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26.08.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. August 2006

Marsch geblasen / Franz Josef Jung findet den Alten Fritz wieder traditionswürdig - was ihm der König wohl zum Libanon-Einsatz gesagt hätte?
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul spricht die Hauptursache für die Armut in der Welt offen an: mangelnde Bildung. Die Mühsamen und Beladenen in den sozial benachteiligten Ländern lernten nichts und könnten deshalb auch nicht ausbrechen aus dem Jammertal.

Und, das weisen andere Leute vom Fach nach, eben jene Armut ist dann der „Nährboden für Fundamentalismus“, aus dem der Terror hervorkeimt - letztlich also ist der Terror unsere Schuld, weil wir nicht genug Geld bereitgestellt haben, damit die armen Teufel was Richtiges lernen wie zum Beispiel Informatik, Elektrotechnik oder Maschinenbau oder gleich jenes neue Fach, in dem die drei Disziplinen zusammengefaßt gelehrt werden: die „Mechatronik“. Höre ich da ein Räuspern? Der Ministerin könnte demnächst öfter ein verlegenes Gemurmel entgegensäuseln, wenn sie, wie so oft, die friedenspolitische Wirkung von deutsch finanzierten „Bildungsoffensiven in Schwellenländern“ preist.

Nun gut, niemand will einfach die Gegengleichung aufmachen: Dumm gleich harmlos - ausgebildet gleich Bombenleger. Dennoch scheint sich mit wachsendem Bildungsniveau bei gewissen Personenkreisen weniger die „zivilgesellschaftliche Verankerung“ zu vertiefen als vielmehr ihre Fertigkeit zum technisch perfekten Massenmord. Analphabeten bindet man einen simplen Semtex-Gürtel um den Bauch und läßt sie in ein Café rennen, wo sie nur die Strippe ziehen müssen. Manchmal geht selbst das noch schief und die Trottel jagen bloß sich selbst in die Luft. Hätten Youssef Mohamad und sein Freund fleißig zu Ende studiert, wäre ihnen der Patzer mit der Zündung vielleicht nicht passiert. Die Hochqualifizierten mit Ausbildung in Deutschland und den USA bringen es immerhin bis zum Piloten.

Es gibt nichts mehr zu beschönigen: Die Zeiten werden härter. Sogar Verteidigungsminister Jung hat das mitbekommen und beginnt darüber nachzudenken, ob es vielleicht ein Fehler war, der Bundeswehr alle soldatischen Traditionen wegzunehmen und sie zu einem schlecht ausgerüsteten THW herabzustufen. Auf einer Tagung von Militärhistorikern in Potsdam äußerte der Minister Zweifel, ob es richtig gewesen sei, etwa die großen Preußen bei der Traditionspflege der Bundeswehr ganz außen vor zu lassen. Er nannte unter anderem Friedrich den Großen und den alten Moltke. Schade, daß die beiden bei dem Treffen nicht zugegen sein konnten. Es wäre gewiß interessant gewesen zu erfahren, was der König und der Generalfeldmarschall zum Zustand von Politik und Militär zu sagen hätten. Das ist eben das Ungerechte an den Traditionsbezügen: Die Nachgeborenen dürfen sich aussuchen, wen sie wollen. doch die Erwählten können sich nicht gegen die posthume Gesellschaft wehren.

Zum Libanoneinsatz hätte ihm Friedrich bestimmt einen hübschen Marsch geblasen: Lage nicht geklärt, Auftrag schwammig und Ziel in den Sternen. Den Rapport hätte Jung keine drei Minuten überstanden. Glücklicherweise drängeln sich die Italiener vor und wollen die Führungsrolle bei der internationalen Fahrt ins Blaue. In Rom ist man völlig aus dem Häuschen vor patriotischer Rührung: Das regierungsnahe Blatt „La Republica“ jubelt, die Aufforderung Israels an Italien, die Leitung zu übernehmen, sei der „Beweis, daß man uns als zuverlässig und ausgeglichen ansieht“.

Wollen wir ihnen die Wahrheit sagen? Nein, das wäre gemein. Die haben genug weggesteckt. Unlängst waren es die Russen, die besonders grausam in der italienischen Wunde bohrten: Als Moskau 1999 keine eigene Besatzungszone im Kosovo erhielt, erregte sich ein russischer General, dies sei eine Unverschämtheit, wo doch „sogar die hasenfüßigen Italiener“ eine bekämen. Er sagte das öffentlich genug, daß es alle mitbekamen und jeder meinte, seine alte Witzesammlung über „Italiener und andere Helden“ auspacken zu müssen.

In jüngster Zeit wurmte es die Römer, daß zu den Irangesprächen immer von „den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland“ die Rede war. Uns war das gar nicht als besondere Ehre vorgekommen. Für Italien aber bedeutete die Formulierung jedesmal einen Schlag auf den Musikantenknochen. Ausgerechnet die Deutschen! Das ganze Mittelalter hindurch hielt ihnen die Regentschaft „römischer Kaiser deutscher Nation“ die ärgerliche Tatsache vor Augen, daß sie vor Zeiten ihr stolzes Imperium versaubeutelt hatten und nun die einst verachteten „Barbaren“ das Zepter schwangen. Sowas geht in die Knochen und bleibt dort. Zudem wurden sie vom nördlichen Nachbarn nie im unklaren darüber gelassen, daß der gewöhnliche Deutsche die Italiener zwar putzig und ihr Land recht hübsch findet, daß er aber nicht im Traum daran dächte, die Stiefelbewohner ernst zu nehmen.

Jetzt kann man es mal allen zeigen, den Deutschen an erster Stelle, die dieser Tage ihre Militärspeicher nach Resten durchstöbern müssen, die noch nicht im Auslandseinsatz oder unabkömmlich sind und daher in den Libanon könnten.

Irgendwann jedoch kommt die Stunde, vor der sich Italiens Generäle aus historischer Erfahrung fürchten wie vor nichts sonst. Es ist der Moment, in dem die feurigen Ankündigungen verklungen sind und nun der bittere Ernst gemeistert werden muß. Das ist in der Vergangenheit das eine oder andere Mal fürchterlich in die Hose gegangen.

Wie aus Rom verlautet, ist die Armeeführung denn auch alles andere als begeistert vom Vorpreschen ihres Premierministers. Romano Prodi hat das bemerkt und fährt vorsorglich die Erwartungen runter: Statt der zunächst in Aussicht gestellten 3500 Soldaten könnten möglicherweise nur 2000 aufmarschieren.

Kofi Annan benötigt ein solides Beißholz. Erst löste sich das französische Kontingent vor seinen Augen fast völlig auf und nun bröckelt auch noch das italienische.

Der Uno-Generalsekretär braucht aber einen Erfolg, es muß endlich mal was funktionieren in seiner Organisation. Bislang kennt man die Vereinten Nationen als jene Kraft, die aus kurzen blutigen Konflikten lange blutige Konflikte mit Verhandlungsbegleitung macht. Gegen Uno-Resolutionen ist Pfeifen im Walde eine eindrucksvolle Machtdemonstration. Und gerade fliegt der UN das kleine Ost-Timor um die Ohren, auf dessen Befreiung man doch so stolz war.

Annan hat das Pech, daß er nicht wenigstens wie ein normaler Regierungschef vom Streit der anderen profitieren kann. In der Uno müssen sich so gut wie alle einig sein, damit man wenigstens so tun kann, als könne man etwas tun. Kanzlerin Merkel hat es besser. Steinbrück hält ihr mit dem Tritt gegen die Reichskleinodien (Urlaubsreisen) im richtigen Moment den Koalitionsrücken frei, weil die Sozis jetzt erst einmal mit Dementieren beschäftigt sind. 650 Genossen haben prompt ihr Parteibuch entsorgt nach dem Lapsus des Finanzministers.

In der CDU prügeln sie sich dermaßen, daß sich die Parteichefin mühelos durchs Getöse floskeln kann. Pofalla will Steuersenkungen für die Wirtschaft. Rüttgers hält dagegen: Niemand könne sicher sagen, daß Steuersenkungen zu mehr Arbeitsplätzen führten. Endlich benennt mal jemand den springenden Punkt: In so einer Marktwirtschaft kann man eben nie sicher vorhersehen, was auf welche Maßnahmen in welchem Umfang folgt. Das ist ja das Abstoßende an dieser Wirtschaftsform. Nicht einmal ein Fabrikant weiß, ob ihm den Krempel auch einer abkauft. Wenn die Leute Geld haben, kontrolliert keiner, wofür sie es ausgeben. Fern jeder Verantwortung überlassen Politiker die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts den willkürlichen Entscheidungen von Volk und Wirtschaft und ziehen nur die andere ein. Heiner Geißler hat das als „neoliberalen Rechtsruck“ entlarvt. Oder war es Oskar Lafontaine?


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