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18.11.06 / Vorbild in Gefahr / Mehlaukens Pfarrkirche ähnelt verblüffend Potsdams Friedenskirche

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. November 2006

Vorbild in Gefahr
Mehlaukens Pfarrkirche ähnelt verblüffend Potsdams Friedenskirche
von Christian Papendick

Noch erhebt sich in dem langgezogenen Straßendorf Liebenfelde, dem früheren Mehlauken, die eindrucksvolle evangelische Pfarrkirche aus dem 19. Jahrhundert, diese italienisch wirkende Basilika in rotem Backstein mit ihrem vorgezogenen Campanile. Wie so viele andere in Ostpreußen ist auch dieses großartige Bauwerk dem Zerfall ausgesetzt, konnte diesem aber dank äußerst solider Handwerksarbeit mit seinen starken Mauern bis jetzt noch bedingt standhalten. Die wunderbare Ostfassade des Kirchenschiffes ist weniger geschädigt, als die mehr der Witterung ausgesetzte Westfassade. Hier wachsen Birken- und Weidensämlinge aus dem Mauerwerk des Traufenbereichs. Der kleine Arkadengang zwischen Basilika und Campanile ist bereits zerstört. Trotz des Zerfalls zeigt der streng proportionierte Giebel mit dem dreiteiligen Portal die meisterliche Gestaltung dieser Kirche.

Der kunstsinnige König Friedrich Wilhelm IV. hatte schon als Kronprinz während seiner Italienreisen die Idee, in Potsdam eine Bürgerkirche im Stil der von ihm bewunderten italienischen Romanik zu bauen. Seine Skizzen der frühchristlichen Basilika St. Clemente in Rom flossen später in die Planungen von Ludwig Persius ein, die nach dessen Tod Friedrich August Stüler zum Bau der Friedenskirche übernahm.

Im fernen Ostpreußen, hier in dem Straßendorf Mehlauken, befaßte sich Stüler schon seit 1841 mit Plänen zum Bau einer Kirche, die dann 1845/46 erbaut und am 25. Oktober 1846 - vor gut 160 Jahren - eingeweiht wurde. Der König selbst hat sich um den Bau dieses Gotteshauses gekümmert und soll wohl auch in Mehlauken den Baufortschritt verfolgt haben. Die auffallende Ähnlichkeit dieser Mehlaukener Kirche und der Potsdamer Friedenskirche legt die Vermutung sehr nahe, daß Mehlauken ein Modell im Maßstab 1:1 für die Potsdamer Friedenskirche gewesen ist, deren Grundsteinlegung am 14. April 1845, deren endgültige Fertigstellung aber erst 1854 - also acht Jahre später als die der Mehlaukener Kirche erfolgte.

Vergleicht man beide Baukörper miteinander, läßt sich sofort die Verwandtschaft der beiden Sakralbauten ablesen. Das Kirchenschiff Mehlauken ist mit dem Potsdamer Bau fast identisch. Der Potsdamer Campanile besitzt diese Identität vor allem in der Zuordnung und Körperform, weicht jedoch in Höhe und Gestaltung von Mehlauken ab. Der Turm in Mehlauken wirkt mit seiner nur im Bereich des Glockenstuhls geöffneten Form und den sich im Turmschaft leicht verjüngenden Geschossen strenger und kompakter. Die Klangarkaden unter dem flachen Pyramidendach mit den einfachen Verzierungen aus Backstein ähneln den Türmen der italienischen Romanik. Vor dem Kirchenschiff stehend zeigt sich uns die kraftvolle Architektur dieses Gebäudes mit seinen streng eingeschnittenen Rundbogenfenstern, die altchristlichen Vorbildern gleichen und in ihrer Anzahl genau denen der Potsdamer Friedenskirche entsprechen. Die auch hier horizontal gegliederten Verzierungen im Mauerwerk verleihen der Mehlaukener Kirche eine fast asketische Strenge und Würde.

Dank der äußerst soliden Handwerksarbeit ist der bauliche Verfall etwas geringer, jedoch besteht die Gefahr, daß das Gebäude wegen seiner wertvollen Steine von Ziegelräubern zusammengeschlagen wird. Die Mehlaukener Kirche ist in ihrem Zustand im höchsten Grade gefährdet. Sie muß zunächst unter Denkmalschutz gestellt werden, um die Restaurierung zu sichern.

Die zuständigen Behörden wie auch die Bevölkerung des im Jahre 1938 in Liebenfelde umbenannten Ortes sind sich der besonderen kunsthistorischen Bedeutung dieser im Verfall befindlichen Kirche nicht bewußt. Daher ist Aufklärung notwendig. Es sind im Land genug Kirchen zerstört worden. Jetzt, wo im Land wieder Hoffnung aufkommt, muß auch der perfide Zerfall gestoppt werden. Es geht um die letzten noch sichtbar gebliebenen Kulturgüter einer einst so reichen Provinz. Sie sind mit der Geschichte dieses Landes eng verbunden und warten dringend auf Rettung. Auch das gehört zur deutsch-russischen Verständigung.


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