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14.10.06 / Nachwehen der Österreich-Wahl / Grüne dank Briefwähler nun doch an dritter Stelle

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Oktober 2006

Nachwehen der Österreich-Wahl
Grüne dank Briefwähler nun doch an dritter Stelle
von R. G. Kerschhofer

Nach Auszählung der Stimmen der Briefwähler liegt nun das offizielle Endergebnis der Nationalratswahlen vom 1. Oktober vor - und es gibt tatsächlich noch Verschiebungen: Ein Mandat wanderte vom BZÖ zu den Grünen, die nun mandatsmäßig mit der FPÖ gleichauf, stimmenmäßig aber um 0,01 Prozentpunkte vor der FPÖ liegen. Für die FPÖ ist dies schmerzlich, weil mit dem dritten Rang auch der Posten des dritten Parlamentspräsidenten und der des dritten Volksanwalts verlorengehen.

Die endgültige Mandatsverteilung lautet also: SPÖ 68, ÖVP 66, Grüne und FPÖ je 22 und BZÖ 7. Theoretisch könnte sich selbst daran noch etwas ändern, denn es bleibt ungeklärt, ob das Kärntner BZÖ und das Bundes-BZÖ als gemeinsame Liste zu werten sind. Wenn nicht, müßte das BZÖ aus dem Parlament ausscheiden, und an Mandaten würde sich eine ganz knappe rot-grüne Mehrheit ergeben.

Der Wahlausgang ist Resultat eines schmutzigen Wahlkampfs: Bestätigt wird dies einerseits durch die niedrige Wahlbeteiligung, denn erstmals übersteigt auch bei Nationalratswahlen die Zahl der Nicht- und Ungültigwähler zusammen die Stimmenzahl der stärksten Partei. Bestätigt wurde es vorige Woche aber auch durch eine ungewöhnliche Wortmeldung: Ein Mitarbeiter des amerikanischen "Spin-Doctors" Stanley Greenberg, der wie bei den Wahlen 2002 von der SPÖ als Berater eingesetzt war, erklärte, die SPÖ habe einen gezielten Negativ-Wahlkampf gegen die ÖVP betrieben. Es habe "genügend Schmutz gegeben, mit dem wir Schüssel bewerfen konnten".

Was die Regierungsbildung betrifft, hat die SPÖ ihre eindeutige Präferenz für Rot-Schwarz bekundet und zwar "ohne Vorbedingungen". Das bedeutet, daß sie von einigen ihrer Wahlversprechungen abzugehen bereit ist. In der ÖVP wiederum gibt es etlichen Widerstand, als Juniorpartner der SPÖ in die Regierung zu gehen. Ein Teil der ÖVP hofft immer noch auf eine Dreier-Koalition mit FPÖ und BZÖ. Die FPÖ lehnt allerdings ein Zusammengehen mit den Abtrünnigen dezidiert ab.

Die inzwischen vorliegenden Analysen brachten manches zutage, was "im Trend liegt", aber auch manches, was bemerkenswert ist - und beides sollte Grund zum Nachdenken sein. SPÖ, ÖVP, FPÖ und mittlerweile auch die Grünen haben zwar Stammwähler. Die Zahl der Wechselwähler aber ist ebenso im Steigen begriffen wie die Zahl der Nicht- oder Ungültigwähler. Zu unterscheiden ist die "allgemeine Politikverdrossenheit", die durch den Wahlkampf noch verstärkt wurde, von der Wahlabstinenz, die mit dem idealen Ausflugswetter am Wahltag zu tun hatte. Von beidem war die ÖVP überproportional betroffen. Das allein erklärt aber nicht die Niederlage. Denn die Bequemlichkeit der potentiellen ÖVP-Wähler wurde durch die Bequemlichkeit des allzu siegessicheren Parteiapparats weiter verstärkt.

Da ist aber noch ein wichtiger Faktor: Die ÖVP wurde 1945 in Nachfolge der Christlichsozialen der ersten Republik gegründet und auch ohne das "C" im Namen galt sie als "politische Heimat" der Christen, speziell der Katholiken. ÖVP-Politiker sind zwar bis heute bei Kirchenfesten demonstrativ in der ersten Reihe anzutreffen, aber das einstige "Monopol" ist längst geschwunden. Schon zu Kreiskys Zeiten galt es in der SPÖ nicht mehr als Makel, sich zur Kirche zu bekennen. Und in jüngerer Zeit haben nicht wenige Katholiken der ÖVP den Rücken gekehrt wegen deren zu liberaler Haltung in den Bereichen Ehe, Homosexualität, Abtreibung und Beziehung zu Fremdreligionen. Aus diesen katholischen Kreisen kamen zuletzt auch Wahlempfehlungen für die FPÖ.

Der Erfolg der Grünen ist den roten "Bildungsreformen" der 70er-Jahre zu verdanken, wie sich deutlich an der Wählerstruktur zeigt: Bei 18 bis 29jährigen 23 Prozent Grünwähler, bei Personen ab 70 nur ein Prozent.

Auch wenn gerne betont wird, daß man sich zunächst nur über Sachfragen unterhalten müsse, geht es doch primär um Machtfragen. Sicher ist, daß die SPÖ mehrere derzeit von der ÖVP verwaltete Ministerien beanspruchen wird, vor allem jene, welche sie früher in Erbpacht hatte. Das Sozialministerium wird die ÖVP leichten Herzens hergeben, und das Bildungsministerium könnte wie früher in einen Schul- und einen Universitätsbereich aufgeteilt werden. Schmerzlicher wäre für die ÖVP aber der Verlust des Innenministeriums und am schmerzlichsten der des Finanzministeriums. Vermutlich wird man wie in alten Proporz-Zeiten Schlüsselministerien mit jeweils einem Staatssekretär der anderen Partei als Aufpasser bestücken.

Wenn man die Wahlversprechungen der Parteien durchkalkuliert, kosten die der SPÖ etwa fünf Milliarden, die der ÖVP drei Milliarden. Das liegt nicht weit auseinander, doch inhaltlich gibt es kaum Überschneidungen. Kompromisse bergen also die Gefahr höherer Budget-Defizite und höherer Staatsverschuldung. An Sachfragen gibt es welche mit hoher und andere geringerer Publizität. An der Spitze liegt eindeutig die Frage, ob man aus dem Kaufvertrag für die Eurofighter aussteigen kann, wie das die SPÖ - und eine Mehrheit der Bevölkerung - verlangen. Weniger spektakulär sind inhaltliche Fragen im Steuer-, Sozial- und Bildungsbereich. Doch erfahrungsgemäß können gerade an diesen Details Regierungsverhandlungen am ehesten scheitern.


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