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19.08.06 / "Keine große Liebe endet mit dem Tod" / Berühmte Liebespaare: Der Arzt Johann Friedrich Struensee und Caroline Mathilde von Dänemark

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. August 2006

"Keine große Liebe endet mit dem Tod"
Berühmte Liebespaare: Der Arzt Johann Friedrich Struensee und Caroline Mathilde von Dänemark
von Esther Knorr-Anders

Im Mai 1769 ging der in den Grafenstand erhobene Johann Friedrich Struensee im Kopenhagener Schloßpark spazieren. Als Leibarzt des Königs, als engster Vertrauter und Geheimer Kabinettsrat brauchte er Entspannungspausen. Er sah Königin Caroline kommen. Mit Abstand folgten Hofdamen mit dem kleinen Kronprinzen. Wie es die Etikette erforderte, trat Struensee zur Seite, um Caroline vorbeizulassen. Unerwartet machte sie bei ihm halt. Zum ersten Mal standen sie sich allein gegenüber. Der Arzt Struensee dachte: Sie hat eine wunderbare Haut. Caroline ihrerseits dachte: Diesen Augen kann man vertrauen. Seit ihrer Heirat 1766 war die englische Prinzessin Königin von Dänemark, doch sie hatte keinen vertrauten Menschen bei Hof gefunden. Sie redete Struensee an: „Sie sind Deutscher, ein Fremder ...“ Er nickte: „Fremd wie Sie, Majestät.“ Beide wurden sich bewußt, daß ihr Beieinanderstehen reichlich lange dauerte. Dennoch sprach Caroline weiter: „Mein Mann sagt, Sie arbeiten sehr viel.“ Struensee lächelte: „Ich bin Leibarzt und Minister.“ Ihre nächste Frage belustigte ihn: „Aber etwas müssen Sie doch gern tun!“ Er lachte herzhaft: „Ich reite gern.“ Spontan ihre Antwort: „Ich auch. Englisch, im Herrensattel. Das ist meinen Damen anstößig.“ 

Er lauschte seiner Stimme nach, als er sagte: „Ich werde den König bitten, Sie begleiten zu dürfen.“ Caroline strahlte; 19 Jahre war sie alt, zwar verheiratet, doch ungeliebt, erwartungsgemäß hatte sie den Thronfolger geboren. Und sonst? Nicht grübeln, das brachte Traurigkeit. „Fragen Sie den König bald.“ Sie verließ Struensee. Auch er setzte seinen Weg fort, wandte sich jedoch noch einmal um. Er erschrak. Caroline sah ihm ebenfalls nach. Schnell schritt er weiter. Ein herrlicher Frühlingstag, wahrhaftig! Der in Halle geborene Struensee, der als Stadtphysikus in Altona ansässig war, hatte im April 1768 vom dänischen Hof die Anfrage erhalten, ob er den jungen, geistig kränkelnden König Christian VII. auf dessen Europareise als Leibarzt begleiten wolle. Er hatte gezögert. Den Ausschlag gab, daß sein Großvater Leibarzt Königs Christians VI. gewesen war. Der Abschied von Altona fiel ihm schwer. Dort schätzte man ihn. Auch hatte er seinen Freundeskreis dort, der sich aus Anhängern der Aufklärung mit ihren sozial-revolutionären Zielen zusammensetzte. Auf der mehrmonatigen Reise schlossen der König und Struensee Freundschaft. In Struensees Gegenwart fühlte sich Christian geborgen, die Phasen seines Wohlbefindens verlängerten sich. Er bat Struensee, mit ihm nach Kopenhagen zu kommen. Struensee wußte, daß der dänische Hof als korrupt galt. Das sagte man anderen Fürstenhöfen auch nach. In Kopenhagen aber bedurfte ein geistig labiler Monarch zuverlässiger Unterstützung. Struensees staatsmännischer Aufstieg begann. Im Namen des Königs durfte er Gesetze erlassen. Er tat es: Dem „Gesetz gegen Verschwendung öffentlicher Gelder“ folgte die „Kürzung der Beamtenpensionen“, die Folter wurde verboten, das Schulwesen reformiert. Er führte die Pressefreiheit ein. Es gab keinen Menschen am Hof, der ihn nicht zum Teufel wünschte, darauf wartete, einen Grund zu finden, ihn stürzen zu können. Das war nicht einfach, denn Struensee erwies sich als unbestechlich. Auch Graf Hoegh- Guldberg, der bislang die Regierungsgeschäfte abgewickelt hatte, erhoffte Struensees Sturz. 

Er sann: Nur Geduld! Irgendwann macht er einen Fehler. Vom Spaziergang zurück, trat Struensee in sein Arbeitskabinett. Wie meistens saß Christian, eine schmächtige Gestalt, in einem Sessel, tätschelte seinen Hund. Jetzt war Gelegenheit, um „Reiterlaubnis mit der Königin“ zu bitten. Christian kam ihm zuvor: „Struensee, die Königin ist zuviel allein, sie fand hier kein Zuhause. Sie wissen, ich ...“ Struensee wußte. Christian liebte Caterine Beuthaken, „Stiefel- Caterine“ geheißen, weil ihre Familie Stiefel schusterte. Sie war umschwärmte Kokotte Kopenhagens, von robuster Mütterlichkeit. Das zog ihn zu ihr hin. „Nehmen Sie sich der Königin an, sie reitet gern. Sie ist großer Liebe wert.“ In diesem Augenblick erkannte Struensee, daß er liebte. Sie ritten tief in die Wälder, zur königlichen Jagdhütte. Caroline schloß auf. „Hier sind wir sicher“, flüsterte sie. Struensee leise: „Unsere Liebe ist nirgends sicher. Wir haben Feinde.“ Caroline: „Nicht daran denken, nicht jetzt.“ Die Liebenden merkten nicht, daß Guldbergs Spitzel das Jagdhaus belauerten ... Je inniger ihre Beziehung wurde, desto enger verbanden sie sich geistig. Beide entwarfen nun die Reform-Gesetze. „Wenn ich nicht mehr bei dir bin, mußt du alles allein fortführen können, für deinen Sohn“, erklärte Struensee ernst. Ebenso ernst erwiderte sie: „Und für mein zweites Kind, dein Kind. Ich bin schwanger!“ Der Federkiel entfiel ihm. Bestürzt fragte sie: „Freust du dich nicht?“ Er ergriff ihre Hand: „Caroline, es könnte das Ende sein!“ Sie schüttelte den Kopf: „Ich habe es Christian gesagt.“ Beim Festbankett im Februar 1771 gab Christian den Gästen bekannt, daß die Königin erneut „guter Hoffnung“ sei. „Wir haben Grund zur Freude.“ Man applaudierte; niemand wagte ein Lächeln. Im September wurde die Tochter Louise-Augusta geboren. Struensee leistete Geburtshilfe. Die Amme legte ihm das Kind in den Arm: „Mein Kind!“ Hämisch setzte Guldberg den Titel „Prinzessin Struensee“ in Umlauf. Doch als Ahnin der späteren deutschen Kaiserin Augusta Viktoria hatte Struensees Tochter Familiengeschichte mitgeschrieben. Guldberg verlor keine Zeit. Jetzt hatte er den Grund zu Struensees Sturz: „Schändung des königlichen Ehebettes“. Weiter wurde Struensee beschuldigt, den König ermorden zu wollen. Darauf stand die Todesstrafe: Enthauptung. Ein lückenloser Komplott-Plan. 

Das Maskenfest bot Gelegenheit zur Vollendung. Christian wurde mit Alkohol und Medikamenten betäubt. In diesem Zustand zwang ihn Guldberg, Struensees Todesurteil und die Verbannung der Königin nach Celle, einem deutschen Besitztum ihres Bruders, König Georg III. von England, zu unterzeichnen. Christian war nicht in der Lage, den Text zu erfassen. Mit Mühe gelang ihm die Unterschrift. Er brach zusammen. Als „Geisteskranker“ wurde er arretiert. Währenddessen waren Struensee und Caroline verhaftet worden. Damit das Urteil als abgesichert gelten konnte, war ein Ehebruchsgeständnis notwendig. Caroline weigerte sich. Ihr drohte die zwangsläufige Scheidung und der Verlust des Rechtsanspruchs auf Regentschaft an Christians Stelle. Guldberg bedeutete ihr, daß im Falle ihrer Weigerung Struensee zu Tode gefoltert werden würde. Schneidend Carolines Antwort: „Sie Schwein“ - und unterschrieb. Am 28. April 1772 verfolgte Guldberg von der Kutsche aus die Hinrichtung. Schweigen herrschte auf dem Platz. Furcht bannte Guldberg. Er ahnte, daß sein Sturz eine Frage der Zeit war; er irrte nicht. Die Dänen forderten die Rückkehr Carolines als Regentin; der Kronprinz wuchs heran ... Im Mai 1775 starb Caroline in Celle. Das Gerücht ging um, man habe sie vergiftet. In manchen Stunden hatte sie das Medaillon mit dem Bild Struensees ans Herz gedrückt. Einst hatte er gesagt: „Geliebte, keine große Liebe endet mit dem Tod. Ich warte.“


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