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30.09.06 / Kaczynski setzt Widersacher Lepper vor die Tür / Polnische Regierung ohne parlamentarische Mehrheit - Neuwahlen im November möglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. September 2006

Kaczynski setzt Widersacher Lepper vor die Tür
Polnische Regierung ohne parlamentarische Mehrheit - Neuwahlen im November möglich
von Klaus D. Voss

Die Beziehungen Polens zu seinen Nachbarn stehen möglicherweise vor einer neuen Belastungsprobe - mit der Entlassung des Vizepremiers Andrzej Lepper aus dem Kabinett von Jaroslaw Kaczynski ist Warschau in die dritte schwere Regierungskrise in nur elf Monaten geraten. Innenpolitische Krisen hatte das Kabinett Kaczynski bisher immer mit populistischen Vorstößen kompensieren wollen; jetzt ist die Lage besonders ernst. Auch der zweite Koalitionspartner "Liga Polnischer Familien" verweigert in Kernfragen Kaczynski die Gefolgschaft. Falls der Ministerpräsident nicht die Duldung seiner Minderheitsregierung erreichen kann, steuert das Land auf Parlaments-Neuwahlen zu - kurz nach den Kommunalwahlen am 12. November.

Das letzte Gespräch zwischen dem Ministerpräsidenten und seinem Stellvertreter Lepper war alles andere als sachlich verlaufen: "Wir werden kein ferkelhaftes Benehmen dulden", hatte sich Jaroslaw Kaczynski vor der polnischen Presse beschwert - um sich tags darauf für seinen barschen Ton zu entschuldigen. Doch Lepper hatte schon lange vor dem dramatischen Abgang aus der Regierung seinen Ruf als Politrabauke weg.

Zuletzt wollte Lepper den Haushalt für 2007 nur unter der Bedingung mittragen, daß die von ihm vertretenen Landwirte - entgegen den EU-Regeln - höhere Hilfen und Lehrer, Polizisten und andere niedrig bezahlte Staatsdiener deutliche Gehaltszuschläge erhalten sollten. Das gab den Ausschlag, die Gründe für den Koalitionsbruch liegen aber tiefer.

In den vergangenen Monaten hatte die konservativ-nationalistische Koalition aus der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) der Brüder Kaczynski, der Partei "Selbstverteidigung" von Lepper und der "Liga Polnischer Familien" unter Roman Giertych mit teils scharfen außenpolitischen Angriffen den Stillstand bei der Bewältigung innenpolitischer Aufgaben überspielen wollen. Kaczynskis Regierung hatte den Vertretern der deutschen Volksgruppe in Polen mit Nachteilen gedroht, zugleich die Vereinbarungen zur Versöhnung beider Völker in Frage gestellt - damit konnte er in polnisch-nationalistischen Kreisen auf Zustimmung bauen.

Lepper und Giertych hatten sich ein anderes Ziel gesucht, sie hatten sich gesperrt, auf den Hilferuf der in Afghanistan stationierten Truppen unter Nato-Kommando überhaupt zu reagieren. Kaczynski und sein Verteidigungsminister Radoslaw "Radek" Sikorski hingegen hatten zugesagt, wegen der schweren Kämpfe im Süden Afghanistans das 120 Mann starke polnische Kontingent um 1000 Soldaten aufzustocken.

Der bisherige Vizepremier und Landwirtschaftsminister Lepper hatte auch bei jeder Gelegenheit das polnische Streitkräfte-Engagement im Irak in Frage gestellt und dabei auf Zustimmung wegen der wachsenden amerikakritischen Haltung der polnischen Bevölkerung spekuliert.

Sikorski hingegen setzt voll auf die Unterstützung durch Briten und Amerikaner - er fürchtet die wachsende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rußland wie kaum etwas auf der Welt. Den Plan, eine Erdgas-Pipeline durch die Ostsee an Polen vorbei zu bauen, hatte er mit dem "Hitler-Stalin-Pakt" verglichen. Jetzt will er die USA dazu bewegen, doch noch Stützpunkte an der Grenze zu Weißrußland aufzubauen - weil er in den russischen Aktivitäten dort eine große Gefahr sieht. "Es würde unseren gemeinsamen Operationen und Expeditionen dienen", erklärte Sikorski der amerikanischen Militärzeitung "Stars and Stripes". Die Militärbasen seien "ökonomisch und strategisch wertvoll". Doch das Pentagon hat sich anders entschieden, für Stützpunkte in Bulgarien und Rumänien. Ein hoher Beamter des US-Verteidigungsministeriums, dessen Namen "Stars and Stripes" nicht nennen durfte, wurde deutlich: "Jedesmal, wenn wir mit Polen etwas machen wollten, hielten die die Hand auf." Trotz der großzügigen Beiträge und der hohen Kredite zum Kauf militärischer Ausrüstung "haben die fortwährend immer mehr Geld verlangt". Der Beamte weiter: "Ehrlich gesagt beginnen wir die Geduld mit dem polnischen Verteidigungsministerium zu verlieren."


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