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30.09.06 / "Wer schön sein will, muß leiden" / Gesundheitsschädliche Schönheitsideale und Idole gab es auch schon früher

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. September 2006

"Wer schön sein will, muß leiden"
Gesundheitsschädliche Schönheitsideale und Idole gab es auch schon früher

Wer schön sein will muß leiden", sagt der Volksmund. Die Eitelkeit scheint dem Menschen eigen zu sein, und sofern sie dazu dient, potentielle Paarungspartner anzulocken, ist sie sogar dem Fortbestand der Gattung dienlich. Ähnlich alt wie das Bedürfnis, schön zu sein, scheint die Bereitschaft, hierfür auch gesundheitlich Opfer zu bringen.

Doch was ist schön? Einige Eigenschaften, die gemeinhin mehr oder weniger als schön oder zumindest attraktiv gelten, scheinen der Fortpflanzung und der Aufzucht des Nachwuchses förderlich. Hier wären wir durch unseren Instinkt, durch unseren Fortpflanzungstrieb geleitet. Unser Schönheitsideal muß darüber hinaus aber zumindest zum Teil kulturell bestimmt sein, denn sonst wäre es nicht erklärbar, daß gegensätzliche Eigenschaften zu jeweils unterschiedlichen Zeiten als schön galten. Bei diesen kulturell geprägten Schönheitsvorstellungen gibt es in der Menschheitsentwicklung immer wieder Degenerationserscheinungen, sprich Ideale, denen nachzueifern gesundheitsschädlich ist. Man denke nur an die verkrüppelten kleinen Füße der Chinesinnen oder die geschnürten Wespentaillen der Europäerinnen.

Wenn derartigen Schönheitsidealen nachgejagt wird, dann liegt das nicht zuletzt auch daran, daß Idole ihnen entsprechen. Bei den Idolen ist es wie bei den Schönheitsidealen: Auch hier gab es auch schon früher gesundheitsschädliche. Man denke nur an den jugendlichen Titelhelden in Goethes Erfolgsroman "Die Leiden des jungen Werther". Wie viele junge Menschen haben sich im "Werther-Fieber", gekleidet nach dem Vorbild Werthers oder Goethes Roman in der Hand, wie Werther selbst entleibt? Analog zu den Mager-Models wurde auch hinsichtlich Goethes Roman die Forderung nach einem Verbot laut. Und ähnlich zynisch, wie seitens der Mager-Models die Schuld den Müttern der Magersüchtigen zugeschoben wird, reagierte auch Goethe auf die Kritik: "Und nun wollt Ihr einen Schriftsteller zur Rechenschaft ziehen und ein Werk verdammen, das, durch einige beschränkte Geister falsch aufgefaßt, die Welt höchstens von einem Dutzend Dummköpfen und Taugenichtsen befreit hat, die gar nichts besseres tun konnten, als den schwachen Rest ihres bißchen Lichtes vollends auszublasen."

Oder denken wir an das letzte Jahrhundert. Wie viele junge Menschen haben während der beiden Weltkriege wie die von der Propaganda herausgestellten schneidigen Kriegshelden insbesondere der Luft- und U-Boot-Waffe sein wollen, sich deshalb als Kriegsfreiwillige gemeldet und diesen Schritt mit ihrem Leben bezahlt?

Aufwachsen heißt Lernen und Lernen heißt in hohem Maße Beobachten und dann Imitieren. Anfänglich sind die Eltern das Vorbild, das nachgeahmt wird. Im Zuge der Abnabelung und der Entwicklung einer eigenen Identität in Abgrenzung zu den Eltern werden die Vorbilder jedoch zunehmend außerhalb gesucht. Jugendliche sind nicht nur jung, sondern auch unerfahren. Hier ist es die Aufgabe von Eltern und auch Gesellschaft Jugendschutz im Sinne von Schutz vor falschen Idolen zu bieten. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn Jugendliche neigen, wie der junge Werther, zur Rebellion wie sie Bevormundung ablehnen. Die Grenze zwischen Schutz und Bevormundung ist fließend, doch wo steht geschrieben, daß Erziehung leicht sei? Nicht umsonst sagt der Volksmund: "Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr." Und Ähnliches gilt - trotz Wehen etc. - auch für Mütter. (M. R.)


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