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04.11.06 / Nichts Genaues weiß man nicht / Bezüglich des Bundeswehr-Einsatzes im Libanon kommen immer mehr Fragwürdigkeiten ans Licht

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. November 2006

Nichts Genaues weiß man nicht
Bezüglich des Bundeswehr-Einsatzes im Libanon kommen immer mehr Fragwürdigkeiten ans Licht
von Dietrich Zeitel

Im Laufe der letzten Woche verdichteten sich die Hinweise, daß der Verteidigungsausschuß informiert worden sei, daß die Unifil-Kräfte ("United Nations Interim Force in Lebanon") innerhalb einer Sechs-Meilen-Zone nur auf Anforderung des Libanons tätig werden dürften. Darüber hinaus sei für deutsche Marineangehörige das Betreten eines Schiffes, das im Verdacht stehe, für die Hisbollah Waffen zu transportieren, nur im Beisein libanesischer Kräfte möglich. Mit dieser Einschränkung würde mehr oder weniger die Position des Libanons bestätigt, der signalisiert hatte, daß er mit einer Einschränkung seiner Souveränitätsrechte nicht einverstanden sei.

Die Opposition im Bundestag sprach mit Blick auf die jetzt evident gewordenen Widersprüche im Hinblick auf den Libanoneinsatz von einem "Wortbruch". Besonders glaubwürdig klingen die Vorwürfe, die FDP-Chef Westerwelle vorbrachte, freilich nicht. Die Opposition muß sich nämlich fragen lassen, warum sie sich nicht bereits vor der Abstimmung mit der Frage der Souveränitätsrechte des Libanons beschäftigt hat, an deren uneingeschränkter Aufrechterhaltung der Zedernstaat immer festgehalten hat.

Für ein gewisses Maß an Aufklärung der im Raum stehenden "Mißverständisse" sorgte in der Folge Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Er machte laut eines Berichtes von "Spiegel-Online" deutlich, daß das Libanon-Mandat "nachträglich eingeschränkt" worden sei. Zu dem Zeitpunkt, als der Bundestag den Einsatz verabschiedet habe, so Arnold, seien die Regelungen zwischen dem Libanon und der Uno noch nicht ausgehandelt gewesen. Daher sei es für die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt schwierig gewesen, Auskunft zu geben. Ähnlich äußerte sich dann Verteidigungsminister Jung, der darauf verwies, daß es angeblich klar gewesen sei, daß die Einzelheiten des Mandats noch vor Ort festgelegt werden würden.

Trifft dies so zu, müssen sich Bundestag und Bundesregierung fragen lassen, welchen Sinn eine Abstimmung ergeben soll, wenn die Einzelheiten des Mandats, über das abgestimmt wird, noch gar nicht bekannt sind.

In der Regel steht in einer derartigen Situation die Entlassung eines "Sündenbocks" an. Diese Rolle wuchs Ende letzter Woche mehr und mehr Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert zu. Er soll die Einsatzregeln in einer schriftlichen Information für den Bundestag laut "Bild am Sonntag" angeblich "mißverständlich formuliert" haben. Merkel soll über Wichert "dermaßen verärgert" sein, daß eine Entlassung des beamteten Staatssekretärs die Folge sein könnte.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, forderte dessenungeachtet, daß über den Libanon-Einsatz neu verhandelt werden müsse. Sinn des Unifil-Einsatzes sei gewesen, so Gertz gegenüber der Chemnitzer "Freien Presse", Waffentransporte über See zu verhindern. Das lasse sich nicht garantieren, wenn die Truppen von Beirut abhängig seien. Gertz verwies in diesem Zusammenhang unter anderem auf Israel und die Gefahr einer erneuten Seeblockade. Zu ergänzen ist, daß aufgrund des eingeschränkten Mandats auch die Hisbollah ihren Einfluß auszuspielen versuchen könnte, um die Verhinderung von Waffenlieferungen an der einen oder anderen Stelle zu torpedieren.

Das wird auch in Israel so gesehen und ist ein Argument für dessen Militärflüge über dem Libanon. Israel begründet diese Flüge damit, daß die libanesische Hisbollah nicht entwaffnet werde und es angeblich Hinweise auf Waffenlieferungen an sie gebe. Alain Pellegrini, der französische Oberbefehlshaber der Unifil-Truppen, ist allerdings bestrebt, die israelischen Überflüge über dem Libanon zu unterbinden, weil er darin eine "Vertragsverletzung" sieht.

Der israelische Regierungssprecher Mark Regev erklärte in diesem Zusammenhang, daß Israel die UN-Resolution 1701 weitgehend erfüllt habe, der Libanon die Kernbedingungen hingegen nicht.

Mitte letzter Woche kam es dann zu einem ersten ernsthaften Zusammenstoß zwischen der israelischen Luftwaffe und deutschen Marineeinheiten. Zwei israelische F-16-Kampfjets sollen über dem deutschen Aufklärungsschiff "Alster", das sich zu diesem Zeitpunkt etwa 100 Kilometer vor der libanesischen Küste in internationalen Gewässern befand, zwei Schüsse und Täuschkörper abgefeuert haben. Die "Alster" ist indes ein besonderes Schiff; sie ist mit speziellen Sensoren ausgerüstet und wird im Bereich der "strategischen Informationsgewinnung" eingesetzt. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP gehört das Schiff nicht zum UN-Einsatz der Marine für den Libanon; seine Mission scheint also vor allem in der "Informationsgewinnung", sprich: der Spionage zu bestehen. Die "Alster" ist in der Lage, mittels seiner Hightech-Ausrüstung israelische Überwachungsflüge über dem Libanon zu verfolgen, was den Israelis mit Sicherheit nicht entgangen ist. Daß diese in einem derartigen Fall keinen Spaß verstehen, haben sie schon einmal demonstriert, und zwar im Sechs-Tage-Krieg, als sie das US-Spionageschiff "USS Liberty" beschossen hatten. Damals waren 34 Angehörige der US Navy getötet worden.

Weiter wurde bekannt, daß ein deutscher Helikopter von israelischen Kampfflugzeugen bedrängt worden war, was zu einem angeblich "in einem scharfen Ton" geführten Telefongespräch zwischen Jung und Israels Verteidigungsminister Amir Peretz geführt haben soll. Der Hubschrauberpilot, so die Version Israels, soll die "internationale Frequenz" nicht aktiviert haben, was eine Identifikation verhindert habe. Deshalb seien israelische Kampfjets aufgestiegen.

In der Nacht vom vorletzten Donnerstag auf Freitag soll es laut Pressemeldungen einen weiteren Zwischenfall gegeben haben, den das Bundesverteidigungsministerium mittlerweile bestätigt hat.

Diese Vorfälle zeigen, wie schnell sich die Lage im Libanon zuspitzen kann. Vielsagend ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung in der "FAZ": "Inoffiziell heißt es in Israel, daß das deutsche Verteidigungsministerium" zugebe, "daß die Kontrolle ihrer Marineflotte nicht ausreiche, um einen Waffenschmuggel längs der Küste zu verhindern". Die Gefahr, daß Israel deshalb "auf seine Art" intervenieren könnte, steht im Raum und damit die Möglichkeit, daß es zu dem kommen könnte, was man in Berlin unbedingt ausschließen möchte, nämlich zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Bundeswehreinheiten und israelischen Streitkräften. Hier zeigt sich eine Schwäche der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats, mit dem das Unifil-Mandat ausgeweitet wurde: Dieses Mandat soll die Befriedung der israelisch-libanesischen Grenze garantieren; die Ursachen des Konfliktes läßt es aber unberührt.

Foto: Die "FGS Alster": Das Flottendienstboot ist eine hocheffiziente Frühwarn-, Fernmelde- und Aufklärungseinheit. Das in einen Zwischenfall mit iraelischen Flugzeugen verwickelte deutsche Schiff gehört nicht zum internationalen Einsatzverband. (pa)


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