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12.08.06 / Blutleer / EU ohne wirkliche Visionen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. August 2006

Blutleer
EU ohne wirkliche Visionen

Nicht nur die beiden Autoren Michel Reimon und Helmut Weixler, sondern auch der Verfasser des Vorwortes, Daniel Cohn-Bendit, stammen aus dem politischen Lager der Grünen, und auch wenn die Mehrheit der Deutschen nicht mehr so gut auf die Grünen zu sprechen ist, so lohnt sich ein Blick in "Die sieben Todsünden der EU - Vom Ausverkauf einer großen Idee". Hierbei verfallen die Autoren kaum in ideologische Phrasendrescherei. Statt dessen liefern sie eine profunde Analyse der Fehler der Europäischen Union.

"Wie oft hört man diesen Satz: Europa braucht mehr Bürgernähe, es muß näher hin zu den Menschen. Diese Aussage ist das Eingeständnis des Scheiterns von politischen Eliten, und sie ist zudem falsch. Denn was dieser Satz meint, ist: Wir, die Eliten, müssen näher hin zu den Bürgern, die wir nicht mehr verstehen und die uns nicht mehr verstehen." So regen sich die Autoren darüber auf, daß den Bürgern der EU nur eine Stellungnahme durch Referendum gewährt wird, wenn sich die jeweiligen nationalen Politiker sicher sein können, daß ihre Bürger zustimmen werden. Warum es in Frankreich und den Niederlanden aus Sicht der EU-Freunde trotzdem schief lief, erläutern Reimon und Weixler ausführlich. Hierbei gehen sie auch auf die Entstehung des Verfassungstextes ein, die eher einer Satire gleicht als dem Weg zu einer gemeinsamen Vision. Ziemlich angewidert beschreiben sie das Gefeilsche in der EU um Geld, Einfluß und bessere Standortbedingungen. Parallel zu diesem die EU im ganzen schwächenden Wettkampf gegeneinander läuft schizophrenerweise die Vereinheitlichung verschiedener Standards. Von zuviel Vereinheitlichung oder gar von den Vereinigten Staaten von Europa halten die Autoren allerdings nicht viel. "Europa sollte von seiner Vielfalt leben, auch davon, verschiedene Wege zu gehen, während man in dieselbe Richtung unterwegs ist."

Auch wird die Gefahr der Harmonisierung nach unten und des Sozialdumpings in den schlüssigen Ausführungen angesprochen.

Vor allem Helmut Weixler weiß, wovon er schreibt. Als ehemaliger EU-Korrespondent in Brüssel und derzeitiger Leiter der Pressestelle der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament hat er besondere Einblicke in das Geschehen auf EU-Ebene. Vor allem stört ihn, daß die EU und vor allem Deutschland sich immer kleiner machen als nötig. Die EU ist trotz aller Schwächen der stärkste Markt der Welt, Deutschland sogar Exportweltmeister. "Wie schlimm muß die Massendepression in Deutschland eigentlich schon sein, daß man da überhaupt auf die Idee kommen kann, als Standort nicht leistungsfähig zu sein?" Anstelle sich von der Globalisierung seine Politik diktieren zu lassen, sollte die EU vielmehr gestalterisch tätig sein, statt zuzulassen, daß sich ihre Mitgliedsländer gegenseitig im Sozialdumping überbieten und damit auf Kosten der Bürger das Gesamtniveau senken.

Insgesamt sprechen sich die Autoren deutlich für die Europäische Union aus, nur eben für eine andere. Rebecca Bellano

Michel Reimon, Helmut Weixler: "Die sieben Todsünden der EU - Vom Ausverkauf einer großen Idee", Ueberreuter, Wien 2006, geb., 190 Seiten, 19,90 Euro, Best.-Nr. 5667


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