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30.09.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. September 2006

Neid und Rührung / Berlin: So leicht ist Zensur - wenn das die geschundenen "Demagogenverfolger" noch erleben dürften!
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Mozart hatte es gut. Ihm saß noch die harmlose Zensur seines absolutistischen deutschen Fürsten im Nacken. Da wurde auch dreingeredet, daran ist aber niemand gestorben noch brachte man anderswo in der Welt Leute um, weil im deutschen Reich Sachen erlaubt wurden, die dort unter Verbot standen. Außerdem hatte Mozart Mut und besaß Geschmack. Beides endete irgendwann während der soundsovielten "kritischen Aufarbeitung des hergebrachten abendländischen Kulturbegriffs" im Orkus.

Als erstes landete der gute Geschmack in der Kanalisation. In der Berliner Inszenierung der Mozart-Oper "Idomeneo", die sich eigentlich um einen antiken König von Kreta dreht, präsentiert Regisseur Hans Neuenfels dem Publikum am Schluß die blutverschmierten, abgeschlagenen Köpfe des Gottes Poseidon und der Religionsstifter Buddha, Jesus und Mohammed. Lecker, gell? Das fanden auch die christlichen Zuschauer und protestierten bei der Premiere vor drei Jahren lauthals, die Buddhisten maulten zumindest, Muslime und Anhänger des antiken griechischen Glaubens waren keine im Saal. Mozart auch nicht, der hätte die Darbietung vermutlich mit einem gepfefferten Kommentar überzogen - Mummenschanz, zu widerlich, um wenigstens als kindisch durchzugehen.

Neuenfels war glücklich, er hatte das reaktionäre Publikum mutig herausgefordert und hätte dergleichen in diesem Jahr gern noch einmal genossen. Da rutschte dann aber ein Filmteam des arabischen Senders "El Dschasira" in die Proben und daraufhin dem Opernregisseur der Mut in die Hose. "Im Interesse des Publikums und ihres Hauses" nahmen die Verantwortlichen der "Deutschen Oper Berlin" das Stück kurzerhand aus dem Programm.

Die überarbeiteten Zensurbeamten der deutschen Fürsten des 18. und 19. Jahrhunderts hätten alles Recht, aus ihren feuchten Gräbern zu steigen und bitter ihr hartes Leben zu beklagen. Sie mußten damals noch bei Kerzenschein riesige Texte durchackern auf der Suche nach Andeutungen von Majestätsbeleidigung, Gotteslästerung oder anderen Gesetzesverstößen. Und dann mußten sie den gerissenen Künstlern das Vergehen auch noch nachweisen! Sehr aufwendig und manchmal hart am Rande der Lächerlichkeit, wie die Zensuropfer Heinrich Heine und E. T. A. Hoffmann lüstern aufzuspießen wußten.

Hätten die Zensoren geahnt, wie einfach es einmal würde, sogar die tapfersten, kritischsten und unbestechlichsten Geister des Fortschritts zur Strecke zu bringen, wären ihnen Tränen von Neid und Rührung zugleich in die Augen geschossen. Jetzt erst kommt die simple Lösung ans Licht: Schicke dem vermeintlichen Querdenker nur einen Muselmann in die Probe, dann schneidet der sich postwendend selbst die Zunge heraus! Zensur ist billiger zu haben denn je.

Nun gut, sehen wir es mal von der anderen Seite: Das Leben ist im übrigen ja auch ganz schön teuer geworden: Mieten, Pauschalreisen, Benzin, MP3-"Player", Spielekonsolen und Funktelefontarife - alles wird immer unerschwinglicher.

Zum Ausgleich ward uns versprochen, daß andere, einst teure Dinge heute quasi zum Nulltarif zu haben seien in der harmonisch vermarktbaren Weltgemeinschaft: Religiöse Bekenntnisse sollen ebenso umsonst sein wie ihre Verhöhnung, Freiheit überhaupt gebe es nun für lau, weshalb wir uns heute mit ganzer Kraft auf das titanische Ringen mit unlauteren Klingeltonanbietern und Markenfälschern konzentrieren könnten.

Die alten Kämpfe existierten für uns nur noch "virtuell". Auch jene gegen politische Bösewichter, die entweder tot waren oder zum mikroskopischen Befund geschrumpft. Das mit dem "Virtuellen" läuft ab wie das Monsterbesiegen an der Spielekonsole: Man schlägt die finsteren Kreaturen, das Blut spritzt. Man ist der Held, der Rächer und Retter der Menschheit, jedoch ohne die geringsten Blessuren zu riskieren. Wie in einem bösen Traum treten nun die Monster aus dem Apparat in unser Leben und blecken die Zähne. So hatten wir nicht gewettet. Die Bewohner Roms hatten jahrhundertelang "Verteidiger des katholischen Glaubens" gespielt und davon nicht schlecht gelebt - wohl wissend, daß es keine lebensgefährlichen Angreifer mehr gibt. Wie die Korrespondentin der "Neuen Zürcher Zeitung" gehört haben will, fühlen sich viele Römer nun bitter getäuscht. Der Papst hatte, alle haben es berichtet, einen Kaiser aus jener Zeit zitiert, in der Verteidigung seines Glaubens mehr bedeutete als den Vertrieb von Nippes und überteuerten Restaurantspeisen oder Hotelbuchungen. Nun sehen sich die Bewohner der Ewigen Stadt über Nacht an die Front gegen morgenländische Eiferer geworfen. Ihr Zorn richtet sich selbstverständlich nicht gegen den Blutdurst der Fanatiker, sondern gegen den Papst, der den Fanatikern von ihrem Fanatismus erzählt hat.

In solch unerfreulichen Situationen gibt uns nur festes Vertrauen neuen Halt. Denn wer ohne Vertrauen ist, der bleibt auch ohne Hoffnung. Die deutsche Marine will aber hoffen und vertraut bei ihrer Libanon-Expedition auf lauter zuverlässige Partner: die libanesische Regierung und einen ganzen Pool weiterer interessierter Staatsführungen, die Uno sowie diverse Geheimdienste. Unsere Seestreitkräfte werden überdies auf das ehrliche Wort der Kapitäne mutmaßlicher Waffenschmuggler bauen. "Außerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone können wir einen Kapitän nach Ladung und Ziel befragen und das Schiff durchsuchen, wenn er einverstanden ist", erläutert Marine-Inspekteur Wolfgang Nolting im "Focus" die beherzte Vorgehensweise der Deutschen.

Wie fest und unverrückbar das Vertrauen der deutschen Seemacht dasteht, bezeugen die glaubensstarken Erwiderungen des Marinechefs auf den wiederkehrenden Einwand, die Hisbollah könne den Schmuggelstopp bestens unterlaufen, da sie ja in der libanesischen Regierung - welche den Deutschen als unumgehbarer "Kooperationspartner" über die Schulter blicke - ein gehöriges Wort mitzureden habe.

Nolting tritt dem mit schneidenden Formulierungen wie "das möchte ich gern ausschließen", "das will ich nicht unterstellen" oder "ich gehe davon aus, ..." entgegen. Wer will da noch Zweifel hegen? Die Sache steht wie eine Eins!

Also wie die Große Koalition in Berlin. Erst am Montag hat SPD-Fraktionschef Peter Struck wieder klargemacht, wie sehr er "davon ausgeht", daß diese Koalition ihre Arbeit bis 2009 erfolgreich fortsetzen werde. Um gleichzeitig anzumerken, daß die Union nicht regieren könne, während ein anderer führender Sozialdemokrat die Unionsministerpräsidenten als "Hühnerhaufen" umschrieb. Ob das nett gemeint war? Nun, ehrliche Liebe offenbart sich auch darin, daß Konflikte offen ausgetragen werden, offen wie ein ausgefahrenes Klappmesser.

Die Deutsche Oper Berlin wird es schwer haben, mit ihrem Ersatzstück für "Idomeneo" größere Menschemassen anzulocken - bei dem Konkurrenzangebot. Rund um Reichstag und Kanzleramt braut sich die ganz große Tragödie zusammen, mit allem, was das gierige Publikum erwartet - na ja, fast allem: Das Stück hat Längen. Vier Wochen soll der Akt "Gesundheitsreform" mindestens noch dauern. Daß es der letzte der Saison Merkel sein könnte, tröstet wenig. Zudem wird die Geschichte immer unübersichtlicher. Der Librettist muß irgendwo den Faden verloren haben und will nun alles, was ihm eingefallen ist, auf einmal erzählen. Persönliche Rivalitäten, Parteienstreit, rot-gelb-grün-rot-... herrjeh! Wer soll da noch durchfinden?

Die Zuschauer sind genervt. Bei modernem Aktionstheater macht das aber nichts; da sind die Publikumsreaktionen gewollter Teil der "offenen Inszenierung". Und erst ganz am Schluß bekommt das Stück nach demokratischem Beschluß durch alle Beteiligten seinen endgültigen Titel. Wie wär's mit: "Der Anfang vom Ende der Zweiten Republik"?


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