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14.10.06 / Der perfekte Kompromiß / Südkoreaner Ban Ki Moon wird neuer Generalsekretär der Vereinten Nationen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Oktober 2006

Der perfekte Kompromiß
Südkoreaner Ban Ki Moon wird neuer Generalsekretär der Vereinten Nationen
von Rebecca Bellano

Mit Überraschungen wird nicht mehr gerechnet, zumindest wenn es um die Wahl des südkoreanischen Außenministers Ban Ki Moon zum Nachfolger des Ende des Jahres aus seinem Amt scheidenden Uno-Generalsekretär Kofi Annan geht. Da inzwischen alle Gegenkandidaten wie die litauische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga, der frühere afghanische Finanzminister Ascharaf Ghani und der ehemalige thailändische Vize-Regierungschef Surakiart Sathirathai mangels genügend Befürwortern ihre Kandidatur zurückgezogen hatten, war der Südkoreaner schließlich der einzige Bewerber für das Amt, über dessen Neu-Besetzung bis November abschließend entschieden werden soll.

Der am Montag vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York nominierte Diplomat gilt wie auch schon viele seiner Vorgänger als Kompromiß, auf den sich die fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat, sprich die USA, Rußland, Großbritannien, Frankreich und China, am ehesten einigen konnten. Die anderen, nicht vetoberechtigten Zweidrittel des Sicherheitsrates, die für die jetzige Amtsperiode bestimmten nicht ständigen Mitglieder Argentinien, Dänemark, Griechenland, Japan, Tansania, Ghana, Katar, die Republik Kongo, Peru und die Slowakei dürften hier nicht viel zu sagen gehabt haben. Da außerdem das ungeschriebene Gesetz gilt, daß nach dem Afrikaner Kofi Annan ein Asiate zum Generalsekretär berufen werden sollte, erfüllt der als ruhig und bescheiden geltende Harvard-Absolvent Ban Ki Moon alle Voraussetzungen, die an einen kleinsten gemeinsamen Nenner gestellt werden.

Der stets sanft lächelnde, emotionslos auftretende, sich bis zur Selbstaufgabe in seine Arbeit stürzende Ban Ki Moon entspricht dem westlichen Klischee von einem Asiaten. Die Aufgaben, die auf den 62jährigen warten, sind enorm. Schon Kofi Annan hatte sich die Zähne daran ausgebissen, zumindest die Zusammensetzung des Sicherheitsrates demokratischer zu gestalten. Obwohl der Ghanaer von den Amerikanern in sein Amt gehoben worden war, begehrte er öfter gegen seinen Alleingänge liebenden Befürworter auf, beispielsweise als er den USA die Zustimmung zu ihrem Irakkrieg versagte. Doch Annan, geschwächt durch einen Korruptionsskandal um das UN-Programm "Öl für Lebensmittel", in den auch noch sein Sohn Kojo verwickelt war, schaffte es in seinen zehn Jahren Amtszeit nicht, die Vereinten Nationen ihren in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Zielen näher zu bringen. Weder gelang es, die Welt vor der "Geißel des Krieges zu bewahren", noch den Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, sozialen Fortschritt und besseren Lebensstandard durchzusetzen. Es scheint viel mehr so, als wäre die Welt in den vergangenen zehn Jahren noch mehr aus den Angeln gehoben worden, denn außer "normalen" Krisen wie den Kriegen und Konflikten in Ruanda, Somalia, Indonesien, Jugoslawien und unendlich vielen mehr, hat sich am 11. September 2001 die Welt verändert. Islamistische Terroristen eröffneten einen Krieg, den es laut den von der Uno gelebten Genfer Konventionen zur Einhaltung der Menschenrechte bei bewaffneten Konflikten nicht gibt. Terroristen, weder offizieller Soldat, aber auch nicht Partisan, veranlaßten die USA zu ihren Angriffen auf Afghanistan und den Irak. Kofi Annans beherzte Vorschläge "Vereint gegen den Terrorismus" wurden zwar zur Kenntnis genommen, aber warten seit über einem Jahr auf ihre Umsetzung.

Die 191 Mitglieder der Uno finden hier - wie so oft - keinen gemeinsamen Weg. Sie halten sich ja schon selbst kaum an die beschworenen Werte. Allein unter den fünf ständigen Mitgliedern sind mit China, Rußland und den USA drei Staaten, die Menschenrechte nach ihrem eigenen Gutdünken auslegen. Ethnische, religiöse, geschlechterspezifische Unterdrückung sind bei vielen der Mitgliedsländer nur eine Sparte der vielfältigen Mißachtungen des eigenen Wertekodex. Manchmal wird jener, der diesen zu grob mißachtet, zwar mit Sanktionen bestraft, doch dies ist eher der Ausnahmefall.

Ban Ki Moon soll fleißig, aber unauffällig einen Koloß reformieren, ohne jemandem weh zu tun und irgendwelche Interessen zu verletzen, Menschenrechte durchsetzen, Entwicklungshilfe sinnvoll einsetzen, Korruption bekämpfen, internationale Sicherheit gewährleisten und den Sicherheitsrat fairer besetzen. So sind Japan und Deutschland die zweit- und dritt-größten Geldgeber der Vereinten Nationen, doch statt Stimmrecht zu haben, werden sie sogar noch aus der Gründerzeit der UN 1945 herrührend als Feindstaaten geführt. Doch China will Dauerkonkurrent Japan nicht als ständiges Mitglied, und Deutschland ist vielen zu unzuverlässig (siehe deutsches Nein zum Irakkrieg). Giganten wie Indien, Brasilien und der gesamte afrikanische Kontinent sind ohne feste Stimme und somit ohne Veto-Recht-Privileg der ständigen Fünf, die damit regelmäßig die UN lahmlegen können.

Wird Ban Ki Moon jetzt Generalsekretär eines zahnlosen, kaum lenkbaren Tigers? Ja und nein zugleich. Die "Wir sind eine Welt"-These von Kofi Annan macht deutlich, daß es keine Alternative gibt. Und auch wenn die Vereinten Nationen häufig zu einem Gesprächszirkel verkommen, in dem viel geredet wird, man aber aufgrund einzelner Interessengruppen zu keinem oder nur einem banalen Resultat kommt, siehe Libanon-Krise, dann haben die Uno-Blauhelme doch trotzdem so manches Mal den Frieden gesichert und die UN-Sonderorganisationen (siehe Kasten rechts) die Lebenssituation der Armen und Kranken verbessert.

Gleichzeitig zeigt aber auch die Testzündung einer Atombombe in Nordkorea, daß nur wenn die Staatengemeinschaft zusammenhält, eine Lösung für derartige Konflikte gefunden werden kann. Ban Ki Moon, der bisher für sein Verhandlungsgeschick mit Nordkorea gelobt wurde, wird auf Erfahrungen zurückgreifen können und sie modifizieren müssen. Auch wird er beweisen müssen, daß er sich nicht beeinflussen läßt.

 

Zeitzeugen

Dag Hammarskjöld - Der Schwede war Nachfolger des ersten von der Uno-Vollversammlung gewählten Generalsekretärs, des Norwegers Trygve Halvdan Lie, der das Amt 1952 wegen des unlösbaren Ost-West-Konflikts aufgab. In Hammarskjölds Amtszeit (1953-61) fallen das Ende des Korea-Krieges, der Ungarn-Aufstand und die Suezkrise 1956 sowie der Mauerbau in Berlin 1961. Hammarskjöld kam bei einem Flugzeugabsturz in der Grenzregion von Sambia und Kongo ums Leben. Ungeklärten Gerüchten zufolge sollen belgische, britische, südafrikanische und / oder US-Geheimdienste ihre Finger im Spiel gehabt haben, denen Hammarskjöld im Wege gewesen sein soll.

Sithu U Thant - Der Burmese U Thant (1961-71) bemühte sich wie sein Vorgänger um Ausgleich bei Konflikten wie der Kubakrise 1962, dem Nahost- und dem Zypern-Konflikt sowie beim Vietnam-Krieg. Nach seinem Tod 1974 kam es in seiner Heimat zu heftigen Kontroversen über den Verbleib seines Leichnams, bei denen es sogar Tote gab ("U-Thant-Krise").

Kurt Waldheim - Als UN-Generalsekretär von 1972 bis 1981 wie sein Vorgänger eher unauffällig, geriet der Österreicher erst nach dieser Zeit in die Schlagzeilen, als ihm Linke während des österreichischen Präsidentschaftswahlkampfs 1986 Verwicklungen in Kriegsverbrechen vorwarfen. Die Beschuldigungen erwiesen sich als haltlos, dennoch sprachen die USA ein Einreiseverbot für Waldheim aus.

Javier Pérez de Cuéllar - Der Peruaner leitete die UN von 1982 bis 1991. Er bemühte sich unter anderem um die Beilegung schwerer Krisen in Mittelamerika und half bei den Verhandlungen zur Unabhängigkeit Namibias.

Boutros Boutros-Ghali - Der Ägypter und koptische Christ Boutros-Ghali führte die UN von 1992 bis 1996. Er war der erste Generalsekretär, dem keine zweite Amtszeit gewährt wurde, hauptsächlich auf Druck der USA. Kritik mußte er wegen des Völkermords in Ruanda 1994 einstecken. Boutros-Ghali bemängelte die geringen Möglichkeiten der Vereinten Nationen zur Krisenbewältigung. Nach seinem Ausscheiden kritisierte er auch den Irakkrieg der USA 2003.


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