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30.12.06 / Beuys, Muehl und Nitsch - Künstler oder Scharlatane Teil II

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. Dezember 2006

"Moment mal!"
Beuys, Muehl und Nitsch - Künstler oder Scharlatane Teil II
von Klaus Rainer Röhl

Die Studentenrevolution von 1967/68 brachte den endgültigen Durchbruch. Auch finanziell. Die Aktionskünstler mußten darüber nachdenken, wie man die einfallsreichen Happenings etwa der Berliner Kommune I unter Teufel und Langhans noch überbieten könne. Der Wiener, bis dahin nicht sonderlich erfolgreiche Maler Otto Muehl versuchte es am 17. Dezember 1969 an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig mit seinem Aktionskunst-Werk "O Tannenbaum". Ein Zeitungsbericht:

"Zunächst trat der splitternackte Muehl vors Mikro und verlas ein Gedicht zum Thema Weihnachtskonsum, übermäßiges Essen nebst Folgen und Weihnachts-Kampfpause. Während von Tonbändern Weihnachtslieder erklangen, steigerte sich Muehl in einen Schreikrampf und legte sich anschließend entspannt zu seiner nackten Gefährtin in das fürs Fernsehen hell angestrahlte Bett. Später wurde die Frau aus dem Bett gehoben. Man brachte in einer Holzkiste ein Schwein, die Kiste wurde geöffnet, das gräßlich quiekende Tier mit Gewalt ins Bett gelegt. Der Schlachter trat in Aktion: fachgerecht tötete er das sich wehrende Schwein und schnitt ihm dann die Halsschlagader auf. Muehl fing das Blut in einem Plastikeimer auf und goß es über die am Boden liegende Frau. Später legte sich die Frau neben das ausgenomme Schwein ins Bett. Därme und Eingeweide wurden über ihren Leib verteilt."

Das war der Wiener Aktionskünstler Otto Muehl, der später weniger durch seine Werke als durch mehrere Prozesse wegen wiederholter Verführung und Vergewaltigung minderjähriger Mädchen in seiner Künstlerkommune Friedrichshof, einem Dorf im österreichischen Burgenland, Aufsehen erregte, wofür er 1991 wegen "Beischlaf mit Unmündigen, Unzucht und Vergewaltigung" zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, von denen er immerhin sechseinhalb Jahre absitzen mußte.

Das alles hinderte den Rektor des "Museums für angewandte Kunst" (MAK) in Wien nicht, im März 2004 eine große Retrospektive der Arbeiten des heute 76jährigen Muehl zu eröffnen. "Otto Muehl. Leben / Kunst / Werk. Aktion / Utopie / Malerei 1960-2004". Ehemalige Opfer der Kommune, von denen eine als Fünfjährige, umringt von der gesamten Führungsmannschaft, vom Künstler mißbraucht wurde, konnten den Museumsdirektor Peter Noever nicht dazu bewegen, die Hommage abzusagen, denn Muehl sei "einer der bedeutensten österreichischen Maler der Nachkriegsgeschichte". Die heute aufgedeckten Straftaten sind längst verjährt - die Kunst bleibt.

Überspringen wir ein ganzes halbes Jahrhundert Geschichte der modernen Kunst und kommen wir zurück zu der Ausgangsfrage, ob auch Joseph Beuys ein bedeutender Künstler seiner Zeit war. Gerade Ende März 2004 ging ein Beuys-Symposion in Budapest zu Ende, (nach Darmstadt 1986, Basel 1991, New York 1995, Kassel 1998 und noch mal Darmstadt 2000) wo keiner der internationalen Experten diese Frage stellte. Auch bei der jüngsten Ausstellung der Kunsthalle Baden-Baden, "Konstruktionen des Innerlichen in der Kunst", spielte Beuys, der, wie es hieß, entscheidende Impulse von der Gedankenwelt Rudolf Steiners empfangen habe, erwartungsgemäß eine besondere Rolle. Dort wurden auch noch einmal jene raren Jugendzeichnungen aus den 50er Jahren, "Erschütterung", "Schauender" und "Die Blinde", gezeigt, die nach Ansicht der "FAZ" "mehr zu Herzen gehen" und "als subtile Seelenschilderungen unmittelbar einleuchten". Ich kenne diese Zeichnungen und bin der Ansicht, sie sind ganz begabte Arbeiten, die aber niemand heute beachten würde, gäbe es nicht das politisch-gesellschaftliche Aufsehen, das der Düsseldorfer um seinen Protest und seine Aktionen, Parteigründungen und andere Aktivitäten gegen die Gesellschaft der 70er und 80er Jahre werbewirksam entfacht hatte. Sein auf der Dokumenta V viel beachtetes Werk, zwei gelbe Pappschilder auf langen Stangen mit der Aufschrift: "Dürer, ich führe persönlich Baader + Meinhof durch die Dokumenta V. J. Beuys", ist kein Grund, seine

Bedeutung anzuzweifeln, sondern eher ein Beleg für seinen Geschäftssinn (das "Kunstwerk" hat heute einen hohen Handelswert) und ein gutes Dokument für eine Einstellung zum Terrorismus, die damals typisch war für die Welt der Augsteins, Bölls und vieler anderer liberaler Intellektueller.

Beuys wurde, nach einer kurzen Wartezeit im Vorhof des Ruhms, als er noch diese subtilen, zarten und eindringlichen Seelen-Zeichungen anfertigte, bald als Neuerer entdeckt und für seine vielen Ideen hoch geehrt. Ob er ein großer Künstler war? Jedenfalls wurde er dafür gehalten, mit Ehrungen überhäuft und seine Werke (beziehungsweise Objekte) hoch bezahlt. Er selbst kannte keinen Zweifel an seiner Bestimmung. Ebensowenig wie seine Kollegen Muehl oder Herman Nitsch, der auch schon 1962 mit seinen sogenannten "Schüttbildern", in denen Farbe eimerweise auf Leinwand geschüttet wurde, Aufsehen und Anstoß erregte. Bereits seine erste Aktion, bei der er 1962 einen weiß gekleideten Jüngling wie einen Gekreuzigten an eine weiße Wand kettete und ihn mit Tierblut übergoß, gab es Proteste. Proteste gab es auch gegen die soeben im Berliner Gropiusbau eröffnete Hermann-Nitsch-Retrospektive "Orgien-Mysterientheater". Dort sah man auch eine Video-Produktion seines 1998 erstmals zelebrierten sechstägigen "Orgien-Mysterien-Festspiels" in Prinzendorf bei Wien, wo der Künstler ganze Kolonnen von nackten Frauen, Gekreuzigten und frisch geschlachteten Tieren in blutüberströmten Prozessionen herumführte. In einem anderen Film rammen nackte Männer einen riesigen Pfahl in den aufgeschlitzten Bauch einer Kuh. Stumpfer Chauvinismus, fand die "Welt am Sonntag", und die "FAZ" fragte sich, ob das, was Hermann Nitsch macht, große Kunst ist oder eine große Sauerei. Das fand auch der Generalsekretär der Berliner CDU, Frank Henkel, der einen Tag nach der Eröffnung ein Jugendverbot forderte für diese abseitige Schau auf Kosten des Steuerzahlers und nur Christoph Schlingensief freute sich über die Bildinschrift "Intellektuell sakraler Masochismus". Alle sollten diese Retrospektive sehen, ließ er wissen.

Von den damals Jüngeren hat in den letzten Jahren besonders Hans-Jürgen Schult, dessen niemals ausgeschriebene Vornamen das rätselhaften Kürzel HA

bilden, im Raum Köln Aufsehen gesucht und gefunden. Sein bevorzugtes Material ist Müll. Hatte er noch 1969 vor der Münchener Akademie fünf Tonnen Müll abgeladen, so läßt er jetzt in fabrikmäßiger Fertigung Preßmüll zu überlebensgroßen, farbig emaillierten "Müllmännern" verarbeiten, die auf öffentlichen Plätzen, so zum Beispiel in Xanten, zu mehreren Hundertschaften massiert die kleine Stadt beschäftigten, aber auch versuchsweise in Paris, Moskau, Venedig und New York gastierten, ohne den ganz großen Durchbruch zu erzielen. Obwohl die Müllmänner, da jederzeit reproduzierbar, auch einzeln zu einem Spottpreis von 1000 Euro pro Stück zu haben sind, werden sie bisher von Sammlern weitgehend verschmäht. Im März 2004 stieg Schult von Müll auf Merkel um. Sein Porträt Angela Merkels, im September fertig und sogleich auf der Titelseite der "Welt" abgebildet, sieht jedoch auch ziemlich vermüllt aus, wie zerknautschtes, graues Altpapier. Nur eine teddygelbe Mähne und die strahlend blauen Augen leuchten farbig aus dem Grau. Frau Merkel, nach Schult die "weltweit berühmteste lebende Deutsche ... das zeigt den Zustand unserer Nation an") machte gute Miene zum bösen Spiel.

Wie Josef Beuys, der auf der Dokumenta VI immerhin einen ganzen (immobilen) Eichenwald pflanzte und darüber hinaus eine unübersehbare, kaum zu katalogisierende Menge an "Objekten" wie Filzjacken, Fettecken, verschmutzte Badewannen, überquellende Aschenbecher und angeweste Tier-Kadaver uns zum Nachdenken und Interpretieren hinterließ, die meisten davon aus seinem Lieblingswerkstoffen Filz, Margarine oder Talg. Er schuf auch "Riesen-Objekte" wie weiträumig ausgebreitete, verrostete Eisenbahnschienen und Balken, die er kunstvoll nachlässig drapierte, Objekte, die zu ihrer Ausstellung ganze Fabrikhallen brauchen, (solche Objekte kaufen dann später staatliche Museen).

Tatsächlich habe ich nicht daran gezweifelt, daß Joseph Beuys auch so ein Scharlatan sei wie seine Kollegen Nitsch, Muehl und Schult und die anderen tausend, deren "Objekte" die deutschen Städte und Länder in der guten Zeit für Milliarden Deutsch-Mark eingekauft haben. Ich und die Reinemachefrau in Düsseldorf, die seine "Fettecke" (einen halb mit einer Art Wagenschmiere bedeckten

Stuhl) auf den Müll warf, und ein Damenkränzchen im Wuppertaler Museum, deren Mitglieder eine mit ranziger Butter von Beuys zu einem Kunstwerk geadelte Badewanne mit Scheuersand säuberten und sie bei einer Party zum Kühlen des Sekts benutzten, dachten wohl in diese Richtung. Sind "Künstler" wie Nitsch Scharlatane? Das Wort wird seit 1968 als Bezeichnung für moderne Künstler im Zeitgeist- und Talkshow-Deutsch kaum noch gebraucht. Politisch wird das Wort Scharlatan gelegentlich noch verwendet, als Synonym für Rattenfänger oder Populist, das heißt für bekannte und bei vielen kleinen Leuten beliebte, von der Presse aber ungeliebte oft sogar "umstrittene" Politiker, wie Möllemann, Schill oder Haider.

Wir dagegen benutzen das Wort Scharlatane hier im althergebrachten Sinn und meinen die zahllosen Vertreter einer Kunst, die nicht mehr von Können her kommt. Sondern von jener Geschäftigkeit, die sich nach 1968 in der Gesellschaft häuslich eingerichtet hat und heimisch geworden ist.

Foto: Leere Theater: Blut, Exkremente und Nacktheit bestimmen viele Bühnen Foto: pa


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