19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.11.06 / Hartz-IV-Pannen werden teuer / Bundessozialgericht stellt neue Regeln auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. November 2006

Hartz-IV-Pannen werden teuer
Bundessozialgericht stellt neue Regeln auf
von Klaus D. Voss

Eben noch glaubte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) an eine glücklichere Zukunft für seinen Haushalt, da legt das Bundessozialgericht ihm neue, kaum noch kalkulierbare Hindernisse in den Weg zu einem ausgeglichenen Etat: Die Ausgaben für Hartz-IV-Empfänger werden wegen der Gesetzespannen deutlich steigen.

Knapp zwei Jahre nach Inkrafttreten der Arbeitsmarktreform sind die ersten Klagen zum Arbeitslosengeld II auf dem Instanzenweg beim Bundessozialgericht in Kassel angekommen. Die Bundesrichter hakten jedenfalls bei den eklatanten Mängeln des Gesetzes ein und sprachen den Klägern höhere Leistungen zu.

Hartz IV hatte zu einer beispiellosen Klageflut vor den Sozialgerichten geführt (60000 Verfahren in den ersten acht Monaten) - "Da brennt wirklich die Luft", beklagte NRW-Sozialgerichtspräsident Jürgen Brand die Überlastung der ersten Instanz.

Hauptstreitpunkt ist und bleibt das Thema Wohnen, also Mieten und Nebenkosten. Hier durchkreuzen die Bundessozialrichter den eisernen Sparwillen der Hartz-IV-Agenturen - niemand muß nach dem sogenannten "München-Urteil" in einen anderen Ort mit niedrigeren Mieten umziehen (Az.: B 7b AS 18/06 R). Auch dürfen die Behörden sich nicht auf bundeseinheitliche Wohngeldtabellen stützen, sondern müssen im Einzelfall prüfen, was angemessen ist (Az.: B 7b 10/06 R). Kostenabschätzung: deutlich steigend.

Auch bei den Nebenkostenabrechnungen sind die Bundesrichter deutlich großzügiger als die Entscheider vor Ort - sie beklagen, daß der Gesetzgeber keine eindeutigen Regeln aufgestellt hat und akzeptieren auch hohe Abrechnungen.

Besonders teuer wird das Kapitel Wohneigentum von Hartz-IV-Empfängern. Im exemplarisch entschiedenen Fall (Az.: B 7b AS 2/05) hatte eine arbeitslose junge Frau aus Augsburg eine 75 Quadratmeter große Eigentumswohnung. Zu groß, fand die Sozialbehörde und wollte die 25jährige zwingen, die Wohnung zu verkaufen und zunächst ihren Lebensunterhalt aus dem Erlös zu finanzieren.

Das Bundessozialgericht stieß bei der Verhandlung auf einen besonders schweren Fehler im Hartz-IV-Gesetz: Dort gibt es keine rechtlich verbindliche Regelung außer der, das Wohneigentum unter "Schonvermögen" für die Alterssicherung fällt und nicht verkauft werden muß.

Also entschieden die Kasseler Richter, mangels rechtlicher Alternativen die alten Grenzwerte nach der Wohnungsbauförderung heranzuziehen - das waren die Obergrenzen beim normalen Einfamilienhausbau: 120 Quadratmeter sind der Regelwert für eine vierköpfige Familie, bei kleineren Haushalten reduziert sich die Fläche um 20 Quadratmeter je Person, allerdings nur bis auf die Mindestgröße von 80 Quadratmetern. Fazit: die 25jährige kann ihre Wohnung behalten und Hartz IV beziehen.

Inzwischen ist selbst in der SPD-Fraktion die Wut über die Hartz-IV-Pannen des früheren Bundesarbeitsministers Wolfgang Clement groß. Der Ex-Minister - das entsprach seinem politischen Arbeitsstil insgesamt - hatte Ende 2004 das Gesetz im Parforce-Ritt durchgedrückt und dabei die Verbesserungsvorschläge seiner Fachbeamten wie Widerstandsdrohungen abgetan - jetzt wird die Rechnung dafür nachgereicht.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren