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30.09.06 / Der Union fehlt eine konservative Schwester

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. September 2006

Gedanken zur Zeit:
Der Union fehlt eine konservative Schwester
von Wilfried Böhm

Die CDU muß ihre konservative Grundierung wieder stärker betonen", erklärte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm zum Ergebnis seiner Partei bei den jüngsten Wahlen in Berlin, wo sich nur 21,3 Prozent aller Wähler, die gültige Stimmen abgegeben hatten, für die Partei der Bundeskanzlerin entschieden. In Mecklenburg-Vorpommern, der Heimat Angela Merkels, waren es 28,8 Prozent. Legt man die Meßlatte für "Volksparteien" an die 40-Prozent-Grenze der gültigen Stimmen, dann hat die Union diesen politischen Titel verloren und ist derzeit meilenweit davon entfernt, ihn bei den Wählern wieder zu erreichen. Für Konservative bleibt es kein Trost, daß es der SPD nicht anders ergangen ist, denn sie erreichte, obwohl in beiden Ländern Regierungspartei, nur wenige Zehntelpunkte über 30 Prozent der gültigen Stimmen. Noch verheerender sind die Ergebnisse für die Union, wenn man die Zahl aller Wahlberechtigten zur Grundlage nimmt. Die CDU muß lernen, daß auch die Nichtwähler eine politische Entscheidung treffen, wenn sie am Wahltag zu Hause bleiben, weil sie das politische Angebot nicht zum Wahlgang animiert. Daß diese Entwicklung nicht "über Nacht kam", sondern sich seit längerem abzeichnete, zeigt zum Beispiel das Wahlergebnis im Saarland vom Herbst 2004: Die CDU jubelte über ihre "absolute Mehrheit", die sich bei näherem Hinsehen auf 25,6 Prozent, also ein Viertel der Wahlberechtigten stützte.

Schönbohm gilt als einer der wenigen der CDU verbliebenen prominenten Konservativen, aber auch er befindet sich auf dem Rückzug vom Amt des Vorsitzenden seines in politischen Grabenkämpfen verstrickten Landesverbandes. Gegenüber der Tageszeitung "Die Welt" wurde Schönbohm mit Blick auf die Wahlerfolge der NPD bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern deutlich, als er sagte, daß die CDU sich hüten müsse, Themen aufzugeben, "die zu unserer Selbstidentifikation gehören und das Aufkommen rechtsextremistischer Parteien lange Zeit verhindert haben".

Er verwies auf Franz Josef Strauß und Alfred Dregger als konservative Politiker und stellte fest: "Heute haben wir in der Partei Exponenten des Wirtschafts- und Sozialflügels, aber kaum Vertreter des konservativen Flügels."

Doch diese für die Unionsparteien negativen Entwicklungen zeichneten sich schon noch früher ab: Nach dem Ende der 13 Jahre währenden sozialliberalen Koalition durch den Koalitionswechsel der FDP kündigte Helmut Kohl 1983 die "geistig-moralische Wende" zu dem von den "68ern" geprägten marxistisch-libertinären Zeitgeist an und 48,8 Prozent der Wähler bescherten ihm daraufhin fast die absolute Mehrheit in der Bonner Republik. Aber diese versprochene Wende blieb aus. Das große Startkapital, das die Wähler zur Verfügung gestellt hatten, verfiel kontinuierlich. In den 16 Kohl-Jahren ging es von Wahl zu Wahl abwärts bis auf 35,1 Prozent im Jahr 1998, als das "System Kohl" kippte und die Regierungsmacht an Rot-Grün fiel. Zu diesem Zeitpunkt waren die "Schwarzen Kassen", die Spenden auf "Ehrenworte", die Methoden der Parteifinanzierung und das Innenleben dieses Systems noch gar nicht öffentlich bekannt. Das alles brach erst nach Beendigung der Kanzlerschaft Kohls über die Union hinein und prägt seitdem das Bewußtsein vieler Wähler, die bekanntlich ein langes Gedächtnis haben, das immer wieder wach wird, wenn der Altkanzler heute von seiner "getreuen Partei" öffentlich umjubelt wird. Fest steht: Nicht ein einziges Mal, selbst nicht, als die durch die Implosion der Sowjetunion veränderte weltpolitische Situation den Deutschen die Wiedervereinigung bescherte, hatte Kohl als "Kanzler der Einheit" den permanenten Niedergang der Unionsparteien bei Wahlen stoppen können, wobei die Wähler, wie gesagt, bis 1999 das "System Kohl" gar nicht durchschauen konnten.

Blickt man zurück in die Geschichte der Unionsparteien, dann war sie nie eine nur konservative Partei und sie darf es auch nicht sein, will sie wieder "Volkspartei" werden, was sie übrigens an ihrer Mitgliederbasis mehrheitlich noch ist. Die nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus gegründete CDU hat im Verein mit der CSU immer dann große Erfolge für Deutschland erbracht, wenn ihre geistigen Grundströmungen im Gleichgewicht zueinander standen: nämlich die christliche Soziallehre, die Ideen der Wirtschaftsliberalen und das Gedankengut der nationalen und christlichen Konservativen. Aus diesem Gleichgewicht zog die Union durch Konrad Adenauers erfolgreiche Westbindung die Kraft zum Widerstand gegen den freiheitsheitsbedrohenden und atombombengestützten Kommunismus Moskaus. Er gab damit zugleich den Menschen zwischen Rügen und Rhön die Hoffnung auf Einheit in Freiheit, die diese sich dann 1989 mit ihrer friedlichen Revolution selbst eroberten. Ludwig Erhards "Wohlstand für alle" brachte den Abbau der Klassenschranken mit sich. Die Unionsparteien verbanden technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt dabei immer glaubwürdig mit dem Bekenntnis zu überlieferten Werten und Lebensformen, zu Familie, Kirche, Heimat und Nation.

Die Unionsparteien müssen je- doch erkennen, daß sie keinen Alleinvertretungsanspruch auf diese Werte haben. Sie haben es bisher zu verhindern gewußt, daß sich neben ihnen konservativ-nationalliberale Parteien bilden konnten, wie sie in den Gründerjahren der Bundesrepublik die "Deutsche Partei" (DP) als Koalitionspartner Adenauers war. Selbstkritisch gestand Adenauer in seinem letzten Interview mit dem unvergessenen Journalisten Gerhard Löwenthal ein, daß sein "größter innenpolitischer Fehler" gewesen sei, daß die Unionsparteien die DP "aufgesaugt" hätten. Sie sei doch der "treueste Teil der Union" gewesen, wenn es um konservative Werte ging.

Heute stehen drei Linksparteien (SPD, PDS und Grüne) gegen die Union, die nur auf die FDP hoffen kann, wenn die derzeitige "Große Koalition" zu Ende geht und die Union ihr konservatives Erbe zu bewahren gedenkt. Eine konservative Partei, die der Union in einer "Allianz für Deutschland" verbunden ist, wie sie bei den ersten freien Wahlen in der DDR erfolgreich war, darf dabei kein Tabu sein. Die Kanzlerin wird sich an die "Deutsche Soziale Union" (DSU) und an den "Demokratischen Aufbruch" (DA), dem sie selbst angehört hat, wohl erinnern.


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