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02.12.06 / Mit Charme und Geschick / Eine Frau - ein Wort: Professor Lotte Tobisch-Labotyn - Das Porträt einer engagierten Wienerin und Weltbürgerin

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Dezember 2006

Mit Charme und Geschick
Eine Frau - ein Wort: Professor Lotte Tobisch-Labotyn - Das Porträt einer engagierten Wienerin und Weltbürgerin
von Susanne Deuter

Als Schülerin hat sie rebelliert, in heiklen Situationen bewies sie Mut und packte zu, gesellschaftlichem Spott hielt sie stand, neue Herausforderungen meistert(e) sie mit Bravour. Als vor vier Jahren das Buch "Die Welt der Lotte Tobisch" erschien, kommentierte eine Freundin es mit den Worten: "Du bist besser!" Dieser von einer lachenden Lotte Tobisch zitierte Satz gefällt mir. Er kommt mir oft in den Sinn, wenn ich an unsere Begegnung im Salzburger Hotel Sacher zurückdenke. Mir war bald klar: Da sitzt eine Frau mit Geist, Herz und Witz, die Verläßlichkeit und Geradlinigkeit vermittelt. Außerdem ist sie ein Beispiel dafür, daß man ernste Dinge durchaus mit Humor angehen und preußische Tugenden auch als Wienerin verinnerlicht haben kann.

Ein inzwischen 80 Jahre währendes Leben. Womit anfangen, womit aufhören? Für mich erfreuliche Schwerstarbeit, für Lotte Tobisch zwei passende Vokabeln in ihrem Lebenslauf, der voller interessanter Anfänge - Schauspielerin, Opernball-Organisatorin, Präsidentin von "Künstler helfen Künstlern" - und klarer Schlußstriche ist.

Lotte Tobisch-Labotyn, Einzel- und Scheidungskind, wurde am 28. März 1926 in eine Adelsfamilie hineingeboren, deren Chronik sich - mit Lücken - bis ins Jahr 1229 zurückverfolgen läßt. Ihre schöne Mutter Nora, "ein Zauberwesen", hätte eine verrückte Art zu leben gehabt, die man heute gar nicht begreift. Noch im hohen Alter gab sie Sätze wie "Ach Lotte, du warst doch auch einmal jung!" zum besten. Obwohl aus einer im Dritten Reich "wirklich belasteten Familie" stammend, sei Politik kein Thema gewesen. Die heranwachsende Lotte war anders gesinnt, ehrlich am Mitmenschen interessiert und wenn's sein mußte, für ihn handelnd.

Noch bevor die Theater und Akademien geschlossen wurden, begann Lotte Tobisch, die Bühne für sich zu entdecken. Auch einen Vorsprechtermin in der Reichstheaterkammer in Berlin, wo unter anderen Gründgens und George in der Jury saßen, hatte sie absolviert. Dabei blieb es, aufgrund der Kriegsereignisse. Lotte Tobisch nahm fortan Privatunterricht bei dem großen, von ihr sehr verehrten Burgschauspieler Raoul Aslan. Als sich dann am 30. April 1945 der Vorhang auf der Exilbühne im Ronacher hob, war die 19jährige Lotte dabei, als eines der Blumenmädchen in Grillparzers "Sappho". Ein Vertrag und damit weitere Rollen folgten. Ihr Mentor Aslan, Erster Schauspieler und bis 1948 Direktor des Burgtheaters, war jetzt auch ihr Bühnenpartner.

Erhard Buschbeck, langjähriger Chefdramaturg und wie Ernst Hauessermann es ausdrückte "der ruhige Motor des Hauses", sollte die große Liebe im Leben von Lotte Tobisch werden und bleiben. Für ihren fast 40 Jahre älteren Lebenspartner gab sie ihren Beruf zunächst auf. In den Jahren mit Buschbeck, der am 2. September 1960 nach langer Krankheit starb, habe sie zu sich gefunden. Sie arbeitete schließlich erneut als Schauspielerin - in Film und Fernsehen, am Volkstheater, an der Josefstadt und wieder am Burgtheater, wo sie auch als Betriebsrätin tätig war. Außerdem legte sie mit zahlreichen Feuilletons und sogar Leserbriefen eine flotte Feder an den Tag. Dieser war bereichert durch Kontakte zur älteren Generation, für Lotte Tobisch nichts Ungewöhnliches. "Die Menschen damals, haben mir das geboten, was ich gesucht habe, nämlich gewisse Werte, die eben bleiben. Man konnte zuhören und lernen." Sie ist dankbar für Freundschaften mit dem Philosophen Günther Anders, der Schriftstellerin Christine Lavant und dem Ex-Bundeskanzler Bruno Kreisky. "Das war halt schon was", meint sie rückblickend.

Einem Menschen war Lotte Tobisch besonders verbunden: ihrem "Teddie", dem 1969 verstorbenen Philosophen Theodor W. Adorno. Zum 100. Geburtstag Adornos im Jahr 2003 entschloß sie sich, den privaten Briefwechsel mit ihm, ein interessantes Stück Zeitgeschichte, zu veröffentlichen (Literaturverlag Droschl, Graz). "Ich habe immer gewußt, wo er steht und wo ich." Wo sie sich getroffen hätten, das sei beider Einstellung gegenüber dem Leben und dem Stellenwert der Kunst sowie gegen die Vermarktung von allem und jedem gewesen. "Eine menschliche Korrespondenz, jenseits aller Spekulationen", das war der Grund für die Herausgabe der umfangreichen Briefsammlung. Ihre Fans von der Opernball-Schickeria hätten sich natürlich gedacht: Endlich werde ich einen Skandal über die Tobisch erfahren. Von wegen! Das ist ihre Sache nicht.

Da ist sie wieder, die Grundeinstellung der bekennenden Bibelleserin, den einzelnen Menschen mit all seinen Facetten zu betrachten und zu achten. Dazu gehört auch, das Alter zu ehren und zuzulassen. Wenn zum Beispiel 30jährige Models für "Collagen-Auffüller" gegen Gesichtsfalten Werbung machen, kann sie sich nur schütteln vor Lachen. Sie schwört auf die gute, altbekannte Creme in dem blauen Topf mit dem weißen Schriftzug. Schaut man Lotte Tobisch an, weiß man: Schönheit muß nicht teuer sein!

Anfang November war sie Talk-Gast in der ORF-Reihe "Philosophicum" zum Thema "Altern - Die unausweichliche Chance". Lotte Tobisch kennt sich aus mit den verschiedenen Facetten des letzten Lebensabschnitts. Sie ist unter anderem Ehrenvorsitzende der Österreichischen Alzheimer Liga. Wissenschaftliche Vorträge könne sie nicht halten, aber gewisse Einrichtungen unterstützen. Dazu gehört der "Memory-Bus", der jedes Jahr durch die österreichischen Bundesländer tourt. Experten rufen zum Gedächtnistraining auf und fordern mehr Aufmerksamkeit für diese Krankheit, die immer noch zu den Tabuthemen gehört. Seit 1995 hat Lotte Tobisch auch das Amt der Präsidentin von "Künstler helfen Künstlern" und vom beinahe schon legendären Künstlerheim in Baden bei Wien inne (siehe Kasten).

Es waren nur Streiflichter, die hier auf die Biographie dieser außergewöhnlichen Frau geworfen wurden. Dabei ist das, womit der Name Lotte Tobisch eigentlich einhergeht, (fast) noch gar nicht erwähnt. "Ich werd's nicht los", so die Ex-Opernball-Lady. Bis 1996 hat sie 15mal die weltbekannte Großveranstaltung in der Wiener Staatsoper organisiert. Man müsse das "zwar ernsthaft machen, aber ganz ernst sollte man den Opernball nicht nehmen, wenn wir da ein bisserl heile Welt spielen".

Sie habe sich natürlich gewundert, daß die Wahl der neuen Organisatorin 1981 gerade auf sie fiel. Die Voraussetzungen waren äußerst schlecht: Sie ist keine Partylöwin, beim Walzertanzen links herum wird ihr übel und auf Alkohol kann sie auch fast ganz verzichten. Dennoch, den Blick aufs Wesentliche gerichtet, mit Charme und Geschick legte sie los. Ohne Übertreibung dürften "ihre Opernbälle" zu den glanzvollsten zählen. Ist sie vielleicht immer zur rechten Zeit am richtigen Ort?


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