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25.11.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. November 2006

Bloß keine Bilanz! / Warum wir "ein Jahr Merkel" nicht resümieren, warum den Angelsachsen die Preußen so fehlen, und was Motassadeq zum Lachen bringt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Endlich Herbst, mit allem Drum und Dran! Der wollte ja erst nicht so richtig. Als wenn es gewußt hätte, wie strahlend schön es einst war mit seiner WM, klammerte sich das Jahr 2006 an seine Sommerlichkeit wie eine alternde Diva an ihre längst verwelkte Jugend. Schluß damit - die naßkalte Wahrheit ließ sich nicht länger hinauszögern.

Wie jeden Herbst sind wir geneigt, besinnliche Rückschau zu halten. Da trifft es sich im Grunde gut, daß sich nicht bloß 2006 neigt, sondern diese Woche auch das erste Jahr Merkel. Zeit, "Bilanz zu ziehen". Aber haben wir eigentlich Lust dazu? Lohnt sich das Bilanzziehen überhaupt? Was gäbe es denn zu betrachten über das Merkeljahr? Wahllügen, Stoibers "ja, äääh, nein, ääh vielleicht, ääh, doch nicht" zu seinem Eintritt-Nichteintritt ins Kabinett Merkel, Steuern, Gesundheit, Libanon - wollen wir wirklich den ganzen Krempel nochmal hochwürgen und das Gekröse nach "Historischem" durchstöbern? Lieber nicht, sonst geht es uns am Ende wie manchen Journalisten, die die Merkelzeit andächtig zur "Ära" aufbliesen und sich damit der Lächerkeit auslieferten.

Blicken wir lieber in die weite Welt, auf die großen Strömungen, die das Leben im Innersten bewegen. Da hat sich nämlich allerhand getan. Es ist nicht lange her, daß Experten die "Virtualisierung" aller Bereiche unseres Daseins diagnostizierten. Wo Menschen sich oft nur noch per Internet kennten, an "Telearbeitsplätzen" vereinsamten und in der Freizeit in digitale Scheinwelten flüchteten, da gehe alles Wirkliche nach und nach verloren. Als erste würden die fanatischen Computerkinder von der "Virtualisierung" aus der natürlichen Realität gerissen. Bald würden wir uns aber alle elektronische Hüte aufsetzen, die in unseren Hirnen die gewünschten Gefühle auslösten und damit alle Erfahrungen simulieren könnten.

In dem Film "Matrix" wurde die Zukunftsvision einer vollends virtuellen Welt auf die Spitze getrieben: Dort ist die Erde eine Trümmerwüste, aber die Menschen haben einen Knopf im Kopf, der sie glauben macht, alles sei in wunderbarer Ordnung.

Gruselig, nicht wahr? Aber wie es mit Zukunftsvisionen nunmal ist, sie sind - bestenfalls intelligente - Spinnereien. Das richtige Leben bricht sich seine Bahn schon selber. So erkannten wir dieser Tage, daß das Leben der Teenager gar nicht in die "virtuelle Welt" entschwunden ist, sondern daß manche von ihnen dort nur mal vorbeischauen, um sich neue Vorbilder und Handlungsanweisungen zu holen, die sie dann in der Wirklichkeit ihrer Schule ausleben: Einer lief nun Amok und schockte uns ziemlich. So hatten wir uns das nicht gedacht. Alle waren sich einig: Es muß etwas geschehen!

Gut, daß kurz vor Jahresende die Steuermittel für Projekte gegen Rechtsradikalismus noch einmal aufgestockt worden sind und ihr weiterer Abfluß dauerhaft gesichert wurde. Das hat zwar mit der Gewaltwelle, die aus dem Rechner schwappt, rein gar nichts zu tun. Aber immerhin: "Es wird etwas getan!"

Die Behauptung, solch Computermüll verderbe die Jugend, ist ohnehin problematisch. Wäre das so, träfe dies ja auch auf gewalt- und kriminalitätsverherrlichende Musik zu wie den "Gangsta-Rap". Das ist diese Stammelmusik, in der tätowierte Muskelmänner mit Unterschicht-Aura ihre ganz eigene Meinung vom staatlichen Gewaltmonopol kundtun. Für Linke sind sie die Stimme der "sozial Benachteiligten" und daher von jedem Verdacht frei, die Jugend zu verwerflichen Taten zu animieren. Wer sie zensieren will, "der verdrängt die soziale Wirklichkeit", in der "Gewalt nunmal zum Alltag gehört". Und daran ist die Gesellschaft schuld und nicht das brutale Computerspiel oder der gewaltbesingende Rapper. Also muß die Gesellschaft das auch ausbaden, so das scharfe Urteil der "sozial Sensibilisierten".

Allerdings haben die Sensibilisierten keine Lust aufs Mitbaden, ein ärgerlicher Widerspruch, an dem sich gemeine Kritiker von rechts immer wieder gern hochziehen. Nichts ist schmerzhafter als die Erfahrung, daß einem die eigenen Widersprüche auf die Füße fallen.

Briten und Amerikaner müssen da gerade durch. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sie den Deutschen mit aller pädagogischen Macht des Befreiers jedwede Neigung zum Kriegführen propagandistisch aus dem Hirn gewaschen. Quell des deutschen Militärgeistes war Preußen, das deshalb gerechterweise weg mußte mit allem, was geistig dranhängt, so Briten und Amis damals. Heute beklagen sie sich jeden Tag lauter über die entsetzlich lang anhaltende Wirkung dieser pazifistischen Läuterung. Bis zum Hals im südafghanischen Desaster rufen Briten, Amerikaner und Kanadier verzweifelt nach den Preußen und bekommen statt dessen Franz Josef Jung, der ihnen mit schleimweichen Erklärungen jedesmal durch die blutigen Finger glitscht.

Die deutsche Linke weist solche Hilferufe mit dem Hinweis zurück, daß wir aus der Geschichte gelernt hätten (was man uns gelehrt hat), deshalb keine Militaristen mehr seien und unsere Mission daher darin sähen, die Mädchenschule von Masar-i-Scharif zu renovieren.

Geschichtsbewußte Deutsche breiten derweil genüßlich die jahrzehntelange Preußenhatz der Angelsachsen aus - erst Preußen, das Rückgrat und das Schwert Deutschlands, austilgen und sich dann wundern, daß den Deutschen beides fehlt! Und dann wird unter teuflischem Grinsen aufgezählt: Daß das heutige, angelsächsisch dominierte Kanada von den Preußen in Schlesien erkämpft wurde, daß die US-Armee von einem Preußen und nach preußischen Vorbild aufgebaut wurde und daß der große Wellington ins belgische Gras gebissen hätte ohne die Preußen. Also beklagt euch nicht, daß ihr in Kandahar jetzt so allein seid. So wäre es schon viel früher gekommen, wenn eure Vor-Vorfahren genauso bescheuert gewesen wären wie eure Vorfahren. Ein billiger Triumph, zugegeben. Aber gehaltvoller waren die anglo-amerikanischen Argumente gegen den "preußisch-deutschen Militarismus" auch nicht.

Kenner der Materie erwarten allerdings, daß Berlin seine Weigerung nicht lange durchhalten wird. Also dürften deutsche Truppen irgendwann doch noch in den Krieg mit den Taliban Südafghanistans ziehen müssen. Bis dahin sollten sie die Erfahrungen früherer deutscher Generale mit dem Zweifrontenkrieg büffeln, die werden sie nötig haben: Auf der einen Seite die Taliban, die fanatisch und mit allen Tricks auf die Deutschen losgehen werden.

Auf der anderen die noch grausamere, perfidere Macht, die bei erster Gelegenheit mit tatarischer Härte über die Soldaten kommen wird: Wir, die deutschen Medien und unsere Bundestagsschwätzer. Während der Schädelaffäre haben wir bereits alle unsere Macheten geschärft und wollen Blut sehen.

Sobald das erste Kind, die erste Frau oder sonstwer, der nicht mit Vornamen "Talib" heißt, ins Schußfeld der Bundeswehr geraten ist, schlagen wir los: "Deutsche Soldaten töten unschuldige Zivilisten!", johlen wir dann von Verzückung geschüttelt, und im Bundestag werden sich alle, denen ihre Karriere am Herzen liegt, von den "unerträglichen Bildern" distanzieren und "schonungslose Aufklärung" verlangen. Danach ist Nacht der langen Messer in den Offiziersstäben in Afghanistan. Die Köpfe werden plumpsen wie im Paris der 1790er Jahre. Es wird ein Fest! Vielleicht lassen sich auch noch ein paar Begleitskandale auftreiben in der Preisklasse "Rommel-Palme an KSK-Autotür". Reicht ja schon ein Rekrut, der im Zelt heimlich Marschmusik hört oder das Bild eines preußischen Generals versteckt (Kriegsverherrlichung!). Wir sind mit allem zufrieden.

Daß wir Erfolg haben werden, scheint nach den jüngsten Erfahrungen sicher. Vielleicht ist es das, was dem braven Mounir al-Motassadeq immer so ein mildes Lächeln aufs Gesicht zaubert: Er kennt seine Deutschen.


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