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19.08.06 / Märtyrer für das Evangelium

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. August 2006

Gedanken zur Zeit:
Märtyrer für das Evangelium
von Wilfried Böhm

Vor der Michaelskirche in Zeitz in Sichtweite der SED-Kreisleitung und der Evangelischen Kirchenbehörden griff vor 30 Jahren am 18. August 1976 vor über einhundert Zeugen der evangelische Pfarrer Oskar Brüsewitz in Reppicha zu einem Benzinkanister, übergoß sich mit dessen Inhalt und zündete sich an. Drei Tage später verstarb er an den Verbrennungen im Bezirkskrankenhaus in Halle / Saale. Er wollte, daß seine Selbstverbrennung ein Fanal gegen die Unterdrückung durch den Kommunismus würde, wie sieben Jahre vorher der Flammentod des 20jährigen Philosophiestudenten Jan Pallach auf dem Prager Wenzelsplatz. Über 400 Menschen aus allen Teilen der damaligen DDR nahmen an der Beerdigung teil, darunter viele Pfarrer im Talar. Sie wurden argwöhnisch beobachtet und fotografiert von einem großen Aufgebot der Stasi und Volkspolizei. Die kommunistischen Machthaber erklärten den Pfarrer für „abnormal und krankhaft veranlagt“, einen Mann mit „Wahnvorstellungen“. Diesen Verleumdungen widerstand mutig Christa Brüsewitz, die Frau des Pfarrers: „Das ist eine glatte Lüge. Mein Mann wollte ein Zeichen setzen. Ich selbst bekenne mich auch zu dieser Tat. Mein Mann hat nur das Evangelium gepredigt - dies wurde vom Rat des Kreises Zeitz als Provokation gedeutet.“ Immer wieder hatte Brüsewitz gegen die Kirchenpolitik des SED-Staates und die Erziehung der Jugend zum Haß protestiert. Neben die Losungen der SED stellte Brüsewitz hand-schriftliche Plakate: „Christus ist die Hoffnung der Welt.“ Die Parteipropaganda „25 Jahre DDR“ beantwortete er mit „2000 Jahre Kirche Jesu Christi“ und sagte: „Unsere Kirchenglocken werden noch läuten, wenn sich draußen keiner mehr an den Marxismus-Leninismus erinnert.“ Auf die SED-Parole: „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein“ reagierte er: „Ohne Regen und ohne Gott geht die ganze Welt bankrott.“ Ein Kreuz aus Neonröhren leuchtete vom Turm seiner Kirche. Die DDR-Machthaber schikanierten ihn und wollten ihn in den Westen abschieben, was er strikt ablehnte. Er litt aber auch unter opportunistischer Anpassung der Kirche an den Sozialismus, die er nicht billigen konnte. So reichten denn auch die Reaktionen auf den Flammentod von tiefer Erschütterung bis zu dem Versuch, alles zu unternehmen, um das Verhältnis zur Staatsmacht nicht zu stören. Der amtierende Bischof der Evangelischen Kirchenprovinz Sachsen, Probst Friedrich Bäumer, erklärte bei seiner Trauerrede am Grab von Brüsewitz: „Die Fragen, die uns unser Bruder und seine Entscheidung, die er für uns getroffen hat, stellt, werden wir so schnell nicht beantworten oder abschütteln können, Fragen die uns in unserer politischen und in unserer menschlichen Existenz aufgeschreckt haben.“ In erster Linie war die Kirche um „Schadensbegrenzung“ bemüht. „Wir können der Tat unseres Bruders nicht zustimmen. Jeden Versuch, das Geschehen in Zeitz zur Propaganda gegen die Deutsche Demokratische Republik zu nutzen, weisen wir zurück.“ Konsistorialrat Manfred Stolpe berichtete, die Kirche hätte „Solidarität zum Staate zu bekunden gehabt“. Im Westen bemerkte das SPDParteiorgan „Vorwärts“, die Demonstration von Brüsewitz „habe mit Vernunft nichts zu tun“. Natürlich sei in der DDR nicht alles in Ordnung, trotzdem: „Grund zur Verzweiflung gibt es für Christen in der DDR nicht.“ Freunde von Brüsewitz erhielten vom Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin, Günter Gaus, den Rat, „den Fall nicht an die große Glocke zu hängen, die Entspannungspolitik sei sonst gefährdet“. 30 Jahre nach seiner von ihm als Opfertod verstandenen Selbstverbrennung stellt Brüsewitz den Deutschen nach wie vor die bohrende Frage nach Wahrheit und Lüge, Christentum und Totalitarismus, Widerstand und anpassende Beschwichtigung, Mut und Furcht aber auch den Sinn der Selbsttötung als bewußtes Opfer. Der EKD-Synode Joachim Illies sagte dazu: „Wenn sich in Südafrika ein Schwarzer aus Sorge um die Apartheid verbrannt hätte, wären in Ost und West Kirchen und Universitäten nach ihm benannt und ein Gedenktag ausgerufen worden. Aber was tut sich in Deutschland und in der EKD mit Brüsewitz?“ Kaum einer kennt den Pfarrer aus Reppicha. Die aber, gegen die er stand und die am 13. August 1961 die Mauer durch Deutschland gezogen hatten, sind dreist und anmaßend auf die politische Bühne zurückgekehrt, von der das Volk sie 1989 verjagt hatte. Heute leugnen sie das kommunistische Unrecht - und verzehren ihre Pensionen.


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