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18.11.06 / Wie ein Tor Nationalsymbol wurde / Vor 200 Jahren entführte Napoleon Bonaparte die Quadriga vom Brandenburger Tor

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. November 2006

Wie ein Tor Nationalsymbol wurde
Vor 200 Jahren entführte Napoleon Bonaparte die Quadriga vom Brandenburger Tor
von Manuel Ruoff

Eine Schmähung, der die Genugtuung folgte, machte das Brandenburger Tor zu dem deutschen Wahrzeichen und Nationalsymbol. Anfänglich war das Tor nur eines von vielen in und um die preußische Hauptstadt. Wie gering die politische Bedeutung war, welche ihre Erbauer ihr beimaßen, zeigt die Tatsache, daß weder bei der Eröffnung des Bauwerkes 1791 noch bei der Aufstellung der Quadriga 1793 der König zugegen war. So war es denn mit Kaiser Napoleon ein fremder Eroberer, der als erster feierlich durch das Tor zog. Bonaparte hatte Sinn für politische Symbolik. Die Bedeutung, die das Brandenburger Tor für seine politische Theatralik hatte, wird darin deutlich, daß er zu seiner Einholung die Vertreter der Bürgerschaft vor das Tor bestellte, um von ihnen die Schlüssel der Stadt zu übernehmen, deren Empfang er in Potsdam noch abgelehnt hatte. "Der Weg von Charlottenburg nach Berlin ist sehr schön, der Einzug durch dieses Thor ist großartig", lautete sein Resümee.

Im Gefolge des Kaisers der Franzosen reiste Baron Dominique Vivant Denon mit, "n´òtre voleur à la Suite de la Grande Armée". Der als kultiviert und angenehm im Umgang geschilderte "Directeur général des Musées impériaux", von dem es hieß, daß er der "vielleicht bedeutendste Experte und die fleißigste, künstlerischste und höflichste Person in der Geschichte des Kunstraubs" sei, maß dem Brandenburger Tor eine ähnliche politische Bedeutung bei wie sein Herr. "Wenn endlich dieses Werk auch nicht als ein Kunstwerk betrachtet werden sollte, so könnte und müßte es doch als Trophäe dienen und gelten", lautete seine Einschätzung. Am 12. November 1806 wurde er beim Schöpfer der Quadriga, Gottfried Schadow, in dessen Atelier vorstellig und bat ihn so freundlich wie bestimmt um Adresse und Name des Kupferschmieds, der das Gespann gefertigt hatte, damit dieser das Gespann demontiere und reisefertig für den Abtransport nach Paris mache, wo es einen noch zu bauenden Triumphbogen zieren sollte. Schadow reagierte mit einem von ihm und anderen namens der Königlichen Akademie der Künste unterzeichneten Bittschreiben, von einer Entführung des Kunstwerkes abzusehen, da es "Abnahme und Transport schwerlich aushalten" würde, was nicht gelogen war.

Trotzdem ließ Denon den Kupferschmied Emanuel Ernst Jury am 18. November 1806 zur Demontage und Verpackung des 13 Jahre zuvor von ihm gefertigten Gespannes abholen. Vom 2. bis 8. Dezember dauerten Jurys Demontagearbeiten am eigenen Werk. Am 21. Dezember 1806, keine zwei Monate nach Napoleons triumphalen Einzug durch das Tor, verließ deren Quadriga, verpackt in einem Dutzend Kisten, Berlin Richtung Paris, wo sie am 17. Mai 1807 im Hafen St. Nicolas eintraf und entsprechend Schadows Warnung erst einmal repariert werden mußte, um dann der Aufstellung auf Napoleons Triumphbogen zu harren.

Als Stachel im Fleisch der Berliner, der Preußen, ja der Deutschen erwies sich die nackt zurückgelassene Befestigungsstange, die einst Tor und Figurengruppe verbunden hatte. In den folgenden Jahren wendete sich das Kriegsglück zugunsten Preußens, doch bedeutete das noch lange nicht, daß die Preußen deshalb mit der Rückkehr ihrer Göttin rechneten. So wurde nach Ersatz gesucht. Die Gedanken kreisten um das von Karl Friedrich Schinkel zwischenzeitlich entworfene Eiserne Kreuz, das sich nach seiner Stiftung als Orden an Königin Luises 37. Geburtstag zu einem populären Hoheitszeichen Preußens entwickelte. Die nach der Völkerschlacht bei Leipzig ventilierte Idee eines "kolossalen" Eisernen Kreuzes anstelle der Quadriga lehnte Schinkel als "Vandalismus" ab, da ein "Kreuz als ein in einem einzigen Begriff abgeschlossener, keiner unendlichen Ausbildung fähiger Gegenstand ... ebensowenig als etwa ein Quadrat oder ein Dreieck zu einem Kunstwerk erhoben oder mit einem vorhandenen Kunstwerk ... verbunden werden" könne.

Alternativvorschläge wurden jedoch hinfällig, als die Quadriga in Paris von den siegreichen Alliierten ausfindig gemacht wurde. In einem Trumphzug durch Deutschland, der sie spätestens zum nationalen Symbol der Deutschen machte, wurde sie heimgeführt. König Friedrich Wilhelm III. setzte jedoch eine Veränderung durch. Der antike Lorbeerkranz mit darüber schwebendem römischen Adler, den bar jeder preußischen Staats- oder deutschen Nationalsymbolik die Göttin auf ihrer Panierstange trug, wurde von Schinkel und Jury durch ein "Panier Preußens" ersetzt, bestehend "aus einem Eichenkranz, welcher das eiserne Kreuz umschließt, über welchem der preußische Adler mit ausgebreiteten Schwingen ... schwebt."

Auch Friedrich Wilhelm III. hatte inzwischen die symbolische Bedeutung des Tores begriffen. Das zeigte sich nicht zuletzt darin, wie er die Rückkehr der Quadriga in Szene setzte. Nachdem sie am 30. Juni 1814 auf das Tor zurückgekehrt war, wurde sie fürs erste verhüllt. Enthüllt wurde sie erst, als der König, aus Paris zurückgekehrt, an der Spitze seiner Truppen durch das Tor in seine Hauptstadt einzog. Es sollte der erste einer Reihe preußischer Triumphzüge durch dieses Tor werden. Das Brandenburger Tor mit seiner Quadriga war zu dem Triumphbogen Preußens geworden.


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