18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
16.09.06 / Eine Oase in der Millionenstadt / Das Schindler-Haus in West Hollywood ist ein Muß für jeden Architekturliebhaber - Es beeinflußte den Baustil nachhaltig

© Preußische Allgemeine Zeitung / 16. September 2006

Eine Oase in der Millionenstadt
Das Schindler-Haus in West Hollywood ist ein Muß für jeden Architekturliebhaber - Es beeinflußte den Baustil nachhaltig
von S. H. Osman

Wie eine Erholung für die Seele, so fühlt es sich an, wenn der Tourist in der Großstadt auf eine unerwartete Idylle trifft, zumal es sich um nicht irgendeine Großstadt handelt, sondern um einen Moloch wie Los Angeles mit seinen etwa 3,7 Millionen Einwohnern. Diese Zusammenballung von 80 verschiedenen Städten mit einer Ausdehnung in Ost-West-Richtung von rund 150 Kilometern hat soviel an Sehenswürdigkeiten (und -unwürdigkeiten) zu bieten, daß man sich in kurzer Zeit überfordert fühlt: Museen für Kunst aller Art, Hochhäuser in Downtown, Filmstudios, die blitzblanke Disney Hall von Frank O. Gehry, ein Wunderwerk moderner Architektur, Hollywood natürlich und Beverly Hills, das Viertel der Gutbetuchten, Farmers Market, ein Dorf mitten in der Stadt mit der Möglichkeit, Köstlichkeiten aus aller Herren Ländern an Ort und Stelle zu genießen ... Nach all dem Trubel in der Metropole, nach den Blechlawinen, die sich rund um Los Angeles zu jeder Tages- und Nachtzeit sechsspurig in jede Himmelsrichtung schieben, war die Ruhe in West Hollywood geradezu mit den Händen zu greifen. Ein zauberhaft grüner und natürlich gepflegter Ort, an dem es auch ein Europäer durchaus aushalten kann. Unweit der Melrose Avenue befindet sich die North Kings Road. Dort, wo es kleine Villen und grüne Vorgärten gibt, wo alles ein wenig individuell gestaltet ist, ist unter der Hausnummer 835, versteckt zwischen hohen Hecken, ein Gebäude zu finden, das in das "National Register of Historic Places" aufgenommen wurde: das sogenannte Schindler-Haus. Erbaut wurde der Bungalow 1921 / 22 von Rudolph Michael Schindler (1887-1953), der heute zu den einflußreichsten Architekten seiner Zeit zählt. Das Wohnhaus des Architekten, der aus Wien stammte und 1914 nach Amerika ging, gilt als Prototyp des einstöckigen Hauses, das nach dem Zweiten Weltkrieg überall in Süd-Kalifornien errichtet wurde. Schindler hatte 1926 in einem Artikel sein Credo zur neuen Architektur beschrieben: "Die Räume werden ebenerdig sein und der Garten wird integraler Bestandteil des Hauses. Der Unterschied zwischen Innen und Außen wird aufgelöst. Wände wird es nur wenige geben, sie werden dünn und entfernbar sein. Alle Räume sind Bestandteil eines organischen Ganzen, anstelle kleiner abgetrennter Kästen mit Guck-löchern."

Das Schindler-Haus in West Hollywood war für zwei Familien gedacht; es enthält getrennte, doch gleichwertige Wohnbereiche, aber eine gemeinsame Küche. Das Flachdach ist begehbar und in heißen Sommermonaten auch als Schlafgelegenheit zu nutzen. Zunächst wohnten Schindler mit seiner Frau Pauline sowie Clyde und Marian Chace dort. Von 1925 bis 1930 bezogen der Architekt Richard Neutra und dessen Frau Dioneder die zweite Hälfte. Neutra und Schindler kannten sich noch aus Wien, wo beide Schüler von Otto Wagner und Adolf Loos waren. Sie gründeten die "Architectural Group for Industrie and Commerce", trennten sich 1930 jedoch wieder.

Schindler baute in und um Los Angeles eine Reihe stattlicher Privathäuser. Etwa 330 Projekte bearbeitete er, rund 150 davon wurden ausgeführt. Zu den beeindruckendsten Zeugnissen seines Schaffens zählen Architekturkritiker das Strandhaus, das Schindler 1924 / 25 für den Arzt Dr. Philip Lovell in Newport Beach schuf. Auch auf der beliebten Ferieninsel der Angelenos, Catalina Island, findet sich im Hauptort Avalon ein Beispiel seines Schaffens (Haus Wolfe in der Stage Road). Das Apartementgebäude Mackey in Los Angeles aus den Jahren 1939 / 40 wurde erst im Mai dieses Jahres nach der Restaurierung wieder eröffnet. Dort in der South Cochran Avenue bringt das "Museum für angewandte Kunst" in Wien (MAK), das seit 1995 auch am Erhalt des Schindler-Hauses beteiligt ist, Künstler und Architekten unter, die ein sechsmonatiges Stipendium gewonnen haben.

Das Haus in der North Kings Road, das in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Treffpunkt für Künstler und Architekten war, führt heute ein Dornröschen-Dasein, nur wenige Architekturliebhaber finden den Weg dorthin. Schade. Denn in dieser beschaulichen Gegend kann man das andere Amerika entdecken, so faszinierend der Trubel nur einige hundert Meter weiter auf dem Sunset Strip auch sein mag.

Das Schindler-Haus, 835 North Kings Road, West Hollywood, ist mittwochs bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren