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23.09.06 / "Zeichen für positive Änderungen" / Erstmals fand das Hauptkreistreffen der Kreisgemeinschaft Osterode in der Heimat statt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 23. September 2006

"Zeichen für positive Änderungen"
Erstmals fand das Hauptkreistreffen der Kreisgemeinschaft Osterode in der Heimat statt

Zum ersten Mal fand ein Hauptkreistreffen der Kreisgemeinschaft Osterode im Heimatkreis statt. Mehr als 500 Ostpreußen und Gäste nahmen diesen Monat an dem Treffen teil. Es wurde eröffnet mit Besichtigungsmöglichkeiten des Museums im wiederaufgebauten Ordensschloß und des Deutschen Hauses in Osterode sowie mit einem abendlichen Treffen der Ostpreußen in Buchwalde.

Am nächsten Morgen fanden in der restlos überfüllten wiederaufgebauten Kirche in Marienfelde im Kreis Osterode ein ökumenischer Gottesdienst und die Einweihung einer Gedenktafel für die früheren Bewohner von Stadt und Landkreis Osterode statt. Bewohner eines in der Nähe gelegenen Heimes für pflegebedürftige Menschen haben die wunderbar in der ostpreußischen Landschaft gelegene Kirche unter Lohnverzicht wiederaufgebaut. Die Materialkosten wurden aus Spenden und von der Kreisgemeinschaft finanziert. Der Wiederaufbau der aus dem Mittelalter stammenden Kirche aus Feldsteinen mit der zweitältesten Glocke Ostpreußens ist mit der Inneneinrichtung hervorragend gelungen. "In dieser Kirche", so der Kreisvertreter in seiner Ansprache, "versammelten sich die früheren Einwohner der Gemeinde Marienfelde, um Gott zu bitten und ihn zu preisen, hier wurden sie getauft, seit Annahme des evangelischen Glaubens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch konfirmiert, hier schlossen die Ehepaare den Bund fürs Leben, und hier wurden sie am Ende ihres Lebens mit einem Trauergottesdienst aus dieser Welt verabschiedet und auf dem Friedhof an dieser Kirche beigesetzt." Nach 1945 gab es in Marienfelde so gut wie keine evangelischen Christen mehr. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts brach die verwaiste Kirche zusammen. Jetzt ist sie wiedererstanden. Den beeindruckenden Gottesdienst gestalteten - gemeinsam mit dem Bischof der evangelisch-methodistischen Kirche in Polen - Pastoren verschiedener Konfessionen. Er war auch ein Zeugnis für die fortgesetzte Verständigung zwischen Polen und Deutschen. Die Kirche soll künftig für die früheren Bewohner des Kreises Osterode ein Ort des Gedenkens und nach den bestehenden Planungen auch ein ökumenisches Jugendzentrum sein.

Nach der Feier in Marienfelde fand in Osterode die alljährliche Mitgliederversammlung der Kreisgemeinschaft statt. Abschließend verlieh die Versammlung dem Ostpreußen Max Duscha in Anerkennung seiner Treue zur Heimat und seines verdienstvollen Wirkens für die Kreisgemeinschaft die Ehrenmitgliedschaft.

Am nächsten Tag fand das Hauptkreistreffen in der großen Halle des Sportzentrums in Osterode statt. Die Halle mit ihren über 500 Sitzplätzen war voll besetzt. Schilder auf den Tischen luden zum Zusammentreffen von Ortsgemeinschaften ein. Die lebhaften Gespräche der Landsleute, die von weither angereist waren, auch aus Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika, wurden durch Auftritte von Gesangsgruppen, Vorführungen historischer Tänze und kurzen Redebeiträgen unterbrochen. Viele Ostpreußen schilderten ihren oft beeindruckenden Lebensweg in den mehr als 60 Jahren seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Erschütternde Schicksale führten zur Anteilnahme und stärkten die Überzeugung, daß sich Flucht und Vertreibung niemals wiederholen dürfen.

Am dritten und letzten Tag des Treffens, einem Sonntag, fanden sich die Teilnehmer und Gäste, darunter viele Repräsentanten des öffentlichen Lebens im Kreis Osterode, in der evangelischen Stadtkirche zu einem ökumenischen Gottesdienst mit anschließender Feierstunde ein. Bischof Kaminski aus Warschau leitete den Gottesdienst mit Unterstützung durch weitere Pastoren evangelischer Konfessionen und hielt die Festpredigt. Er schloß mit den Worten "Liebe Freunde, ich freue mich, daß Euer Zusammentreffen diesmal in Osterode stattfindet. Es ist ein Zeichen für positive Änderungen zwischen den Polen und den Deutschen. Es ist ein Zeichen, daß man menschliche Beziehungen auf der Grundlage von Freundschaft und Liebe schaffen kann. Eines weiß ich, daß die Geschichte nicht zu ändern ist. Man kann sie aber heilen. Eure Anwesenheit beweist das. Verbleibe Gott mit euch. Nehmt jetzt den Wunsch des Friedens an: Und Gottes Frieden, der den menschlichen Verstand überschreitet, soll unsere Herzen erfüllen." Wie in Marienfelde war auch dieser Gottesdienst, der in die Feierstunde überleitete, beeindruckend.

Das Geläut der Kirchenglocken und der Choral "Lobe den Herren" eröffneten die Feierstunde. Es folgte die Totenehrung. Nach einem Auftritt des Osteroder Schloßchores sprachen der Osteroder Landrat Gawryluk, und die Bürgermeister von Osterode Ostpreußen, Nosewicz, und der Patenstadt Osterode am Harz, Becker, Grußworte. Bürgermeister Nosewicz sagte unter anderem: "Hier in Ihrem Beisein ergreift mich das Gefühl, als ob ich in einer großen Familie wäre. Für viele von uns, auch für mich, ist die schöne Stadt am Drewenzsee der Geburtsort, der Ort der sorglosen Kindheit, der Schule, der ersten Freundschaften, der ersten Liebe. Hier kamen unsere Kinder zur Welt, hier in dieser Erde fanden unsere gestorbenen Eltern und Großeltern, unsere Vorfahren, ihre Ruhe. Ins Gedächtnis werden auch dramatische Ereignisse zurückgerufen, denn die Geschichte hat niemanden von uns verschont." Er sagte weiter: "Dort wo es möglich sein wird, wollen wir die in der Kriegszeit und im Laufe der Zeit verlorene Schönheit der Straßen unserer Stadt wiederherstellen. Ähnlich handeln meine Partner, Bürgermeister und Vorsteher der Nachbargemeinden. Heute können wir das verwirklichen, denn die grausame Vergangenheit liegt hinter uns, und die bestehenden Verhältnisse sind für uns günstig. Als Organisation der ehemaligen Einwohner des Osterode-Kreises leisten Sie uns eine große Hilfe."

Unterstrichen wurde insgesamt die gewachsene Verbindung zwischen den Kommunalverwaltungen und der Kreisgemeinschaft. Eine aus Zeitgründen gekürzte Ansprache des Kreisvertreters, das Osteroder Lied und das Ostpreußenlied schlossen sich an, bevor die Feierstunde mit der Europahymne und dem Choral "Nun danket alle Gott" endete.

Am Nachmittag trafen sich die Ostpreußen zum Abschluß dieses allen in Erinnerung bleibenden Hauptkreistreffens noch zu einem Zusammensein in Buchwalde bei Osterode. Dankbar für die Tage der Begegnung mit ihrer Heimat traten die Teilnehmer die Heimreise an. (D. G.)


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