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30.09.06 / Haut, Knochen und Prada / Wer schlank ist, dem steht die Welt offen - oder: der Wahn vom idealen Menschentyp

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. September 2006

Haut, Knochen und Prada
Wer schlank ist, dem steht die Welt offen - oder: der Wahn vom idealen Menschentyp
von Rebecca Bellano

Ein Apfel, (52 Kalorien pro 100 Gramm), ein entrahmter Joghurt (38 Kalorien pro 100 Gramm) und ein Saltatteller mit Baguettebrot (112 Kalorien pro 100 Gramm) - Wer glaubt, daß so oder so ähnlich der tägliche Speiseplan eines Models aussieht, der hat den derzeitigen Schlankheitswahn unterschätzt. Watte in Orangensaft getunkt und Abführmittel stehen statt dessen auf der Nahrungsmittelliste der Damen auf den internationalen Laufstegen. Dazu mehrere Stunden Sport täglich.

Nach dem Ausschluß von sogenannten Mager-Models in den Modenschauen von Madrid, London und Mailand ist der schon seit einigen Jahren anhaltende Schlankheitswahn in die Kritik geraten. Und auch wenn Modemacher wie Karl Lagerfeld auf ihre kreative Freiheit beharren, betonen, daß eine schmale Modelinie eben nur an "superschlanken Models" gut aussehe, so ist zumindest die Debatte eröffnet. Denn was die Modemacher als künstlerische Freiheit schönreden, verlangt den Models die Vergewaltigung ihres Körpers ab.

Aber nicht nur die Models bestehen derzeit fast nur aus Haut, Knochen und Haaren, auch die internationalen Stars aus der Film- und Musikbranche sind ähnlich dürr. Häufig stellen ihre Silikonbrüste ihre einzigen Rundungen dar. Daß dies für den Körper der Betroffenen - es handelt sich fast ausschließlich um Frauen - nicht gesund sein kann, steht außer Frage, doch warum lassen sich diese darauf ein? Warum eifern junge Mädchen weltweit diesen berühmten Knochengerüsten nach und ruinieren damit ihre Gesundheit?

Wer glaubt, daß nur die Modemacher und Medien schuld sind, der irrt. Sie verstärken nur ein Phänomen, das schon im kleinen Umfeld existiert. Der Drang nach Anerkennung hat schon vor Hunderten von Jahren Menschen veranlaßt, dem in ihrer Gruppe beziehungsweise Gesellschaftsschicht gültigen Ideal nachzueifern - und so ist es auch heute. In einer Gesellschaft, in der größtenteils 14jährige Kinder auf erwachsen getrimmt den Frauen weltweit die Mode vorführen, die diese mit ihrem ausgewachsenen weiblichen Körpern tragen sollen, wenn sie wollen, daß man sie bewundert und bestaunt, bleibt nur die Diät als Dauerzustand. Film, Fernsehen, Zeitschriften, Hochglanzmagazine und Musikcover geben vor, wie Frau und auch Mann aussehen sollte, um attraktiv und begehrt zu sein - und wer will nicht attraktiv und begehrt sein? Gerade junge Frauen streben nach Anerkennung. Sie spielen in ihren Schulklassen das nach, was sie am Nachmittag zuvor in einem Stylingmagazin gelesen haben. Wird da eine beliebte Schauspielerin gelobt, daß sie schlanker geworden ist, dann wird auch ausdiskutiert, wie man am besten zwei, fünf oder 15 Kilogramm abnehmen kann, um dem Idol näher zu kommen.

Gerade in einer Gesellschaft, in der innere Werte abgeschafft wurden, sind Äußerlichkeiten elementar. Also dreht es sich keineswegs nur in Hollywood darum, wie man aussieht. Auch in Rheda-Wiedenbrück ist es wichtig, schlank zu sein. Da ist es auch völlig egal, daß in der Realität die meisten Menschen immer dicker statt dünner werden, für die Welt des Glitzer und Glamour in Hollywood und deren Billig-Kopie der jungen Mädchen in Rheda-Wiedenbrück zählt die Realität nicht, denn von der wollen sie sich ja abheben. Besser sein als die Normalen, anders sein als der Durchschnitt, so das Motto.

Die Medien und das persönliche Umfeld in Rheda-Wiedenbrück bestärken auch noch den Schlankheitswahn, denn sogar wenn er kritisiert wird, so erlangt man doch Aufmerksamkeit, ob nun von den Journalisten, Filmproduzenten und Modemachern im einen Fall oder den Klassenkameraden, Eltern und dem potentiellen neuen Freund im anderen.

Der derzeitige Schlankheitswahn - früher waren es schlanke Taille, übernormal große Brüste oder stark ausgeprägte weibliche Rundungen - aktiviert also nur einen natürlichen Mechanismus, der auf dem Drang nach Anerkennung basiert beziehungsweise bei manchen auch auf dem Gegenteil. Am besten sich auflösen, bloß nicht man selber sein. Außerdem ist es angenehmer, sich immer über Essen Gedanken zu machen, als über wirkliche Probleme. Die Frage dach der Menge der zu sich genommenen Kalorien läßt sich leichter lösen als die Fragen nach dem Sinn des Lebens, warum gerade die eigene Mutter einen nicht so liebt, wie man es gern hätte, oder eine beliebte Klassenkameradin einen nicht zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen hat.

Der Schlankheitswahn ist also sogar im Sinne vieler Mädchen, da es leichter ist, sich dünn zu hungern als sich weibliche Rundungen anzuschaffen. Silikon und Co. sind zudem teurer. Und so hungern sich Stars und junge Mädchen aus dem normalen Leben angebliche Fettröllchen ab, zählen ihre Kalorienzufuhr durch Essen und -verbrauch durch intensiven Sport, geraten in Panik, wenn sie ein vermeitliches Pölsterchen entdecken, und hoffen, so ihren Marktwert zu steigern.

Doch warum machen dann nicht alle Menschen diesen Wahnsinn mit, warum gibt es sogar viel mehr Fette als Dürre, wenn es doch heißt, daß wer fett ist, eine eklige, graue Maus sei? Die Antwort findet sich in der Psyche, dem Selbstbewußtsein und erstaunlicherweise in der Disziplin. Es ist viel einfacher sich Frustfett anzufressen, wenn man mit sich und der Welt unzufrieden ist, als trotz Hungergefühl nur einen halben Apfel pro Tag zu sich zu nehmen und trotz begleitendem Schwindel und Übelkeit noch Stunden lang Sport zu treiben.

Ist die Tatsache, daß die maßgeblichen Modenschauen in Madrid, London und Mailand magere Models nicht mehr auf den Laufsteg lassen und teilweise sogar ab 2007 ärztliche Atteste verlangen, ein Zeichen dafür, daß sich der Trend wendet und es ein Zurück zu weiblicheren Formen gibt? Viele Modemacher stellen sich quer, betonen, daß es schon immer dürre Models gab, schließlich sieht man auf dem Laufsteg dicker aus als normal. Viele Männer des Alltagslebens hingegen würde es freuen, die stehen nämlich, wie zahlreiche Umfragen, Untersuchungen und abfällige Bemerkungen über Knochengerüste beweisen, eher auf weibliche Rundungen bei ihrer Partnerin.

 

Zeitzeugen

Rubens fette Frauen - Die von dem 1557 geborenen flämischen Maler Peter Paul Rubens gemalten Damen verfügen allesamt über extrem weibliche Rundungen, die schon zur Fettleibigkeit übergehen. Doch trotz oder gerade wegen ihrer Pausbäckigkeit und mehr haben sie eine erotische Ausstrahlung und entsprechen einem Schönheitsideal.

Twiggy - Die 1949 in einem Londoner Vorort geborene Leslie Hornby wurde das Gesicht der 60er Jahre. Bereits im Alter von 16 Jahren erlangte sie dank ihrer spindeldürren Figur international Aufmerksamkeit. Ihr kurzer Bubikopf und ihre elfenähnliche Figur machten sie zur Stilikone einer ganzen Generation. Die dürre Twiggy setzte Maßstäbe in der Modelbranche, die bis heute gelten.

Kate Moss - Auch dieses britische Fotomodel ist vor allem wegen seines schlanken Typs hochgradig gefragt. Schon als 14jährige wurde die heute auf ein Jahreseinkommen von 30 Millionen Euro geschätzte 32jährige entdeckt. Trotz Alkohol- und Kokainmißbrauch buchen die Modeschöpfer das magere, zerbrechliche Wesen immer wieder für ihre Schauen. Und obwohl Kate Moss beruflich gut im Geschäft ist, sorgt ihr skandalöses Privatleben für noch mehr Medienrummel.

Marilyn Monroe - Die 1926 als Norma Jean Baker geborene US-Schauspielerin war das Sexsymbol der 40er und 50er Jahre. Schon als 17jährige begann die weiblich sehr gerundete Amerikanerin als Model zu arbeiten. In den 50er Jahren startete sie dann als Schauspielerin durch. Erst erhielt sie nur Nebenrollen, doch nachdem ihr komischen Talents entdeckt worden war, erhielt sie Angebote für Filme, die heute zu den Klassikern zählen.

Sophia Loren - Schon als Sofia Villani Scicolone noch ein Kind war, entdeckte ihre Mutter, daß man aus der Schönheit ihrer wohlproportonierten Tochter Kapital schlagen könnte. Ende der 40 Jahre gewann die 1934 Geborene zahlreiche Misswettbewerbe. Bei einem Wettbewerb lernte die italienische Schauspielerin den Filmregissieur und späteren Ehe-Mann Carlo Ponti kennen, der den Marktwert des Sexsymbols schnell erkannte und ihr zu Ruhm verhalf.


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