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09.09.06 / Überreguliert und unfein / Österreichischer Wahlkampf bleibt eine Schlammschlacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. September 2006

Überreguliert und unfein
Österreichischer Wahlkampf bleibt eine Schlammschlacht
von R. G. Kerschhofer

Daß ein überregulierter Staat - Österreich steht da der Bundesrepublik Deutschland um nichts nach - just beim Wahlrecht Gesetzeslücken aufweist, hätte vor diesem Wahlkampf keiner gedacht. Begonnen hatte es mit dem Beschluß der Bundesregierung, den von der FPÖ beanspruchten Sitz in der Bundeswahlbehörde dem BZÖ zu geben. Was manche mit Schadenfreude quittierten, dürfte dem BZÖ aber nicht genützt und der ÖVP sogar geschadet haben. Kommentare und jüngste Umfragewerte lassen darauf schließen.

Die ÖVP zog die Notbremse: In der Bundeswahlbehörde sprach sie mit der SPÖ und den zwei vom Justizministerium entsandten Richtern der FPÖ den dritten Platz auf dem Stimmzettel zu - nicht dem BZÖ. Die Regierung hatte sich auf Gutachter des Innenministeriums gestützt, die meinten, es sei zwischen einer "Partei nach dem Parteiengesetz" und einer "Partei als wahlwerbender Gruppe" zu unterscheiden, und im zweiten Fall sei eben das BZÖ Nachfolger der FPÖ, weil die Spitze der "alten FPÖ" jetzt beim BZÖ kandidiere. Die Bundeswahlbehörde selbst entschied genau gegenteilig.

Die Wahlbehörde wird aber nicht umbesetzt, und das bringt der FPÖ auch Nachteile bei Bestellung der Beisitzer in den Wahlsprengeln. Gänzlich ignoriert bleibt, daß das BZÖ unter dem irreführenden Namen "Die Freiheitlichen" auftritt. Einer Unterlassungsklage der FPÖ wurde zwar zivilrechtlich stattgegeben, aber wegen Berufung ist das Urteil nicht rechtskräftig und wäre auch nur hinsichtlich der Wahlwerbung bindend. Auf dem Stimmzettel tritt das BZÖ trotzdem als "Die Freiheitlichen" auf! Es droht also weiterhin eine Gesamtanfechtung der Wahlen vom 1. Oktober. Die FPÖ bereitet inzwischen eine Feststellungsklage vor: Das Höchstgericht möge prüfen, inwieweit die Gutachter des Innenministeriums für die Kosten einer Wahlwiederholung haftbar sind. Das Klima zwischen ÖVP und BZÖ ist jedenfalls vergiftet - doch als Steigbügelhalter für die ÖVP wird das BZÖ so oder so zu klein sein.

Die weitverbreitete Politikverdrossenheit wird auch durch den Stil des Wahlkampfs gefördert: So etwa gibt es "Vorwürfe" gegen SPÖ-Chef Gusenbauer, er habe sich die Haare färben lassen - bei Bundeskanzler Schüssel war dies auch schon der Fall. Die SPÖ wieder läßt "Sie haben gelogen, Herr Bundeskanzler" plakatieren und inserieren. Und genußvoll wird ausgeschlachtet, daß "illegale" Altenpflege nicht nur in der Familie Schüssel vorkam, sondern auch in denen von Bundespräsident Fischer und Ex-Innenminister Einem, beide SPÖ.

Die Glaubwürdigkeit der sachpolitischen Versprechungen leidet vor allem an deren Umsetzbarkeit. Einige Beispiele: Mit wem will Schüssel die Erbschaftssteuer abschaffen, wenn SPÖ und Grüne "die Reichen" höher besteuern wollen? Mit wem wollen SPÖ und Grüne den Kauf der Eurofighter stornieren oder die Studiengebühren wieder abschaffen oder genau jene steuerlichen Maßnahmen ändern, die dem Land so große Standortvorteile brachten? Wahlarithmetisch wird sich ja außer Schwarz-Rot höchstens Schwarz-Grün ergehen, Rot-Grün aber kaum. Eine Dreier-Koalition wäre dagegen zu labil.

Immerhin ist der Libanon kein Wahlkampfthema. Verteidigungsminister Platter (ÖVP) hätte wohl gerne Truppen geschickt, doch Israel rettete die ÖVP vor einer wahltaktisch katastrophalen Entscheidung: Bei der Attacke auf einen UN-Beobachterposten - was den Abzug aller UN-Beobachter aus dem Südlibanon bewirkte - war quasi "rechtzeitig" auch ein Major des Bundesheeres getötet worden.


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