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04.11.06 / "Weißes Gold" auf Tischen und Tafeln / Das Westfälische Landesmuseum in Münster zeigt Prachtstücke der Königlichen Porzellanmanufaktur

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. November 2006

"Weißes Gold" auf Tischen und Tafeln
Das Westfälische Landesmuseum in Münster zeigt Prachtstücke der Königlichen Porzellanmanufaktur

Porzellan - das "weiße Gold" - spielte in der aristokratischen Lebenswelt des 18. Jahrhunderts eine zentrale Rolle. Es war Ausdruck verfeinerter Tischkultur, diente der Selbstinszenierung, entfachte Sammler-

interesse und Begehrlichkeit, war kostbares Geschenk im Dienste der Freundschaft und Diplomatie und verband sich auch mit handfesten wirtschaftlichen Interessen. Mit dem Besitz einer Manufaktur gebot ein Herrscher nicht nur über das begehrteste Luxusgut der Zeit, sondern hielt auch einen handelspolitischen Trumpf in Händen.

Eine Ausstellung des "Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)" gibt in Münster einen repräsentativen Überblick zur Produktion einer der bedeutendsten Manufakturen Europas - der "Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin" (KPM). 255 Objekte einer Privatsammlung machen die Besonderheiten der Service und Dekore der KPM in ihrer Mischung aus höchstem kunsthandwerklichen Können und immer wieder neu belebter künstlerischer Phantasie von der Anfangszeit bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts anschaulich. Gezeigt werden vornehmlich Einzelstücke und kleine Ensembles, ergänzt durch einige figürliche Porzellane.

Die von Dr. Angelika Lorenz kuratierte Schau präsentiert die Exponate eingebettet in die Kultur- und Geistesgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts und vermittelt gleichzeitig Tisch- und Eßkultur als ein sinnliches Erlebnis, das in veränderter Form auch in unserem heutigen Leben nachwirkt.

"Die Ausstellung", so Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold, "lenkt seit längerem wieder den Blick des Publikums auf einen wichtigen Sammlungsbestandteil unseres Mehrspartenhauses, den Bereich des Kunsthandwerks mit Möbeln, Silber und eben Porzellan."

Das große Vorbild für alle deutschen Porzellanunternehmungen war Meißen, wo man das Geheimnis der Porzellanherstellung Chinas wiederentdeckt und 1710 die erste deutsche Manufaktur unter dem Patronat des Landesherrn, des sächsischen Kurfürsten, gegründet hatte. Er fand in Preußen einen Seelenverwandten. Friedrich der Große erwarb die vom Konkurs bedrohte Berliner Porzellanmanufaktur Gotzkowsky aus seiner privaten Schatulle, begründete 1763 die KPM und sollte ihr bester Kunde werden. Die Ausstellung zeigt das Profil und künstlerische Niveau einer Manufaktur, die über Jahre durch einen kunstsinnigen und großzügigen König geprägt war.

So sind es vor allem die Tafelservice, die Friedrich der Große für seine Schlösser bestellte oder die er Freunden schenkte, in denen sich der Stil der Manufaktur formt im Zusammenklang einer ausdrucksvollen plastischen Durchbildung mit einer subtilen Malerei.

Des Königs Geschmack - das friderizianische Rokoko - in der Ausstattung seiner Schlösser in Potsdam, Berlin und Breslau findet sich auch in den Produkten seiner Porzellanmanufaktur. Sie gaben den Tafeln und Gesellschaften Glanz und verblüffen den heutigen Betrachter durch ihre Vielfalt: Große und kleine Platten und Teller, Anbietschalen, filigran durchbrochene Obstkörbe, Terrinen, Gewürzschalen, Kannen und Kännchen zum Zelebrieren der neuen Luxusgetränke Tee, Kaffee und Schokolade, der Formenreichtum der Tassenmodelle, Dessertteller, deren Durchbrucharbeit die Speise wie von einer Spitzenmanschette umhüllt sein läßt; sie zeigen die Freude an dem neuen Material und höfische Tischkultur.

Reliefzierat, Antikglatt, Ozier, Königsglatt - die berühmten Berliner Modellschöpfungen sind in ausgewählten Exemplaren präsent bis hin zum Kurländischen Muster - einem "Bestseller" der Manufaktur bis in die Gegenwart. Kennzeichnend für die KPM ist eine besonders qualitätvolle Malerei.

Es sind die galanten Szenen nach Antoine Watteau, dem Lieblingsmaler des Königs, die sich auch auf Kannen und Tassen finden, eine übermütige Puttenschar, Schäferidyllen und ländliche Szenen, in denen die Realität transformiert ist in das Sehnsuchtsland Arkadien - der Kosmos des Rokoko entfaltet sich auf Porzellan.

Im Wechselspiel der Dekore bleibt eine Konstante: die Blumenmalerei. Die Blumenfülle des Berliner Porzellangartens ist überwältigend. In den Anfängen sind es aquarellhaft getupfte, zarte Bouquets und wie herangeweht erscheinen Einzelblüten. Später entfalten sich auf den glänzenden Flächen sinnlich-vitale Blüten; dann wieder in oft kühnen Farbzusammenstellungen oder Arrangements in delikater Ton-in-Ton-Malerei. Botanisch genau, zum Greifen schön und farblich delikat bleiben die Berliner Blumen über alle Epochen hinweg eine Spezialität der Manufaktur, ein Ausweis für die hohen künstlerischen Standards der Manufaktur.

Die Rokokoheiterkeit machte schließlich einem vernunftbetonten Zeitalter Platz; die Aufklärung fordert einen neuen Menschen mit verbindlicher Moral und Lebensausrichtung. Es zählt die Kraft des Geistigen, die Ernsthaftigkeit des Gedankens, Selbst-bestimmung aber auch der intensivere Blick zum Mitmenschen - in diesen Wünschen entdeckte man die Schriften der antiken Denker wieder.

Innere Klarheit, Ordnung und Strenge sollen sich auch in den Dingen widerspiegeln, mit denen man sich umgibt. Die Porzellanmodelle verlieren ihre Reliefs und Schwünge, werden gradliniger und schlichter, die Üppigkeit der Dekore weicht graphischen Mustern, kleinen Motiven und glatten Farbflächen, die auch das reine Weiß wieder mehr zur Geltung kommen lassen.

Durch die Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum, in deren Verlauf der ästhetische Formenschatz der Antike wiederentdeckt wird, kulminiert die Antikenbegeisterung in Europa und findet in vielen Lebensbereichen ihren Widerhall.

Auch die KPM bietet nun Tassen, Kannen, Dosen und Terrinen an, die sich formal an antiker Gefäßkeramik orientieren, sie führt Terrakottatöne, Schwarz und Pompejianisch-rot in die Farbpalette ein, läßt Abbildungen von Göttern und Helden auf dem Porzellan erscheinen.

Mit der schön gestalteten Tasse, die sogar einzeln erworben werden konnte, beginnt um 1800 schließlich ein Demokratisierungsprozeß der Porzellankultur. Nicht allein die höchsten Kreise können nun an ihr teilhaben, sondern auch das wohlgestellte Bürgertum erwirbt sich mit einer Tasse ein kleines Vitrinendenkmal und erhält die Möglichkeit, schlichter bemalte einfachere Geschirrmodelle zu erstehen, zur Abrundung biedermeierlicher häuslicher Behaglichkeit. pm

Die Ausstellung "Berliner Porzellan - Glanz und Eleganz von Tischen und Tafeln" ist im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Domplatz 10, 48143 Münster, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr zu sehen, Eintritt 3,50 / 2,10 Euro, Telefon (02 51) 5 90 72 01, bis 7. Januar 2007.


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