26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.11.06 / Verführer ohne Gesicht / Schwert und Schild der SED - die Stasi war das Terrorinstrument des Markus Wolf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. November 2006

Verführer ohne Gesicht
Schwert und Schild der SED - die Stasi war das Terrorinstrument des Markus Wolf
von Sverre Gutschmidt

Der langjährige Chef der DDR-Auslandsspionage, Markus Wolf, ist im Alter von 83 Jahren "überraschend ganz friedlich eingeschlafen", wie seine Familie berichtet.

Der NS-Gegner (Exil in Moskau), der jahrelang Agenten in westliche Schlüsselpositionen schleuste, unter anderem auch Günter Guillaume ins Bundeskanzleramt zu Willy Brandt, der "Mann ohne Gesicht" (erstes Foto bei westlichen Geheimdiensten 1979), die Nummer zwei hinter dem polternden Stasi-Chef Erich Mielke starb im Bett.

In Fraktionsstärke will er Agenten und Zuträger unter den westdeutschen Bundestagsabgeordneten gehabt haben. Das vielfach gefürchtete Spionage-Netz, das Wolf aufbaute, verhinderte nicht den Zusammenbruch der DDR - auch wenn Weggefährten bis heute darauf bestehen, Wolf habe mit seinen Agenten in der Bundesrepublik nur jede feindliche Aktion gegen die DDR unmöglich machen wollen.

Nach der Wende wurde "Mischa" zum gefragten Talkshowgast und Literaten. Dabei hatte sein Lebenswerk durchaus, wie man in Wolfs schwäbischer Heimat sagt, "Geschmäckle" (schlechten Geruch). So offenbarte er zeitlebens wenig über die geheimen und unmenschlichen Praktiken seiner "Firma", der Stasi, dafür schrieb er 1995 über "Die Geheimnisse der russischen Küche". Wortspielerisch vermarktete er so und in anderen Büchern seine düstere Vergangenheit.

Über die West-Medien wußte er schon lange vor dem Ende der DDR fast alles. In die "Feindzentrale", so der Titel eines Christhard-Läpple-Films über Stasi-Mitarbeiter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, schickte Wolf Hunderte Agenten und Zuträger. Nachweislich 69 Inoffizielle Mitarbeiter dienten allein im ZDF. Vor Mord, zumindest Rufmord, schreckte Wolfs Abteilung nicht zurück: Gerhard Löwenthal, Chef des ZDF-Magazins, war Ziel einer Schmutzkampagne wegen dessen "Hilferufen von drüben". Einige Zuträger Wolfs arbeiten auch nach ihrer Enttarnung bis heute beim ZDF.

In eigener Sache blieb der Agentenleiter aller gestellten Nachdenklichkeit zum Trotz uneinsichtig: Weil er selbst Jahre nach dem Ende der DDR die Namen von Mitarbeitern nicht nennen wollte, saß er in Beugehaft. Auch zeigte er nie Reue. Die Haftbedingungen der Stasi, der Umgang mit Dissidenten wie Zuträgern, die tausendfach zerstörten Biographien, die Selbstmorde im Zuge der "Romeo"-Aktionen der Stasi, bei denen westdeutsche Sekretärinnen in Schlüsselpositionen von vermeintlichen Liebhabern - in Wirklichkeit Agenten - zum Landesverrat gebracht wurden - all diese von ihm geleiteten Verbrechen blendete er bis ans Ende aus, wurde nie juristisch dafür belangt.

Als "Literat" und "Intellektueller" ließ sich der Sohn eines Dramaturgen hingegen gern feiern - nicht nur von seiner Klientel. Die deutsche Medienlandschaft hofierte ihn nach dem beruflichen Aus als "elder statesman", als Staatsmann im Ruhestand. So überraschte er mit der Aussage, die Ausbürgerung Wolf Biermanns sei gegen DDR-Recht gewesen, nur um das Interview mit "Deutschlandradio Kultur" dann für seine Rechtfertigung zu nutzen: Sein Bruder Konrad (Defa-Regisseur) und er hätten versucht, zusammen mit Gesinnungsgenossen die DDR zu verbessern. Desinformation blieb somit das Lebensziel von "Mischa".

Als guten Menschen der HVA, der Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi, stellte ihn gar jüngst der "Focus" dar: Wolf half seinem Neffen nach dessen mißlungener Republikflucht. Für den Verwandten gab es kaum Haft und sogar die bereits in den Westen geflüchtete schwangere Freundin wurde zur Familienzusammenführung zurück in die DDR gelotst - kleines Glück. Auf eine ähnliche Chance "durften normale DDR-Bürger nicht hoffen", so "Focus".

Nur in den Wende-Tagen täuschte er niemanden. Sein Versuch, nach dem freiwilligen Ausscheiden aus der Stasi 1986 als Möchtegern-Reformer 1989 Honecker zu beerben, scheiterte an den Pfiffen der Montagsdemonstranten. Es war sein einziger echter Krisenmoment: Wolf setzte sich nach Moskau ab, kehrte aber zurück - niemand wollte ihn dort.

Finanziell hatte er dagegen ausgesorgt. Während Stasi-Opfer jahrelang für bescheidene Opfer-Renten kämpften, konnte "Mischa" auf eine solide Rente bauen. Nach Informationen von Opferverbänden bezog er als Spionagechef und Mielke-Stellvertreter (1956-1986) 72924 Mark-Ost pro Jahr - Spitzenverdienst in der DDR mit daraus resultierenden hohen Rentenansprüchen. Spätere TV-Auftritte und Bucherlöse rundeten die Bilanz ab.

Beigesetzt wird Wolf auf dem SED-Prominentenfriedhof Friedrichsfelde, in unmittelbarer Nähe seines Chefs - Erich Mielke.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren