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07.10.06 / "Eine Mahnung und ein Ansporn" / Das Wunschkonzert für die Wehrmacht sollte Brücke zwischen Front und Heimat sein

© Preußische Allgemeine Zeitung / 07. Oktober 2006

"Eine Mahnung und ein Ansporn"
Das Wunschkonzert für die Wehrmacht sollte Brücke zwischen Front und Heimat sein
von Hans-Joachim von Leesen

Ältere Zeitgenossen dürften sich noch lebhaft an die Radiosendung in den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges erinnern, die wohl - hätte man denn damals schon die technischen Möglichkeiten gehabt, Einschaltquoten zu ermitteln - die Sendung mit der höchsten Hörerzahl war: das Wunschkonzert für die Wehrmacht. Millionen versammelten sich vor den Radiogeräten, wenn der damals außerordentlich populäre Ansager Heinz Goedecke die drei Stunden dauernde Live-Sendung zunächst aus dem großen Sendesaal des Deutschlandsenders in der Berliner Masurenallee, dann ab März 1940 aus dem großen Saal der Philharmonie in der Bernburger Straße eröffnete. Im Saal saßen viele hundert verwundete Soldaten, Soldaten auf Urlaub, Frauen und Kinder von Soldaten. Auf der Bühne waren ein Musikkorps, ein Sinfonieorchester, Chöre, prominente Schauspieler sowie Sängerinnen und Sänger versammelt, und sie erfüllten Musikwünsche von Soldaten. Die waren vorher eingeladen worden, dem Sender mitzuteilen, was sie gerne hören möchten. Zum ersten Kriegs-Wunschkonzert waren 23117 Feldpostbriefe eingegangen. Aus den Wünschen wurde ein gemischtes Programm aus Opern- und Operettenmelodien, Volksliedern, Soldatenliedern, aber auch sinfonischer Musik zusammengestellt, wobei letztendlich Schlager und Tanzlieder überwogen.

Das erste Wunschkonzert für die Wehrmacht wurde von Gustaf Gründgens eröffnet, der ein Gedicht vortrug, das die "Stimme der Heimat" symbolisieren sollte:

"So weit die Grenzen der Heimat gespannt,

steht Ihr, Soldaten, zum Schutz für das Land.

Steht als ein starker, lebendiger Wall,

als ein doppelter Wall aus Herzen und Stahl -

Und Euch alle umschließt das gemeinsame Band.

Die Heimat, für die Ihr steht und wacht -

Die Heimat ist bei Euch bei Tag und bei Nacht ..."

Ein junger Historiker, Hans-Jörg Koch, hat diese populäre Sendung zum Thema seiner Promotion an der Universität Mannheim gemacht. Auf der Arbeit basiert ein wesentlich erweitertes Buch mit zeitgenössischen Abbildungen und einem Beitrag über die Schlagermusik der 30er und 40er Jahre. Vorangestellt ist ein Vorwort des in den letzten Jahrzehnten an der Bildung der offiziösen Geschichtspolitik wesentlich beteiligten Historikers Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler, früher Universität Bielefeld.

Natürlich war das Wunschkonzert für die Wehrmacht ein Teil der deutschen psychologischen Kriegsführung. Sein Sinn wurde keineswegs verborgen gehalten: Es sollte eine Brücke bilden zwischen der Front und der Heimat, sollte deutlich machen, daß die Deutschen - im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg - in einer Volksgemeinschaft zusammenstehen, daß die Heimat die Front nicht im Stich läßt; es sollte, kurz gesagt, dazu beitragen, daß unsere Soldaten an den Fronten erfolgreich sind und Deutschland den Krieg gewinnt. Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Dr. Joseph Goebbels, formulierte es während des 50. Wunschkonzertes, an dem er teilnahm, wie folgt: "Das Wunschkonzert soll für das ganze deutsche Volk eine Mahnung und ein Ansporn sein, sich nicht von den Widrigkeiten des Alltags unterkriegen zu lassen, sondern mutig und erhobenen Hauptes der Zeit entgegenzutreten."

Die Wünsche kamen von den Soldaten an der Front und in den Lazaretten. Häufig waren damit Spenden verbunden. Wie Koch ermittelt hat, waren bis zur Einstellung der Sendung am 25. Mai 1941 mehr als 15 Millionen Reichsmark eingegangen, nicht wenige davon aus dem Ausland. Die Wünsche waren häufig begleitet von kleinen Geschichten und Gedichten, die vor den Mikrophonen vorgetragen wurden. Eine besondere Attraktion war es, wenn Heinz Goedecke über den Sender Soldaten zur Geburt ihrer Kinder gratulierte. So erfuhren die Soldaten häufig früher durch das Radio als durch die Mitteilung ihrer Familien, daß sie Väter von Kindern, ja sogar von Zwillingen oder gar Drillingen geworden waren, was jedes Mal im Sendesaal Jubel auslöste.

Nahezu alle großen Künstler stellten sich für das Wunschkonzert gegen ein minimales Honorar zur Verfügung, so die Schwedin Zarah Leander, die Ungarin Marika Rökk, die Chilenin Rosita Serrano - eigentlich seltsam, daß in jener Zeit die populärsten Schlagersängerinnen aus dem Ausland kamen, während sich angeblich damals die Deutschen durch besondere Ausländerfeindlichkeit auszeichneten -, Herbert von Karajan, Paul Lincke, Grete Weiser, Viktor de Kowa, Evelyn Künneke, Hans Moser, Heinz Rühmann, Paul Hörbiger, Mathias Wiemann, Ilse Werner, Johannes Heesters, Wilhelm Strienz, Eugen Jochum, Lale Andersen und Willy Fritsch, um nur einige zu nennen.

Wegen des großen Erfolges der Radiosendung wurde mit dem Titel "Wunschkonzert" 1940 ein Film gedreht, der sich um die Sendung rankt. Die darin enthalten Originalaufnahmen von zwei dieser Wunschkonzerte sind dann auch die einzigen überlieferten Filmdokumente über diese erfolgreichste Radiosendung in Deutschland während der Kriegszeit. Der am 30. Dezember 1940 uraufgeführte Film wurde bis zum Kriegsende von 23 Millionen Zuschauern besucht und spielte 7,6 Millionen Reichsmark ein - der zweiterfolgreichste Film nach "Die große Liebe" mit Zarah Leander. 1945 wurde er von den Siegern verboten. heute ist er sowohl als Video-Kassette als auch als DVD im Handel zu bekommen. Er hinterläßt bei unvoreingenommenen Zuschauern auch heute noch einen erheblichen Eindruck, ja, ein Gefühl der Rührung.

Die überwiegend sachliche Dokumentation Hans-Jörg Kochs wird mit Hans-Ulrich Wehler von einem Historiker eingeleitet, der schon immer ein Vertreter der politischen Korrektheit war. Für Wehler stammt diese Sendung "aus der Propagandawelt des Dr. Joseph Goebbels" und war damit "Teil der politischen Indoktrination" und "weich einschmeichelnder verkappter Beeinflussung" der Bevölkerung und damit zu verdammen. Es sei eine "Massenbeeinflussung im NS-Regime" gewesen, was Wehler offenbar für eine ziemliche Teufelei hält. In einer "Zusammenfassung" kritisiert auch Koch, daß hier eine "lebensbejahende" Musik gesendet wurde, welche die ernste Zeit schönen sollte. Und auch das Ziel, die Deutschen zu einer Volksgemeinschaft zusammenzufügen, findet nicht die Billigung des Mannes, der offenbar lieber dem überholten Klassenkampfgedanken anhängt. Mit "optimistischen Schlagern" wie "Davon geht die Welt nicht unter", "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern", "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen", oder "Mit Musik geht alles besser" werde eine "heile Welt" vorgegaukelt, kritisiert er sauertöpfisch. Als wenn es heute in der Schlagerwelt anders wäre!

Das alles ist richtig, doch wundert man sich, daß heutige Historiker offenbar nicht das geringste Verständnis dafür haben, wenn in einem Krieg alles getan wird, die Moral der Bevölkerung wie der Soldaten zu heben. Im übrigen, und das wird in dem Buch nur in einem einzigen Absatz erwähnt, hat es die Führung der Alliierten nicht anders gemacht. Der Autor zitiert: "1938 wurde eine Unterabteilung der britischen Armee gegründet, die Entertainments National Services Association ENSA. Sie war eine ‚Armee der Entertainer', mehr als 80 Prozent der gesamten Unterhaltungsindustrie lagen bis 1946 in ihrer Verantwortung. Über 2,5 Millionen Aufführungen organisierten sie in den Kriegsjahren ..." Nichts also mit der Unterstellung, es seien die bösen Nazis gewesen, die die damals modernste Kommunikationstechnik des Radios ‚mißbraucht' hätten, um das Volk im Sinne eines deutschen Sieges zu beeinflussen.

Die psychologische Kampfführung wurde bereits in den ersten Tagen des Ersten Weltkrieges organisiert, indem es der britischen Regierung gelang, die Zeitungen, obwohl in Privatbesitz, in der Kriegspropaganda gleichzuschalten. Die Regierung gründete rasch Arbeitsgruppen, die keine andere Aufgabe hatten, als deutsche Greueltaten zu erfinden und zu verbreiten, um die englische Bevölkerung zum Haß gegen die Deutschen, die ‚Hunnen', zu erziehen und zum Durchhalten zu ermuntern - mit durchschlagendem Erfolg. Der damals an der John-Hopkins-University,

Washington, lehrende Prof. Dr. P. M. Linebarger konstatiert in seinem Buch "Psychological Warfare", dessen deutsche Übersetzung 1960 unter dem Titel "Schlachten ohne Tote" erschien, daß die deutsche politische Führung damals überhaupt nicht die Bedeutung der psychologischen Kriegsführung begriffen hatte - wie bis heute mancher deutsche Geschichtsprofessor nicht. Erst gegen Kriegsende wurde versucht, entsprechende Initiativen einzubringen, was viel zu spät war. Er referiert die Meinung von Kollegen, der Sieg der Westalliierten 1918 über das kaiserliche Deutschland sei nicht zuletzt auf die wirkungsvolle psychologische Kriegsführung zurückzuführen, der Deutschland nichts entgegenzusetzen hatte. Er bestätigt aber auch, daß Deutschland im Zweiten Weltkrieg den Vorsprung der Alliierten aufgeholt hatte. Und dazu gehörte auch das Wunschkonzert für die Wehrmacht. Es dürfte das Verständlichste von der Welt sein, wenn in einer Krisensituation, in der es um Sein oder Nichtsein der Nation geht, die Staatsführung alles unternimmt, um eine Schwächung des Widerstandswillens des eigenen Volkes zu verhindern. Das war im Ersten Weltkrieg Deutschland nicht gelungen. Solche Aktivitäten einer Staatsführung übel zu nehmen, gleichgültig von welcher weltanschaulichen Einstellung sie ist, ist wirklichkeitsfremd und sollte sich eigentlich inzwischen, wo wir auf dem Wege zur Historisierung und damit auch zur Versachlichung der jüngeren Geschichte sind, von selbst erledigt haben.

Hans-Jörg Koch: "Wunschkonzert - Unterhaltungsmusik und Propaganda im Rundfunk des Dritten Reichs", Ares Verlag, Graz 2006, geb., 280 Seiten, zahlr. s/w u. farb. Abb., 19,90 Euro, Best-Nr. 5812


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