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16.09.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 16. September 2006

Im Glanze des Kometen / Ganz Berlin macht leise Pläne für die Zeit nach Merkel - Thierse macht sich Sorgen ums linke Prügelprivileg
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Kennen Sie den schon? "Kommt 'ne Große Koalition und bleibt vier Jahre! Huahuahua!" Na gut, na gut ... aber mal ehrlich: Die in Berlin scheinen sich jeden Tag fester in einander zu verheddern. Wenn das so weitergeht, werden sie den Knoten nur noch mit langen, scharfen Messern lösen können. Bei solchen Operationen bleiben immer welche auf der Strecke.

Als erste wohl die Kanzlerin. Anfang des Jahres bejubelten die Medien noch den "kometenhaften Aufstieg" von Angela Merkel zum Liebling der Deutschen. Das Bild barg eine teuflische Wahrheit. Kometen steigen nicht auf, sie sausen erst Ewigkeiten durchs Dunkle. Die kleinen unter ihnen verglühen dann spektakulär als Sternschnuppen, sobald die Luft dicker wird. Dabei darf sich jeder was wünschen.

Die Berliner Luft ist dieser Tage zum Umrühren, Komet Merkel leuchtet schon ziemlich hell, das Wünschen kann also beginnen. Christian Wulff und Roland Koch wissen seit langem, was sie sich erträumen - Merkels Posten natürlich. Aber Sternschnuppenwünsche muß man für sich behalten, sonst gehen sie nicht in Erfüllung, sagt die alte Weisheit. Daher schweigen Koch und Wulff beharrlich über das, was ihnen dennoch alle an der Nasenspitze ansehen.

Das heißt nicht, daß die beiden bloß rumsitzen und abwarten, bis Merkel von selbst verdampft ist. Ein bißchen nachhelfen beim Absturz der Rivalin wollen sie doch schon. Seit SPD-Struck das Schicksal der Großen Koalition an jenes der Gesundheitsreform gekettet hat, wissen sie, wo sie zustechen müssen.

Zusammen mit Baden-Württembergs Günther Oettinger und Bayerns Edmund Stoiber haben der Hesse und der Niedersachse ihre Schwertspitzen zielgenau auf die empfindlichste Stelle von Koalition und Kanzlerin gerichtet: Wenn die Bundesregierung versuchen sollte, die "Eckpunkte" der Gesundheitsreform "eins zu eins" umzusetzen, wollen sie den ganzen Kram im Bundesrat auflaufen lassen.

Oettinger macht da mit, weil er als Marktwirtschaftler eine hübsche Figur machen will. Und Stoiber ist sowieso dabei, da er der Kanzlerin grollt, weil sie wurde, was er knapp verpaßt hat und weil der Bayer während der Besetzungswehen des Kabinetts Merkel die lächerlichste Vorstellung seines politischen Lebens hinlegte - dieses wochenlange Hin- und Herwabbeln, ob er nun als Minister nach Berlin gehen wolle oder nicht, hätte ihn fast Kopf und Kragen gekostet.

Für Merkel wächst sich die Reformkiste zum Albtraum aus. Irgend etwas mußte geschehen. Als Profi weiß sie, was der Politiker als erstes macht, wenn er nicht weiterkommt: Eine Kommission gründen. Aber die gab es schon, also blieb nur: Verschieben. Demanch soll das Gesetz statt am 1. Januar 2007 erst am 1. April in Kraft treten. Das neue Datum lädt zum nächsten blöden Witz ein. Aber den schenken wir uns.

Als ob das alles nicht genug wäre, rollt zusätzliches Ungemach aufs Kanzleramt zu. Es geht zu wie im richtigen Leben: Die dicksten Rechnungen flattern stets an dem Monat ins Haus, in dem man gerade besonders pleite ist.

Die Außenpolitik war für Angela Merkel bislang eine richtige Frischzellenkur gewesen. Alle mochten sie, alle lobten sie und ihre netten Reden von der "Verantwortung, die Deutschland zu übernehmen bereit ist", kamen ausgezeichnet an. Außer der Tätschel-Attacke von George Bush (wir berichteten indigniert) war alles eitel Wonne.

Wie konnte Angela Merkel damals ahnen, daß aus ihren schönen Worten Forderungen erwachsen, denen sie nachkommen muß? So kam es aber, doch weder Merkel noch ihr Verteidigungsminister Jung waren auf den Ernst des außenpolitischen Lebens vorbereitet, wie wir bereits dunkel geahnt hatten.

Mitten im Gesundheitskuddelmuddel gerät nun der Libanon-Ausflug der Marine zum Brüller der Saison und in Afghanistan hält man Berlin gar für feige, weil es keine Soldaten in den Süden des Landes schicken wollte. Um den schmerzhaften Vorwurf zu entkräften, möchte die Bundesregierung statt der geforderten 2000 Mann wenigstens ein paar Hubschrauber für etwaige Evakuierungsmaßnahmen ins heißeste Kampfgebiet schicken. Berlin hofft, daß die anderen dann nicht mehr böse sind. So macht man Blamagen komplett.

Die SPD spürt die Schlagseite der Koalition und spinnt feine Bande zur FDP. Parteichef Kurt Beck hat sie bei sich in Mainz ja bereits im Boot und meint ganz gut mit den Liberalen zu fahren. Nähme man im Bund noch die Grünen dazu, wären die Sozis wieder Herr im Hause.

Enttäuschend ist allerdings, daß der Parteienringelpietz beim Wahlvolk kaum noch Spannung erzeugt. In Mecklenburg-Vorpommern wollen einer Umfrage zufolge nur 37 Prozent zur Wahl gehen, ein gutes Drittel.

Mehr als mager, denkt sich auch Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse und hat die Idee: Dramatisieren müßte man ein bißchen. Aber womit? Für Thierse schnell beantwortet, er hat nur ein Thema: Nazis.

Er war ja auch Mitinitiator des Holocaust-Mahnmals und hält es jetzt für möglich, "daß wir uns Verhältnissen wie in der Weimarer Republik nähern". Du liebe Zeit! Was passiert ist? Einige Rechtsextreme sollen linke und CDU-Wahlkämpfer angepöbelt, einmal sogar richtig angegriffen haben.

Thierse ist wirklich schockiert und sieht in dem Übergriff keineswegs bloß ein interessantes Wahlkampfthema. Und er hat recht: Seit rund 40 Jahren gilt doch, daß allein linke Rollkommandos pöbeln und prügeln dürfen! Diese Ordnung war längst Bestandteil unserer "gelebten Demokratie".

Der linke Widerstand richtet sich wahlweise gegen "Faschos" oder Polizisten. "Fascho" ist alles, was den Linken nicht links genug vorkommt. Bei ihrem physischen Engagement werden die "zunächst friedlichen Demonstranten" allerdings immer wieder Opfer entsetzlicher Polizeigewalt, nur weil es ihr Widerstand erforderte, ein paar Straßen zu verwüsten, Steine zu werfen oder eben Polizisten und "Faschos" zu vermöbeln. So jetzt wieder in Hamburg: Nachdem "Jugendliche" (so die Presse) aus der linken Szene wie jedes Jahr einen kleinen Bürgerkrieg aufgezogen hatten, setzten Beamte einem Festgenommenen bis zu 25 Minuten lang eine "Sichtschutzbrille" auf, woraufhin dieser die ganze Zeit hindurch die mit viel Hingabe errichteten und fachmännisch angezündeten Barrikaden nicht mehr sehen konnte.

Das "Dezernat Interne Ermittlungen" der Polizei hat umgehend eine gründliche Untersuchung eingeleitet. Die Hamburger Grünen wollen laut "Frankfurter Rundschau" per Senatsanfrage klären lassen, ob es sich bei dem Polizeiübergriff um eine "Menschenrechtsverletzung" handelt.

So sind wir es gewohnt, das ist lebendige, kritische Demokratie. Und jetzt meinen die vom rechten Rand, sie könnten so mir nichts, dir nichts nachmachen, was ihre linken Kumpane vorgemacht haben? "Das hat es so in den vergangenen Jahrzehnten nicht gegeben", stellt Thierse korrekt fest und fordert ein energisches Durchgreifen der Polizei.

Wenn das so einfach wäre. Extremismus-Experten weisen darauf hin, daß die Rechtsextremen im äußeren Erscheinungsbild den Linksextremen immer ähnlicher geworden seien. Der gewöhnliche Polizeibeamte kann aus der Entfernung kaum noch erkennen, ob es sich bei dem jungen Mann, der soeben jemanden verprügelt hat, um einen Links- oder Rechtschaoten handelt.

Nehmen wir an, er hält einen Linken für einen Rechten und geht "energisch" vor. Dann hat er die "Interne Ermittlung" am Hals. Doch hält er einen Rechten fälschlich für einen Linken und setzt ihm bloß eine Brille auf, wäscht Thierse ihm mit "Weimar" den Kopf. Der Polizeiberuf wird immer interessanter für Leute, die wirklich was erleben wollen, vor allem nach dem Einsatz.


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