28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.12.06 / Hatz auf die Hinterbank / Der Fall Henry Nitzsche und die Folgen rhetorischer Aussetzer

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Dezember 2006

Hatz auf die Hinterbank
Der Fall Henry Nitzsche und die Folgen rhetorischer Aussetzer
von Bernhard Knapstein

Ich begrüße die Debatte um Patriotismus, um endlich vom Schuldkult runterzukommen und damit Deutschland nie wieder von Mulitkulti-Schwuchteln in Berlin regiert wird." Es ist nicht überliefert, ob der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche, dem diese Worte in einer Rede aus dem Stegreif entglitten waren, noch recht bei Sinnen war.

Der 1959 im sächsischen Kamenz gebürtige Nitzsche sitzt für die CDU seit 2002 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises 156 (Kamens, Hoyerswerda, Großenhain, Radeberg) im Deutschen Bundestag. Nitzsche gilt in seinem Wahlkreis als Mann klarer Worte und Vertreter des rechten Flügels der Union. Im Bundestag ist er eher das, was man einen Hinterbänkler nennt. Im ostsächsischen Lieske hatte er im Rahmen einer kleinen Parteiveranstaltung über Patriotismus diskutieren wollen und mit diesen provozierenden Worten begonnen. Das war im Juni. Der Vorfall ist erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangt, nachdem ein Parteifreund, ein Staatsanwalt aus Hoyerswerda, zurücktrat, weil Nitzsche eine noch auf der Veranstaltung eingeforderte Entschuldigung abgelehnt hatte. Der als Vorsitzender der CDU-Wittichenau im Landkreis Kamenz amtierende Parteifreund, hatte auch in seinem eigenen Verband keinen Rückhalt gefunden und zog deshalb die Konsequenzen: eigener Rücktritt und Unterrichtung der Presse.

Von einem zweiten Fall Martin Hohmann ist jetzt die Rede. Wie damals Stoiber gegen Hohmann, hat nun mit Ex-Minister Heinz Eggert erneut ein Konservativer ein Parteiausschlußverfahren gefordert. Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmar erklärte zwar, er habe Nitzsche unmißverständlich klar gemacht, daß die Union diese Äußerungen nicht akzeptiere, und auch Nitzsche selbst hat sich von seiner Wortwahl inzwischen distanziert, aber härtere Konsequenzen bis hin zum Parteiausschluß sind nicht mehr auszuschließen. Die Bundestagsfraktion wartet ab - im Umfeld des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder heißt es, man wolle nicht gleich den Stab über Nitzsche brechen, um noch über Steigerungsszenarien zu verfügen.

Nitzsche ist bereits angezählt: 2003 hatte er - ungeachtet muslimischer Parteifreunde - gesagt, eher werde einem Muslim die Hand abfaulen, als daß er CDU wähle. 2005 machte er mit dem eigentlich unverfänglichen Motto "Arbeit, Familie, Vaterland" Wahlkampf, obwohl oder weil es ein Jahr zuvor von der NPD als Motto eines Bundesparteitages verwendet worden war.

Geradezu genüßlich forderte die sächsische NPD den CDU-Abgeordneten Nitzsche nun zum Parteiübertritt auf. Ein gefundenes Fressen für alle politischen Gegner. Der Fall Nitzsche ist aber kein Fall Hohmann, denn Martin Hohmann, wurde unterstellt, er habe in einer Rede zum Tag der deutschen Einheit 2003 Juden ein Tätervolk genannt, was er so gerade nicht getan hatte. Dennoch wurde Martin Hohmann, der höchste Wahlergebnisse erzielt und fraktionsübergreifend als kollegial bis beliebt gegolten hatte, aus der Partei ausgeschlossen. Nitzsche zu opfern, das dürfte der CDU ungleich leichter fallen.

Nitzsche hat dem (verbliebenen) rechten Flügel in der Union und den Konservativen überhaupt mit seinem rhetorischen Mißgriff geschadet. Vokabular von unterhalb der Gürtellinie und ähnliche Herabsetzungen sind weder akzeptabel noch konservativ.

Politische Gegner greifen nun nicht nur das Schmuddelvokabular an, sondern auch den zugespitzten an sich aber akzeptablen Begriff "Schuldkult". Ein sachlicher Diskurs über einen vernünftigen Umgang mit den Verbrechen des NS-Regimes ist da kaum noch möglich.

Wer - welcher politischer Couleur auch immer - seine Positionen in den demokratischen Diskurs einbringt, der ist gut beraten, auf Beleidigungen und sonstige Verbalinjurien jeglicher Art zu verzichten, das dient nicht nur dem Schutz der eigenen Konzepte. Es ist eine Frage des politischen Stils und des zwischenmenschlichen Umgangs insgesamt.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren