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21.10.06 / Mißerfolg nach Mißerfolg oder wie lange lebt die Große Koalition noch?

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. Oktober 2006

"Moment mal!"
Mißerfolg nach Mißerfolg oder wie lange lebt die Große Koalition noch?
von Klaus Rainer Röhl

Lebt denn der alte Holzmichel noch? Niemand weiß es. Schwieriger zu beantworten ist die Frage: Lebt denn die Große Koalition noch? Weiß jemand, was sie macht? Man hört seit mehr als einem Jahr nur, was sie nicht macht. Frau Merkel mahnt die Bundesländer zur Disziplin, nicht etwa die SPD-regierten Bundesländer, sondern die von der Union regierten. Sie sollten der SPD nicht Anlaß geben, der Union Zerstrittenheit und Handlungsunfähigkeit vorzuwerfen. Sie sollen nicht immer "Nein aber", sondern öfter mal "Ja aber" sagen. Nach der blockierten Gesundheitsreform sollten sie nicht bei jedem neuen Gesetzentwurf der SPD "wieder ein neues Faß aufmachen", sagte sie am 13. Oktober. Wenn wir das richtig verstehen, sollen sich die erfolgreich wirtschaftenden unionsregierten Länder bemühen, das Wohlwollen des Juniorpartners SPD wieder zu erwerben. Die Länderminister wollen das nicht. Zum CSU-Parteitag in Augsburg beeilte sich die Bundeskanzlerin trotzdem, die Einheit der Union in einer Grundsatzrede zu betonen.

Was steckt dahinter? Nichts. Die Große Koalition war eine Fatamorgana. Es gab nur eine Waffenruhe. Und Posten. Wegen der Unfähigkeit jedes Lagers, ihre im Wahlkampf verkündeten Ziele durchzusetzen, schloß man einen Waffenstillstand: Der mehrheitlich von der SPD genutzt wird, um, so es eben geht, wenigstens einen Teil ihrer Ziele durchzusetzen und gleichzeitig zu verhindern, daß auch die CDU/CSU Teile ihres Programms durchsetzt. Eine kurze Zeit lang haben die Menschen geglaubt, wir hätten eine neue, handlungsfähige Regierung. Unmut breitet sich nun aus. Der Unmut wird zu Beginn des neuen Jahres erheblich größer werden, wenn die massiven Steuererhöhungen und andere Verschlechterungen des Lebensstandards erst richtig durchschlagen und sich herausstellt, daß eine Verminderung der Arbeitslosigkeit so nicht kommen kann. Die Arbeitslosen und die Verlierer der Einheit, die schlecht ausgebildeten und älteren DDR-Bewohner, setzen auf die Linkspartei. Die NPD marschiert an den Rändern auf, könnte weitere Brückenköpfe bilden. Wundert Euch das? Eine bürgerliche Partei rechts von der CDU gibt es ja nicht. Die FDP hat ihren nationalen Flügel schon vor Jahren amputiert. Die konservativen und national denkenden Anhänger der CDU wählen die Union oft trotz ihrer dürftigen und diffusen Politik, nicht wegen ihrer Politik. Sie wählen schon viele Jahre CDU mangels Alternative und in der vagen Erwartung auf irgendeinen Hoffnungsträger, der der Partei wieder ein konservatives und nationales Profil geben soll. Als solche werden, mit wechselnder Betonung, mal Roland Koch, mal wieder Christian Wulff und auch Jürgen Rüttgers genannt. Querdenker ohne eigene Hausmacht wie Friedrich Merz hat Angela Merkel kaltgestellt. Aber die Hoffnungsträger enttäuschen die Bürger immer wieder, weil sie in der nationalen Frage - und das heißt auch in der Ausländerfrage - wackelig oder nur sporadisch an ihr interessiert sind. Wenn sie nicht wie Saarlands Ministerpräsident Müller oder die unglückselige Rita Süßmuth ganz offen mehr Einwanderung nach Deutschland befürworten. Kommt her alle, die ihr mühselig und beladen seid. Hier bitte abladen. Die Folgen bezahlen wir alle. So setzen alle loyalen Bürger auch außerhalb Bayerns seit langem ihre Hoffnung auf die CSU. Ist die CSU rechts? Wenn man dem Parteitag in Augsburg am 13. und

14. Oktober zuhört und unter rechts eine deutschfreundliche, wirtschaftlich zum Wohl des Landes arbeitende Partei versteht, ja. Dort, wo man neben den gut überlieferten und gepflegten Dialekten des Landes auch das sauberste, von abgeschliffenen Endungen freie Schriftdeutsch sprechen kann, vereint das von der CSU seit Kriegsende regierte Land, wie man so schön sagt, Laptop und Lederhose, Pflege der Tradition und Pflege der jeweils modernsten Technik und Wissenschaft. Nicht zufällig stehen zwei der drei geplanten Elite-Universitäten, die mit Milliarden-Zuschüssen Deutschlands Anschluß an das Weltniveau sichern sollen, in München: Die Ludwig-Maximilians-Universität und die Technische Universität. Das Bundesland mit der niedrigsten Arbeitslosenquote hat zugleich mit die effizienteste Polizei bei der Bandenbekämpfung und die rigoroseste Abschiebepraxis für kriminelle Ausländer. Der Rest ist, leider, Bundessache. Daß das Land keine Kernforschungsanlagen mehr hat, mit der man die Energie-Unsicherheit beseitigen könnte, ist ebenso durch den Bund verantwortet.

So konnte der Parteitag in Augsburg selbstbewußt seine Bildungspolitik fortschreiben: "Der heranwachsenden Generation sollten nicht nur Wissen, sondern auch Werte vermittelt werden", heißt es im Leitantrag. Die CSU respektiere andere Religionen und wolle einen Dialog der Kulturen, gerade deshalb bleibe das Kopftuch in der Schule verpönt: "Mit uns wird es keine Symbole, die auf Unterdrückung und Unfreiheit hinweisen, an unseren Schulen geben." Bravo, das würde auch Alice Schwarzer inzwischen unterschreiben.

Rechts von der CSU darf es, wie mal einer ihrer Großen befunden hat, in Bayern nichts geben. Muß es auch nicht. Eher stellt sich immer wieder die Frage, wie wir im übrigen Deutschland jenes Minimum an Selbstachtung und jenes Maximum an Effizienz durchsetzen können. Im übrigen Land, besonders in unserer Hauptstadt Berlin, fehlt es an allem, außer an Sozialhilfeempfängern. In diesem maroden Stadtstaat schickt sich der immer gut gelaunte "Gut so!"-Bürgermeister gerade an, erneut eine Koalition mit den Nachfolgern von Ulbrichts Partei zu bilden.

Deutschland wartet. Das Land ist still - noch. Zur Stunde, da diese Zeilen geschrieben werden, regieren Merkel und Müntefering noch. Von der Gnade der SPD-Linken abhängig, die, von der Macht des Mitregierens fasziniert, auch von den einmal erreichten Privilegien und Posten nicht lassen wollen, die meisten haben die Ämter und hochbezahlten Posten immerhin schon acht Jahre inne. Das macht satt. Sie haben die Große Koalition unterstützt, von Mißerfolg zu Mißerfolg. Bis der Zeitpunkt ihnen gekommen scheint, Schluß zu machen und, wie in den Ländern, "auf die Linkspartei zuzugehen". Warum soll im Bund nicht gehen. was in Berlin und Mecklenburg so gut klappt? Und das ist gut so, würde Wowereit sagen, der schon mal, mit einem Lachen, als Kanzler der zukünftigen Linksregierung ins Spiel gebracht wird. Dreht Euch nicht um, die Volksfront geht um. Was da aufzieht, ist ärger, als daß es auf dem CSU-Parteitag mit Volkstanz und Blasmusik vertrieben werden kann. Auch täusche man sich nicht selbst mit dem verharmlosenden Gerede von zwei Paradiesvögeln der Linkspartei, die nur ins Rampenlicht wollen, Gysi und Lafontaine. Ja, die beiden sind wenig ernsthaft. Eitle Selbstdarsteller, lachhaft. Ernst sind die Leute, die hinter ihnen stehen. In Ost und West. Im Westen die Kader der Gewerkschaften, denen ihre Mitglieder weggelaufen sind, überqualifizierte Marxisten auf der Suche nach einem neuen revolutionären Objekt. Im Osten die nutzlos gewordenen Apparatschiks und das Millionenvermögen der alten KPD, der noch von Stalin in alle Ämter eingesetzten Staatspartei. Die dann, was wir doch bitte nicht verdrängen wollen, die SPD der sowjetischen Besatzungszone schluckte. Das Produkt der Zwangsvereinigung nannte sich SED. Aber der Konkurs der DDR führte nicht zum Konkurs der Partei. Im Gegenteil, samt Funktionären, Büros und Bankkonten nannte sich die Partei fortan PDS. Aber sie allein können die Mehrheit im Land nie gewinnen. Das konnten die Kommunisten in ihrer langen Geschichte noch nie. Dazu ist ihre menschenfeindliche Ideologie zu durchsichtig. Vielleicht aber als Einheitsfront zusammen mit den Sozialdemokraten und "Unabhängigen", also auch Linken? Arbeiterregierung hieß der blutige Versuch 1923 in Deutschland, in Sachsen und Thüringen. Einheitsfront. Später, 1936 in Frankreich, hieß es Volksfront. Ein Traum, der nie zu Ende geht. Für die Deutschen ein Albtraum. "Na und?", würde Gysi sagen. "Na und?", sagt auch Wowereit.

Foto: Stoiber im Konzert der Quertreiber: Ein bißchen mehr Werte à la CSU könnten Deutschland nicht schaden. (pa)


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