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28.10.06 / Ein aufrechter Mann

© Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Oktober 2006

Ein aufrechter Mann

Kardinal József Mindszenty, Jahrgang 1892, war eine jener Symbolfiguren, deren reale Bedeutung man heute meist unterschätzt. Seine kirchliche Laufbahn verlief geradlinig: 1915 Priesterweihe, 1919 Stadtpfarrer, 1924 Titularabt, 1937 päpstlicher Hausprälat, 1944 Bischof, 1945 Erzbischof von Esztergom und damit ungarischer Oberhirte, 1946 Kardinal.

Doch es war eine bewegte Zeit: Während der Linksdiktatur 1918/19 führte der Kirchenmann die neugegründete Christliche Partei - und wurde inhaftiert. 1941 legte er aus Protest gegen die NS-Politik seinen deutschen Geburtsnamen Pehm ab und nannte sich Mindszenty. Nach der deutschen Besetzung Ungarns 1944 protestierte er gegen die Judendeportationen. Von November 1944 bis zum Einmarsch der Sowjets war er inhaftiert.

Prompt begann neues Unrecht, gegen das sich Mindszenty mutig einsetzte: Übergriffe der Sowjets, Vertreibung der Deutschen aus Ungarn, Verfolgung von Klerikern, Konfiskationen, Verbot des Religionsunterrichts. Und er bekämpfte die getürkte Volksabstimmung, mit der 1946 die Monarchie abgeschafft wurde. Denn nach der alten Verfassung war der Oberhirte nach dem König die zweithöchste Autorität - und dies ist auch der Grund, warum er sich nach 1956 so lange weigerte, ins Exil zu gehen. Ende 1948 wurde er schließlich verhaftet und 1949 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Am 30. Oktober 1956 wurde er aus dem Gefängnis befreit, unterstützte am 3. November in einer Rundfunkrede die Regierung Nagy - und mußte am 4. in der US-Botschaft Asyl suchen. Durch seine Weigerung, ins Exil zu gehen, wurde er in den späten 60er Jahren zur Belastung für die vatikanische Ostpolitik und auch für das weltpolitische Tauwetter. 1971 gab er schließlich nach und übersiedelte nach Wien, wo er 1975 verstarb. Gerade die seiner Meinung nach zu laxe kirchliche Ostpolitik wurde aber durch die überraschende Wahl eines Polen zum Papst gekrönt: Sie schuf eine neue, noch viel bedeutendere Symbolfigur und trug damit wesentlich zum Zerfall des Ostblocks bei. (RGK)


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