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28.10.06 / Mit großem "Hallo" in die Pleite / Sanierungsfall Hauptstadt: Nach dem Karlsruher Urteil sehen Bund und Berlin keinen Handlungsbedarf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Oktober 2006

Mit großem "Hallo" in die Pleite
Sanierungsfall Hauptstadt: Nach dem Karlsruher Urteil sehen Bund und Berlin keinen Handlungsbedarf
von Markus Schleusener

Wie geht es weiter nach dem Karlsruher Urteil? Klaus Wowereit verstand es zunächst diese Niederlage nach Art eines Gebrauchtwagenverkäufers zu einem Lob für seine Arbeit umzumünzen, indem er feststellte: "Das Bundesverfassungsgericht schätzt offensichtlich die Haushaltslage Berlins viel besser ein als wir selber". Der Stadt ginge es also "gar nicht so schlecht". So etwas können nur Politiker.

Auch der zweite Mann im Senat, Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei), gibt sich extrem gelassen. Im ZDF-Morgenmagazin am Montag erklärte er: "Berlin hat nach dem Urteil nicht weniger Geld als vorher." Die Situation habe sich also gar nicht zum Schlechten verändert.

Die beiden - und mit ihnen viele Berliner - irren, wenn sie glauben, daß es so weitergehe, als sei nichts geschehen. Das mag allerhöchstens für den Augenblick stimmen. Langfristig aber muß etwas geschehen, sonst ist Berlin eines Tages wirklich bankrott.

Aber nicht nur die Berliner Politiker reden sich die Situation schön. Auch die anderen Länder und der Bund glauben, daß die Angelegenheit nun für alle Zeit aus der Welt geschafft sei. Dies ist mitnichten so. Denn wenn Berlin eines Tages pleite ginge, dann würde die Kreditwürdigkeit des ganzen Landes darunter leiden. Die Zahlungsunfähigkeit einer einzigen Gebietskörperschaft kann dem Wirtschaftsstandort Deutschland schweren Schaden zufügen.

Verständlicherweise aber freuen sich die anderen Bundesländer darüber, daß sie Wowereits freches Wahlkampfversprechen (kostenloses Kitajahr) nicht bezahlen müssen. (Ganz nebenbei: Ein Kindergartenjahr ist natürlich niemals kostenlos, es kostet immer Geld - entweder das der Eltern oder das der Allgemeinheit.)

Um dieses eine Kindergartenjahr dreht es sich vordergründig, in Wirklichkeit geht es um mehr: Hat die Stadt genug zur Sanierung getan? Sie hat Personal abgebaut, aber nicht genug. 115000 Mitarbeiter sind bei der Stadt direkt oder indirekt beschäftigt. Überzählige Mitarbeiter in der Verwaltung kommen in einen sogenannten Stellenpool. Der ist längst zu Berlins größter Abteilung geworden.

Dieser Stellenpool soll dazu dienen, die Mitarbeiter - egal ob über Weiterbildung oder über Altersteilzeit - aus dem Dienst auszugliedern. Wer im Stellenpool ist, wird mal hier, mal da eingesetzt - oft aber gar nicht. Eine Auflösung durch Kündigung wäre konsequent.

Das alles ist für die Betroffenen schwer. Genauso wie die Gehaltskürzungen im Öffentlichen Dienst. Den Richtern in Karlsruhe gingen die bisherigen "Zumutungen" aber noch nicht weit genug.

Die öffentlichen Verkehrsbetriebe wollten gerade ihre Preise erhöhen. Eine Fahrkarte kostet zur Zeit vergleichsweise günstige 2,10 Euro. Der Senat hat die Verkehrsbetriebe (BVG) jedoch daran gehindert. Er wird diese Entscheidung wohl überdenken müssen. Schließlich schoß er alleine 2004 580 Millionen zu. Obwohl der Betrieb also schwer defizitär ist, sitzt das Geld recht locker. Gerade wurde bekanntgegeben, daß die BVG jedem Mitarbeiter 1000 Euro Weihnachtsgeld zahlt. Macht bei 11500 Beschäftigten 11,5 Millionen Euro Mehrkosten. Und die hohen Vergütungen für die BVG-Direktoren sind ohnehin stets ein Streitthema in der Stadt.

Auch die Krankenhausmuttergesellschaft Vivantes (vom Senat zuletzt mit 290 Millionen Euro unterstützt) zahlt wieder Weihnachtsgeld, zwar nur 30 Prozent des tariflich vereinbarten Satzes, damit aber immerhin um die Hälfte mehr als im Vorjahr.

Andere städtische Firmen sind noch weniger knauserig: Die Landesbank, die Flughäfen und die Wasserbetriebe zahlen das 13. Monatsgehalt, die Stadtreinigung 82 Prozent davon. Im Öffentlichen Dienst ist das Weihnachtsgeld zwar weg, aber die städtischen Betriebe kennen solche Haushaltsdisziplin nicht. Hier kann Berlin viel Geld sparen - wenn es seinen Einfluß geltend macht. Berlin unterhält drei Universitäten: Humboldt-, Freie und Technische Universität. Eine Zusammenlegung eröffnet Sparpotential. Zwölf kommunale Bezirksverwaltungen ließen sich einsparen, laut einem Gutachten brächte dies 450 Millionen Euro. Berlin bleibt noch Spielraum, seine Kosten soweit zu senken, daß es keine höheren Pro-Kopf-Ausgaben mehr ausschüttet als beispielsweise Hamburg.

Die Wohnungsbaugesellschaften sind angeblich fünf Milliarden Euro schwer. Sie sind der größte Besitz der Stadt. Die SPD und die Linkspartei haben versprochen, sie unangetastet zu lassen. Ob sie diese Haltung durchhalten können? Immerhin können sie auf ernstzunehmende Warner verweisen, die einwenden, daß das Versilbern staatlichen Eigentums nur wenig zur dauerhaften Haushaltskonsolidierung beiträgt ("Einmal-Effekt").

Für die Linkspartei ist es eine Frage von Sein oder Nichtsein der Koalition. Schon jetzt wird im Parlament gemunkelt, Wowereits Wiederwahl sei gefährdet, weil PDS-Abweichler ihm die Stimme versagen würden - so wie im März 2005 in Schleswig-Holstein. Zwei linke Abgeordnete haben sich bereits entsprechend geäußert. SPD und Linke/PDS verfügen über eine sehr knappe Mehrheit - von nur zwei Stimmen.

Foto: "Gar nicht so schlecht": Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach der Karlsruher Urteilsverkündung (pa)


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