19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.12.06 / Studie: Tausende Beamte sind überflüssig / Berlins Kommunalbedienstete nach Senatsuntersuchung in der Kritik: Zu langsam und zu zahlreich

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Dezember 2006

Studie: Tausende Beamte sind überflüssig
Berlins Kommunalbedienstete nach Senatsuntersuchung in der Kritik: Zu langsam und zu zahlreich
von Patrick O'Brian

Bis zu 40 Prozent der Stellen in der Berliner Verwaltung, das ergibt eine neue Senatsstudie, könnten wegfallen. Einfach so. Ohne, daß die Bürger etwas spürten. Das Personal in Berlin arbeitet nämlich viel weniger effizient als das anderer Kommunen.

Das hat Folgen: Das An- oder Ummelden eines Autos ist seit jeher ein Horrortermin für viele Berliner. Schlimmer als der Besuch beim Zahnarzt. Lange Schlangen sind vor dem Kfz-Amt in Kreuzberg schon morgens die Regel. Und viele Antragsteller haben das Gefühl, daß ausgerechnet an dem Tag, an dem sie sich dorthin bemühen, auch allerlei zwielichtige Gestalten vorbeischauen, um ihre Behördengänge zu absolvieren. Dem einen oder anderen wird es angst und bange beim Gedanken an die verdächtige Nachbarschaft, die ihn in der Warteschlange erwartet.

Aber jetzt kommt Bewegung in die Angelegenheit. Wegen der miserablen Kassenlage und wegen einer Sache, die der Finanzsenator mit POP abkürzt: Personaloptimierungspotential. Darunter versteht er die Zahl derjenigen, die überflüssig sind in der Verwaltung der Stadt.

Thilo Sarrazin (SPD) wäre nicht Thilo Sarrazin, wenn er seine Studie nur kleinlaut präsentiert hätte. Nein, Sarrazin hat, wie für ihn üblich, zur Keule gegriffen und blies zur großen Pressekonferenz.

Der Einladungstext las sich harmlos: "Die Senatsverwaltung für Finanzen hat in einem Vergleich der Berliner Bezirke mit 27 deutschen Städten untersucht, mit welchem Personaleinsatz ausgewählte kommunale Aufgaben und Leistungen und Dienstleistungen erledigt werden."

Zwar drang im Vorfeld nichts nach außen, was bei der Studie herausgekommen sei. Aber wer den Finanzsenator kennt, konnte sich denken, daß er mit einem aussagekräftigen Papier aufwarten würde, das seine Forderung nach massivem Personalabbau bekräftigt. So kam es dann auch.

Mehr als ein Drittel der 25000 Beschäftigten der kommunalen Behörden sei schlichtweg überflüssig, besagt die Studie. "Wenn wir uns an den besten Kommunen orientieren, könnten sogar 40 Prozent aller Stellen eingespart werden", rechnet Sarrazin vor.

43 unterschiedliche Leistungen wurden miteinander verglichen, so wie Autozulassung, Parkpflege, Einbürgerung, Meldeangelegenheiten oder Bibliotheken. Verglichen wurden die Berliner Werte unter anderem mit denen von Bremen, Chemnitz, Dortmund, Gelsenkirchen, Hamburg, Kiel, Köln, Leipzig, Magdeburg, Mannheim und Rostock.

Die Resultate sind erschreckend. Ein Berliner Beamter nimmt pro Jahr gerade mal 88 Einbürgerungen vor. Sein Mainzer Kollege schafft im gleichen Zeitraum 243. Oder die Schulen: In Berlins Berufsschulen kommt ein nichtpädagogischer Angestellter (Hausmeister, Sekretärin etc.) auf 128 Schüler. In Herne muß er für 506 Jugendliche dasein. Auch in Bonn sind es deutlich mehr: 292 Schüler pro Mitarbeiter.

Die Studie hat für reichlich Aufregung gesorgt. Die Bezirksbürgermeister und die Beamtenlobby halten die Zahlen für "unrealistisch". Die Boulevardpresse dagegen fordert Personalabbau. "Ausreden und Gejammer helfen nicht weiter", schimpft ein Blatt.

Die Kritik an den Kommunalbediensteten ging so weit, daß sich der Senator hinterher zur Distanzierung von den eigenen Erkenntnissen genötigt sah: "Hier werden die Mitarbeiter verunglimpft und in ein schiefes Licht gerückt", moserte er über einen Artikel im Boulevardblatt "B.Z.".

Dabei war es doch Sarrazin selbst, der die Zahlen der Öffentlichkeit präsentiert hatte. Das ist typisch Sarrazin. So ähnlich war es auch, als er feststellte, der argentinischen Staatshaushalt sei "solider als der Berliner" - und das kurz nach dem totalen Zusammenbruch der Finanzen des südamerikanischen Landes. Hinterher hat er es dann immer so nicht gemeint.

Besonders schlecht kommt übrigens das eingangs erwähnte Kraftfahrzeugverkehrsamt in der Studie weg. Es ist kein Wunder, daß Berliner Autofahrer dort so viel Zeit verplempern müssen. Jetzt steht nämlich amtlich fest: Die Angestellten arbeiten im Schneckentempo. Ein Mitarbeiter der Berliner Zulassungsstelle schafft es, im Jahr 193 Fahrzeuge zuzulassen, rechnerisch weniger als ein einziges pro Arbeitstag. Ein Kölner bearbeitet 1228 Anträge dieser Art abschließend - mehr als sechsmal so viele!


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren