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28.10.06 / Kurzes Glück einer nationalen Erhebung / Vor 50 Jahren schlugen sowjetische Truppen den wenige Wochen zuvor begonnenen Ungarnaufstand nieder

© Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Oktober 2006

Kurzes Glück einer nationalen Erhebung
Vor 50 Jahren schlugen sowjetische Truppen den wenige Wochen zuvor begonnenen Ungarnaufstand nieder

Der Boden war aufbereitet, durch die Schreckensherrschaft des Mátyás Rákosi, der sich "Stalins bester Schüler in Ungarn" nannte, sowie durch Bodenrefom, Reparationen und ausbeuterische Handelsverträge mit der Sowjetunion, die eine katastrophale Wirtschaftslage herbeigeführt hatten.

Die Posener Juni-Unruhen waren in Ungarn aufmerksam verfolgt worden, doch erst nach den Hochschulferien begann die Eskalation: Am 6. Oktober 1956 fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Neubestattung eines von Rákosi hingerichteten und später rehabilitierten Ministers statt. Am 20. gab es eine große Studentenversammlung im südungarischen Szeged. Am 21. wurde der (damals) beliebte und jahrelang inhaftiert gewesene Gomulka neuer KP-Chef in Polen. Und am 23. fand an der Budapester TU eine kurioserweise genehmigte Solidaritätskundgebung mit den polnischen Arbeitern statt. Allerdings wurden dabei - wie zuvor in Szeged - auch radikale Reformen in Ungarn selbst gefordert.

Die Veranstaltung setzte sich auf der Straße fort und wuchs schnell zur Massenbewegung an. Das Stalin-Denkmal wurde geschleift, eine Großdemonstration vor dem Parlament forderte die Wiedereinsetzung des Reformkommunisten Imre Nagy, und beim Rundfunkgebäude floß erstmals Blut: Als aus dem Gebäude geschossen wurde, überließen ungarische Soldaten ihre Waffen den Demonstranten, die das Gebäude stürmten.

Noch in der Nacht gab es die ersten Gefechte mit sowjetischen Truppen. Tags darauf begann ein landesweiter Generalstreik, und es bildeten sich Revolutionskomitees. Das ZK der KP machte Nagy tatsächlich wieder zum Ministerpräsidenten, und der Rákosi-Vertraute Gerö, der erst im Juni auf Druck Moskaus Rákosi als KP-Chef abgelöst hatte, wurde abgesetzt. Am 27. Oktober verkündete Nagy die Auflösung der Geheimpolizei AVÓ, am 30. das Ende des Ein-Parteien-Systems und am 1. November den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt sowie die Neutralität Ungarns.

Die Kämpfe der ersten Tage boten ein uneinheitliches Bild. Ungarische Soldaten waren teilweise desertiert oder hatten ihre Waffen den Rebellen überlassen. Die Entscheidung schien einerseits gekommen, als der zum Entsatz einer von Aufständischen belagerten Kaserne abkommandierte Oberst Maléter zunächst einen Waffenstillstand vereinbarte und sich dann der Reformregierung anschloß. Andererseits zogen sich auch die Sowjet-Truppen wieder in ihre Kasernen zurück - nicht nur weil man auf Befehle aus Moskau wartete, sondern auch, weil Rotarmisten durch die Stationierung in Ungarn "verdorben" waren und mit den Aufständischen sympathisierten.

Doch schon am 1. November überschritten neue Sowjet-Divisionen die Grenze. Die Anrufung der Uno durch Nagy am 2. November verhallte wirkungslos - in New York war man schon mit der Suezkrise überfordert. Die "Rückeroberung" dauerte vom 4. bis 15. November, wobei sich die heftigsten Gefechte in der Hauptstadt abspielten.

2000 bis 3000 Gefallenen auf ungarischer Seite standen 700 bis 1000 auf sowjetischer gegenüber. Etwa 200 Panzer wurden zerstört. Mehr als 30000 Ungarn wurden in die UdSSR deportiert, etwa 500 zum Tode verurteilt, von denen die Hälfte tatsächlich hingerichtet wurde. 200000 Ungarn flohen nach Österreich, ehe die Grenze wieder "dichtgemacht" wurde. (RGK)


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