred Josellis an, er überschlug sich fast vor Freude: "Stellen Sie sich vor, die Leute in Hamburg haben tatsächlich meine Geburtsurkunde gefunden, ist das nicht wunderbar? 16 Dollar soll ich überweisen, dann bekomme ich meine Papiere!" Und dann jetzt der - vorerst - letzte Anruf: "Sie glauben gar nicht, wie ich mich freue, ich habe meine Papiere!" Dr. Arntzen erbat sich eine Kopie. "Mach ich sofort!" So wird es noch einen echten Beleg für diese wunderschöne Geschichte geben, die auch in unsere "Familien"-Annalen eingeht, weil sie beweist, was Hilfsbereitschaft und Findigkeit bewirken können!

Vielleicht finden wir ja auch die berühmte "Stecknadel im Heuhaufen", die Herr Hans Sehring sucht, nachdem er in seiner Familienforschung bereits nicht unerhebliche Teilerfolge verzeichnen konnte. Bei der betreffenden Stecknadel handelt es sich um eine Kusine der verstorbenen Eleonore Johanna Sehring geborene Mertens aus Grünwiese, Kreis Heiligenbeil. Vorname: Hiltraud, Nachname Mertens ist ungewiß. Sie wohnte nach dem Krieg in Lilienthal bei Bremen zusammen mit ihrer Mutter. Wahrscheinlich hat die Gesuchte mehrere Verwandte besucht, darunter in Sprendlingen und in Grefrath bei Frechen / Köln. Hier soll auch ein Foto entstanden sein, daß Hiltraud Mertens (?) mit mehreren jungen Frauen und einem jungen Mann zeigt. Aber auch das ist leider nicht mehr auffindbar. Wer wühlt mit im Heuhaufen? (Hans Sehring, Helga-Barth-Straße 7 in 75015 Bretten, Telefon 0 72 52 / 8 66 79, Fax 0 72 52 / 8 06 51.)

Ob wir aber die Frage von Herrn Albrecht von Winterfeldt beantworten können, ist fraglich. Da er aber schon einmal durch unsere Ostpreußische Familie Erfolg hatte, als er für seine ostpreußische Schwiegermutter ein Gedicht suchte, hofft er jetzt wieder auf eine positive Reaktion. Vielleicht gibt es einen Leser, der sich mit den Ansichten von alten Kirchen und Kirchenbildern in Mittel- und Ostdeutschland auskennt. Herr von Winterfeld ist nämlich auf der Suche nach dem Ort, der auf dem Gemälde des Berliner Genremalers Jakob Munk "Des Rekruten Abschied" zu sehen ist. Zweifellos muß der in Preußen gelegen haben - vielleicht erkennt jemand seinen Heimat- oder Wohnort auf diesem Bild? Wo hat der Maler zwischen 1809 und 1889 gelebt? Vielleicht ist es sein Heimatort, den das Bild mit der mächtigen Kirche zeigt? In Ostpreußen dürfte er nicht gelegen haben, das deuten die Höhen im Hintergrund an, auch die Form des Hauses weist nicht auf unsere Heimat hin. Vielleicht gibt die Tracht der Frau, die von ihrem Mann oder Bräutigam Abschied nimmt, einige Hinweise. Von Bibliotheken und Museen hat Herr von Winterfeld bisher keine befriedigende Antwort erhalten. Ich hoffe, daß sie nun aus unserm Leserkreis kommt. (Albrecht von Winterfeld, Osterkamp 4, 30938 Burgwedel, E-Mail: alwin@gmx.de .)

Eure

Ruth Geede

"Des Rekruten Abschied": Gemälde von Jakob Munk Foto: Archiv


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