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02.09.06 / Rede des Stadtvertreters und Ersten Vorsitzenden der Stadtgemeinschaft Tilsit, Horst Mertineit

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. September 2006

Rede des Stadtvertreters und Ersten Vorsitzenden der Stadtgemeinschaft Tilsit, Horst Mertineit

In meinen ganz jungen Jahren bin ich oft hier gewesen. Meine Eltern liebten die Ruhe und den Frieden hier. Ich sah die Grabsteine mit den russischen Namen und dem etwas anderen Kreuz und fragte, weshalb die hier ruhen. Mein Vater sprach vom Krieg. Ich hörte und fragte: „Warum?“

Und dieses warum ist bis heute geblieben.

Ich mußte selbst einen häßlichen Krieg erleben, war lange fort, dann ab und zu wieder hier. Es war alles anders geworden.

Wir Menschen haben uns schmerzende Wunden zugefügt, die zwar langsam verheilten. Es blieben aber Narben und die werden zur Heilung noch lange brauchen. –

Auch dieser Friedhof erlitt schwere Wunden, blieb aber doch als Waldfriedhof erkennbar. Seine Narben sind die zahlreichen Soldatengräber, in denen Menschen von vier Nationen ruhen. Bei meinem ersten Besuch bat ich um die Erlaubnis, hier eine kleine bescheidene Gedächtnisstätte für „Unsere Toten“ erstellen zu dürfen. Unter dem damaligen Oberbürgermeister Valery Bedjenyschnich erhielt ich diese. In einer schnellen und verständnisvollen Vereinbarung mit dem damaligen Stadtpräsidenten Kapranow wählten wir das noch bessere Wort: „Allen Toten“.

Hilfe erhielten wir von russischen Bürgern, die ich hier leider nicht alle nennen kann. Stellvertretend erwähne ich hier Natalja Ponomarjewa und ihren Ehemann Alexander, einen Offizier der Russischen Armee.

Im Südwesten unserer deutschen Bundesrepublik warb mit ungewöhnlichem Eifer der Tilsiter Landsmann Herbert Lettko für diese Arbeit – auch als Sponsor – und interessierte den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge für dies Objekt. Dadurch erfuhren wir von weit über tausend anonymen Soldatengräbern aus der Endzeit des Krieges, die jetzt ihren Platz im inneren Waldfriedhof gefunden haben. Dabei konnten noch zahlreiche Schicksale geklärt werden.

Bei der wirklich gelungenen Umgestaltung dieses Platzes durch den Volksbund wirkten im ersten Abschnitt gemeinsam Deutsche und Russen, Soldaten und Reservisten, Handwerker, Dozenten / Studenten und Schüler, Pensionäre, Beamte und Angestellte unter der Leitung von Herrn Kulpe.

Zu danken ist hier auch besonders der Stadt Sovetsk.

Nach einer plötzlichen Einstellung der Arbeiten wurde nach intensiven Kontakten und allseitigem Willen zum Weiterbau das Werk nach gemeinsamer Umplanung nunmehr vollendet.

Hierbei gilt unser Dank besonders dem Präsidenten des Volksbundes, Herrn Führer.

Der Volksbund hat seine weltumspannende, segensreiche Tätigkeit mit dem Wort überschrieben „Versöhnung über den Gräbern“ – und hier ist dies Wort nicht nur gesprochen und geschrieben, sondern miteinander gelebt worden.

An dem Miteinander – Volksbund / Stadtgemeinschaft Tilsit – hat in ganz wesentlichem Maße unser Vorstandsmitglied Alfred Rubbel mitgewirkt.

Für die einst in dieser Stadt lebenden 59000, jetzt noch 9000 in 29 Staaten der Erde lebenden Tilsiter darf ich allen Beteiligten unseren aufrichtigen und herzlichen Dank sagen.

Der „Versöhnung über den Gräbern“ fügen wir Tilsiter aufrichtig und in seiner tiefsten Bedeutung das Wort „Frieden“ hinzu.

Es ist eine schöne, eine würdige Anlage entstanden. Möge Gott sie segnen und sie heute ihre erneute Weihe erhalten.


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