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16.09.06 / Globalisierung der Geheimnisse? / Russische Bank kauft sich bei EADS ein - Kontrollmechanismen sollen Staaten schützen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 16. September 2006

Globalisierung der Geheimnisse?
Russische Bank kauft sich bei EADS ein - Kontrollmechanismen sollen Staaten schützen
von R. G. Kerschhofer

Das Tauziehen um die Nuklear-Anlagen des Iran ist Teil des komplexeren Problems, Waffen nicht in falsche Hände gelangen zu lassen. Dabei geht es nicht nur um Massenvernichtungswaffen, sondern auch um konventionelle Waffen sowie um kritische Materialien, Maschinen und Technologien. Und es geht nicht unbedingt nur um "Schurkenstaaten" oder "Terror-Organisationen", sondern auch um manche "Freunde".

Daß sich bei der Übernahme eines Unternehmens durch ein anderes alles um Arbeitsplätze dreht oder allenfalls um den Verlust einer Prestige-Firma an das Ausland, ist bekannt. Doch eher unbeachtet bleibt, daß dabei auch Patente, Fertigungswissen und sogar ganze Forschungsabteilungen den Besitzer wechseln können. Gerade diese verborgenen, in den Bilanzen unterbewerteten Schätze sind für "Heuschrecken" nicht selten der eigentliche Anreiz. Und da drängt sich die Frage auf, ob man sich nicht auch ganz legal über die Börse bei Unternehmen einkaufen kann, um an Technologien heranzukommen. Über Milliarden an Euro verfügen bekanntlich nicht nur "Ölscheichs", sondern auch Russen und Chinesen. Aufsehen erregte ja erst kürzlich, daß sich die staatliche russische Wneschtorgbank einen 5,02-Prozent-Anteil am europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS sicherte.

Zunächst ist zu sagen, daß alle größeren Firmen Kapitalgesellschaften sind und daher Aktiengesetzen und Börsenordnungen unterliegen. Die sind zwar nicht überall gleich, doch alle dienen dem Zweck, Anleger und Gläubiger vor Machenschaften zu schützen. Aktionäre haben keinen direkten Einfluß auf die Geschäfte, sondern nur auf die Bestellung des Aufsichtsrats. Dieser bestellt die Vorstandsdirektoren und gibt ihnen generelle Anweisungen - und so haben Großaktionäre dann doch einen beträchtlichen Einfluß, der mißbraucht werden könnte. Hinsichtlich der Weitergabe kritischer Materialien, Produkte und Technologien ist dies aber belanglos, denn ungeachtet der Eigentümerstruktur unterliegen heute alle Unternehmen auch einer Reihe von nationalen und internationalen Vorschriften.

Wenngleich Spionage und Spionageabwehr, Boykotte und Schmuggel eine lange Tradition haben, entstanden komplexe Kontrollsysteme erst mit dem Kalten Krieg. Treibende Kraft waren die USA als zunächst einzige Atommacht. Die Gründung der Nato im April 1949 wurde daher im November 1949 ergänzt durch die Einrichtung von "COCOM" als Organ zur Durchführung von Boykotten gegen den Ostblock und China.

Man definierte, welche Staaten welche Produkte frei oder nur mit Einzelgenehmigung oder gar nicht beziehen durften ("COCOM"-Liste). Die Mitgliedsländer verpflichteten sich zu Kontrollmaßnahmen. Im Gegenzug waren für Lieferungen kritischer Güter an diese Länder oder zwischen ihnen keine Einzelgenehmigungen der USA mehr erforderlich, wohl aber für Exporte an Drittstaaten. Den Nato-Mitgliedern gleichgestellt wurden später auch Österreich, Schweden, Schweiz, Finnland, Irland und Neuseeland, nachdem sie sich ihrerseits zu den "COCOM"-Maßnahmen verpflichtet hatten.

"COCOM" wurde 1995 durch das "Wassenaar-Abkommen" abgelöst, das im wesentlichen die gleichen Funktionen erfüllt und dem inzwischen auch Rußland sowie die einstigen Ostblock-Länder angehören, nicht aber China und viele Staaten der Dritten Welt. Ausfuhranträge werden - wie zu Zeiten von "COCOM" - beim jeweiligen Handelsministerium eingereicht, das je nach Fall auch andere Ministerien und "Dienste" einzuschalten hat.

Besonders heikel war und ist der Umgang mit Produkten und Technologien, die zwar keine Rüstungsgüter sind, aber neben zivilem auch von militärischem Nutzen sein können ("dual-use"), darunter Entwicklungen, deren Ausmaß 1949 noch gar nicht absehbar waren wie Elektronik, Datenverarbeitung und Telekommunikation. Auch "Software" kann "dual-use" sein ebenso wie mechanische Präzisionsgeräte - etwa Zentrifugen, die sowohl in der Pharma-Industrie wie in der Nuklear-Technik eingesetzt werden.

Treibende Kraft sind weiterhin die USA. Da heute praktisch jedes Technologie-Unternehmen auch US-kontrollierte Technologien verwendet, sind innerbetriebliche Sicherheitsmaßnahmen unerläßlich, denn US-Sanktionen wären für international tätige Firmen viel verhängnisvoller als Strafen durch lokale Behörden. Verwaltungstechnisch ist in den USA das Handelsministerium für alles zuständig, was "dual-use" ist, das Außenministerium für alles, was im weitesten Sinn unter Waffen und Munition fällt, und das Finanzministerium für alles, was nationale Sicherheit betrifft und worunter auch der Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit Drogenhandel und Terrorismus zählen.

So sehen sich auch europäische Banken zuweilen gezwungen, Konten zu kündigen oder Transaktionen abzulehnen. Da Banken diskret sind, wird dies nur bekannt, wenn sich ein Unschuldiger an die Medien wendet.

An internationalen Kontrollmechanismen ist vorrangig der Atomwaffen-Sperrvertrag von 1968 zu nennen, dem die meisten Staaten inklusive Iran und Nordkorea beigetreten sind, nicht aber die Atommächte Israel, Indien und Pakistan. Nordkorea ist 2003 wieder ausgetreten, ohne mit Sanktionen belegt worden zu sein. Mit Überwachung der zivilen Atomenergie-Nutzung in den Mitgliedsländern ist die Internationale Atomenergie-Organisation in Wien beauftragt. Desweiteren gibt es die 1997 in Kraft getretene Chemiewaffen-Konvention, die von einem UN-Büro in Den Haag verwaltet wird. Und es gibt eine 1987 von den G-7-Staaten eingerichtete Arbeitsgruppe, die sich um Nichtverbreitung der Technik für Langstreckenraketen bemüht und der heute 34 Staaten angehören.

Mißbräuche lassen sich trotz allem nicht verhindern, weil es eben kein sicheres Mittel gegen Geschäftemacherei, Bestechung, Erpressung - und Überzeugungstäter gibt. "COCOM" jedenfalls kann im Rückblick als Erfolg bezeichnet werden, weil für den Ostblock der Erwerb bestimmter Waren und Technologien wesentlich verteuert wurde, was mit zum Zusammenbruch beitrug.

Wassenaar-Abkommen

Benannt nach dem niederländischen Ort, in dem es 1993 bis 1995 ausgehandelt wurde. Wie der Vorgänger "COCOM" ("COordinating COMmittee, vormals mit Sitz in Paris) definiert es kritische Geräte, Materialien und Technologien. Unterschieden werden Kriegsmaterial im engeren Sinn ("munitions list") und zivile Güter oder Technologien, die eventuell auch militärischen Zwecken dienen können ("dual-use list"). Die Listen werden laufend der technischen Entwicklung angepaßt, es werden also neue Entwicklungen aufgenommen und Überholtes freigegeben. Zur Koordination besteht ein Sekretariat in Wien, wo Mitglieder auch abgelehnte Anträge abfragen können, damit abgewiesene Antragsteller es nicht anderswo nochmals probieren.

IAEO

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) wurde 1957 von der Uno gegründet. Ihr Ziel ist die Förderung der friedlichen Nutzung von Kernenergie. Eigentlicher Anstoß war der Schock über die Zündung der ersten sowjetischen Wasserstoffbombe 1953 und die folgende Initiative von Präsident Eisenhower "Atoms for peace". Die IAEO mit Sitz in Wien ist seit dem Atomwaffen-Sperrvertrag 1968 auch mit der Inspektion von Nuklear-Anlagen in den Mitgliedsländern betraut. Dabei werden die vom Mitgliedsland gelieferten Unterlagen mit dem Zustand vor Ort verglichen. Aus den vorgefundenen Anlagen läßt sich mit großer Präzision auf die vorangegangenen Prozesse und auf allfällige Abzweigung für andere Zwecke schließen.


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