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28.10.06 / Jugend macht Schule / Junge Computerfreaks unterrichten ältere Menschen erfolgreich in der Arbeit am PC

© Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Oktober 2006

Jugend macht Schule
Junge Computerfreaks unterrichten ältere Menschen erfolgreich in der Arbeit am PC
von Anja Martin

Konzentriert sitzt der ältere Herr vor dem Computer und versucht, ein Bildbearbeitungsprogramm zu öffnen. "Das funktioniert nicht", schimpft er, und in seiner Stimme mischt sich gerechte Empörung mit leiser Panik. Ein junger Mann, Wollmütze auf dem Kopf und Cola in der Hand, blickt ihm über die Schulter. "Versuchen Sie's mal mit 'nem Doppelklick", rät er. Und schon öffnet sich das Programm.

Es ist eine typische Szene in einem ungewöhnlichen Computerkurs. Ungewöhnlich deshalb, weil hier junge Menschen älteren etwas beibringen und nicht umgekehrt. "Jugendliche sind mit dem PC groß geworden und gehen sehr unbefangen damit um", erklärt Werner Wintzheimer. "Viele ältere Menschen aber tun sich schwer."

Diese Erkenntnis brachte den EDV- und Unternehmensberater aus dem fränkischen Markt Einersheim auf die Idee, die Kompetenz der Jugendlichen für die Erwachsenen zu nutzen. Ziel des Computerkurses mit vertauschten Rollen soll aber nicht nur die Vermittlung von Fachkenntnissen sein. "Es geht auch darum, Alt und Jung zusammenzubringen."

Jung, das sind die Mitglieder der örtlichen Feuerwehrjugend und einige ihrer Freunde, insgesamt zehn Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren. Jeweils zwei von ihnen leiten einen Kursabend, auf den sie sich mit Unterstützung von Werner Wintzheimer vorbereiten. Die anderen stehen den Kursteilnehmern für Fragen zur Verfügung. "In welchem Computerkurs haben Sie sonst eine solch intensive Betreuung?" freut sich Erwin Offner. Der Vorsitzende des Feuerwehrvereins hat die Leitung des Projekts "Jugend macht Schule" übernommen.

Im Frühjahr vergangenen Jahres startete der erste Kurs: Sechs Wochen lang, zwei Abende in der Woche lernten 20 ungeübte Computernutzer und Neueinsteiger Texte zu formatieren, E-Mails zu verschicken und im Web zu surfen. Im Herbst folgte der Aufbaukurs. "Die Jugendlichen haben große Geduld mit uns", lacht Karl-Hans Lefhalm. "Auch nach der zehnten Frage geben sie noch nette Antworten." Der 62jährige hat sich für den Kurs angemeldet, weil er dazulernen möchte, denn: "Wer ist schon sicher am PC?"

Kindergärtnerin Brigitte Segritz möchte herausfinden, wie sie Fotos, die sie mit ihrer Digitalkamera schießt, am PC bearbeiten kann. Der Kurs macht ihr richtig Spaß. "Ich finde toll, daß man miteinander in Kontakt kommt", sagt die 49jährige. "Man sieht die Jugendlichen in einem anderen Licht und lernt sie als nette Burschen kennen." Damit nennt Brigitte Segritz einen Aspekt, der den Projektverantwortlichen ganz besonders am Herzen liegt. Denn wie überall begegnen sich Jung und Alt auch in Markt Einersheim mit Vorbehalten. "Die hängen immer nur rum, sind unfreundlich und nachlässig gekleidet", bringt Werner Wintzheimer die Vorurteile auf den Punkt. Die Jugendlichen hingegen seien von den Älteren einfach nur angenervt. "Durch die gemeinsame Arbeit aber wachsen die gegenseitige Achtung und Anerkennung."

"Die Jugendlichen erleben, daß das, was sie zu bieten haben, Anklang findet und gebraucht wird", sagt Projektleiter Erwin Offner. "Das macht selbstbewußt."

Dieser Ansatz überzeugte auch die "Aktion Mensch". Im Rahmen ihrer Förderaktion 5000 x Zukunft, mit der die Sozialorganisation Projekte der Kinder- und Jugendhilfe unterstützt, fördert sie auch die Initiative "Jugend macht Schule".

"Das Spannende an dem Projekt ist, daß die Jugendlichen die Erwachsenen einmal in der Lernsituation erleben und sehen, daß es Bereiche gibt, in denen sie fitter sind", erklärt Uwe Blumenreich von der "Aktion Mensch".

Die Jugendlichen selbst sehen das Kursgeschehen cooler. "Manchmal ist es schon ein bißchen nervig", sagt Felix Bott, "aber es ist schön zu sehen, daß etwas hängen bleibt." Der 16jährige Schüler beschäftigt sich in seiner Freizeit viel mit Computern und kennt sich gut aus. Doch selbst er hat im Kurs etwas Neues gelernt: "Ich merke, daß ich freier vortragen kann."

Ein bißchen lustig sieht es schon aus, wie die Frauen und Männer - die jüngsten Ende 40, die ältesten Mitte 70 - auf den für ABC-Schützen gedachten Stühlchen vor den Bildschirmen hokken. Schließlich findet der Kurs im Computerraum der Grundschule statt. 31 nagelneue Rechner stehen hier. Einen Teil der technischen Ausstattung hat die Gemeinde finanziert, den größten Teil aber Nikolaus Knauf. Der Unternehmer war von der Initiative "Jugend macht Schule" so begeistert, daß er 15 Computer sponserte. "Ich glaube, den Ausschlag dafür hat die Zusage der ,Aktion Mensch' gegeben, unser Projekt zu fördern", sagt Werner Wintzheimer. "Das war eine Art Gütesiegel und wirkte als Initialzündung."

Die Förderung durch die Sozialorganisation endet mit dem Abschluß des Kurses. Das Projekt aber wird in modifizierter Form weiterbestehen. Werner Wintzheimer träumt davon, einmal im Monat eine Art Computer-Weiterbildungsabend auf die Beine zu stellen. Geplant ist bereits ein Treffen zum Thema "Kindersicherheit im Netz", das sich speziell an Eltern wendet. "Wir werden dort ein Programm vorstellen, das es Müttern und Vätern ermöglicht, bestimmte Seiten im Internet für ihre Kinder unzugänglich zu machen", erklärt Felix Bott.

Weitere Informationen sind zu finden bei der Aktion Mensch, Heinemannstraße 36, 53175 Bonn, Telefon (02 28) 2 09 22 00, E-Mail: info@aktion-mensch.de, oder im Internet unter www.aktion-mensch.de


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