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09.12.06 / Deutsch ist tabu / EU-Projekt "Baltic Fort Route" soll alte Burgen an der Ostsee touristisch vernetzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Dezember 2006

Deutsch ist tabu
EU-Projekt "Baltic Fort Route" soll alte Burgen an der Ostsee touristisch vernetzen
von Markus Schleusener

Am Sonntag war die Zitadelle Spandau noch eine Bastion für die deutsche Sprache. Die größte Berliner Festungsanlage beherbergte eine 150köpfige Gesellschaft: Die Wochenzeitung "Junge Freiheit" vergab den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten. Preisträgerin war in diesem Jahr die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann.

Der Preis für Nachwuchsjournalisten ging an Thomas Paulwitz, den Schriftleiter der Zeitschrift "Deutsche Sprachwelt", die sich als Kampfblatt gegen Anglizismen und Sprachpanscherei versteht. "Wir kämpfen gegen die Verhunzung der deutschen Sprache und machen Menschen Mut, sich dagegen zu wehren", sagte Paulwitz in seiner Dankesrede.

Es war eine schöne Rede an einem schönen Sonntag.

Montag früh sieht die Welt ganz anders aus. In die Zitadelle eingeladen hat das Bezirksamt Spandau. Genauer gesagt in die "Citadel Spandau", es geht nämlich um ein Projekt der Europäischen Union - und da ist Deutsch offenbar tabu.

Zusammengekommen sind etwa 60 Vertreter aus insgesamt sechs Staaten: Deutschland, Polen, Litauen, Russische Föderation, Ukraine und Luxemburg. Zwei Russen sind aus Königsberg da. Das Ganze ist ein Informationsaustausch über Festungsanlagen im Ostseeraum. Das Projekt lautet offiziell "Baltic Fort Route", eine geplante Touristenroute, welche die vielen deutschen Festungen entlang der südlichen Ostsee vernetzen soll.

Eine Tagung in Deutschland, ohne einen einzigen Briten oder Iren, die sich praktisch ausschließlich mit deutschem Kulturerbe befaßt, und dennoch wird nach dem Willen der Veranstalter alles auf englisch verhandelt - eine bizarre Situation.

In der letzten Reihe sitzen die Abgesandten aus Tiegenhof bei Danzig. Einer von ihnen ist Jacek Kosiorek. Er versteht kein Deutsch. Er versteht aber leider auch kein Englisch. Deswegen macht er einen gelangweilten Gesichtsausdruck. Wenn er wenigstens wüßte, daß in seiner Tagungsmappe ein "Glühweingutschein" für den nahegelegenen Weihnachtsmarkt in der Spandauer Altstadt versteckt ist! Aber den könnte er ja sowieso nicht entziffern.

Der Pole versteht nur eine Rede, nämlich die von Andrzej Kunt, dem Bürgermeister von Küstrin. Kunt ist der einzige, der sich nichts aus den Vorgaben der EU macht. Er hält seine Rede auf polnisch. Und die wird dann übersetzt. Ins Englische versteht sich.

Alle anderen Redner, überwiegend Deutsche wie die Mehrzahl der Teilnehmer, sprechen englisch. Und das, obwohl Osteuropäer bekanntlich Deutsch als Verhandlungssprache bevorzugen. Die meisten Teilnehmer wirken deswegen so gelangweilt wie Kosiorek. Viele gehen herum und machen Bilder mit ihren Digitalkameras, laden die Bilder auf ihre Klapprechner hoch, bearbeiten die Bilder. Kaum einer folgt den Vorträgen.

In denen geht es um die Herstellung von Werbeschriften oder um Fragen wie: "Für welche Konzerte ist meine Burganlage geeignet?" Die Chefin der Zitadelle, Andrea Theißen, spricht über "Leben auf Burgen" (Life on Fortresses).

Ein Redner berichtet über ein EU-gefördertes ABM-Projekt, bei dem 25 ausländische Arbeitslose ein Jahr lang das Laub zusammengeharkt haben usw. Er zeigt dazu Bilder von Wurzeln und erzählt, daß die Projektmitarbeiter Wurzeln entfernen mußten, die sonst das Mauerwerk der Zitadelle gesprengt hätten. 44000 Euro hat dieses Projekt gekostet.

Christoph Pienkoss vom "Deutschen Verband für das Wohnungswesen" berichtet über Chancen für den Tourismus auf der Europäischen Route für Backsteingotik (European Route of Brick Gothic). Der "Kulturtourist", weiß er, will Kirchen sehen. Allerdings ist es so, daß immer mehr Kirchen stillgelegt werden, weil es in den neuen Bundesländern keine Gläubigen mehr gibt.

Ist das jetzt schade? Nein. Denn in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel würden Kirchen wie die Jacobikirche in Stralsund mit staatlichen Geldern umgewandelt in Theater oder Restaurants, sagt er, und nennt das eine "positive Entwicklung".

Den einzigen wirklich wertvollen Redebeitrag liefert ein Pole aus Küstrin. Er heißt Ryszard Skalba, stellt sich aber ohne mit der Wimper zu zucken als "Richard Skalba aus Küstrin" vor (in der Teilnehmerliste wird er unter "City Kostrzyn, Poland" aufgeführt). Er spricht über die Bedeutungen von Festungsanlagen und stellt einen Einladungstext vor, den er von einer Journalistin hat schreiben lassen.

Darin heißt es: "Der Herrscher mußte sich den Kopf darüber zerbrechen, wie er sein Gebäude finanziert. Oder, um es einfacher zu sagen: Wem er welche Steuern auferlegt und wer sie eintreibt." Es sind immer die gleichen Fragen, die die Menschheit beschäftigen. Das war so zu den Zeiten, als weiter östlich der Deutsche Ritterorden seine majestätischen Burgen errichtete, und so ist es in der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten.

Schätzungsweise 700 Millionen Euro fließen aus Brüssel jedes Jahr nach Berlin zurück (ein Teil von den Milliarden, die vorher von den Deutschen dorthin überwiesen worden sind) - für Projekte wie diese Konferenz, bei denen sich Teilnehmer bunte Bilder von Wurzelentfernungen am Mauerwerk der Zitadelle Spandau anschauen.

Richard Skalba ärgert sich nicht so sehr über das Geld, aber um so mehr über die Konferenzsprache Englisch. Er spricht zwar genauso gut Englisch wie Deutsch. Trotzdem meint er spontan: "Ich hätte lieber deutsch gesprochen, aber das ist hier eben die EU - da spricht man nur englisch." Polen müssen sich an den alltäglichen EU-Wahnsinn eben noch gewöhnen.


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